Brauns, Heinrich
Heinrich Brauns ( 3. Januar 1868 in Köln; 19. Oktober 1939 in Lindenberg i.Allgäu) war ein deutscher Politiker (Zentrum) und katholischer Theologe. Brauns war ununterbrochen vom 25. Juni 1920 bis zum 12. Juni 1928 Reichsarbeitsminister und prägte die Sozialpolitik der Weimarer Republik. Die lange Amtszeit brachte ihm den Spitznamen „Heinrich der Ewige“ ein. Das Mitglied des Reichstages schuf die Grundlage für viele sozialpolitische Gesetze und Einrichtungen.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Brauns wurde als Sohn des Schneiders Johann Brauns und dessen Frau Anna, geb. Creveld in Köln geboren. Nach dem Studium der Theologie in Bonn und Köln empfing er am 10. August 1890 in der Kölner Seminarkirche „St. Mariä Himmelfahrt“ das Sakrament der Priesterweihe und wurde Kaplan in Krefeld, der Metropole der Textilindustrie am Niederrhein. Brauns Interesse an den sozialen Fragen und denen der Arbeiterschaft, seine Sorge um die Nöte der Fabrik- und Heimarbeiter, ließ nicht nach und fiel mittlerweile auch zeitlich zusammen mit der großen Initialzündung durch die 1891 veröffentlichte Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ Papst Leos XIII. (Pontifikat 1878-1903), mit der die soziale Frage auf der Ebene der Weltkirche angekommen war. Durch den Zentrums-Politiker und Theologen Franz Hitze (1851-1921) kam Brauns 1900 als Privatgeistlicher zur Zentralstelle des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ in Mönchengladbach, wo er zunächst die Leitung der Organisationsabteilung übernahm und 1903 Direktor an der Zentralstelle des Volksvereins wurde. Nebenher begann er zuerst 1903 an der Bonner Universität ein weiteres Studium der Volkswirtschaft und der Staatswissenschaften, das er nach vier Semestern im Jahr 1905 mit einer staatswissenschaftlichen Promotion zum Thema „Der Übergang von der Handweberei zum Fabrikbetrieb in der Niederrheinischen Samt- und Seidenindustrie und die Lage der Arbeiter in dieser Periode“ an der Universität Freiburg im Breisgau abschloss.
Nach dem Ersten Weltkrieg entschied sich Brauns, ganz auf die politische Bühne zu wechseln. 1919 wurde er in die Weimarer Nationalversammlung (Wahlkreis Köln-Aachen) und 1920 in den Deutschen Reichstag gewählt, wo er sich als Sozialpolitiker rasch die ersten Meriten verdienen konnte: als Mitglied und zeitweise als Vorsitzender des volkswirtschaftlichen Ausschusses sowie des Ausschusses für soziale Angelegenheiten. Dort galt gleich am Anfang dem Betriebsrätegesetz seine erste Aufmerksamkeit. Mit anderen Parlamentariern verhinderte er, dass der radikale Rätegedanke Eingang in das neue Gesetz (verabschiedet am 4. Februar 1920) fand. Im Sommer 1920 nahm sich Heinrich Brauns der Aufgabe an und blieb für die nächsten acht Jahre Reichsarbeitsminister. Als Minister verfolgte Brauns weiter einen Weg der Mitte, was ihm auch Kritik von Kommunisten oder Liberalen einbrachte. Es erfolgte 1921 noch die Ehrenpromotion zum Dr. iur. h. c. an der Kölner Universität. Große Bedeutung hatte für Brauns auch die Arbeitsmarktpolitik, also der Bereich der Arbeitsvermittlung und Arbeitsbeschaffung, Berufsberatung und Berufsausbildung. Mit dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 wurde ein erster gesetzlicher Rahmen hierfür geschaffen. Auch dem Bereich des Arbeitsschutzes galt seine Sorge, doch erreichte er hier keinen Konsens für ein umfassendes Gesetz. Nur in Teilbereichen gelang ihm eine Verbesserung, etwa in den Gesetzen über Wochenhilfe und Wochenfürsorge (1922), mit dem Heimarbeiterlohngesetz (1923) und dem Arbeitszeitnotgesetz (1927). Die letzten Lebensjahre verbrachte er an seinem Rückzugsort und liebte es, in seiner Freizeit bei vielen Reisen das Steuerrad von Schiffen in die Hand zu nehmen und auf dem Wasser zu sein. Freunde aus der Politik, aus der Arbeiterbewegung oder Mitbrüder besuchten ihn im Allgäu, wie auch er regelmäßig ins Rheinland zurückkam.
- Heinrich Brauns wurde 1868 in Köln als einziges Kind eines Schneidermeisters geboren. Nach Schulausbildung und Studium wurde er 1890 zum Priester geweiht und war danach fünf Jahre Kaplan in Krefeld. Von 1895 bis 1900 war er Vikar an St. Dionysius in Borbeck. Während dieser Zeit setzte er sich intensiv mit der sozialen Frage und der Lage der Bergarbeiter im Ruhrgebiet auseinander und engagierte sich für die christliche Gewerkschaftsbewegung. Aus gesundheitlichen Gründen musste Brauns die aktive Pfarrseelsorge im Jahre 1900 aufgeben und widmete sich dem Studium in Bonn und Köln. 1905 schrieb er seine Doktorarbeit zum Thema „Der Übergang von der Handweberei zum Fabrikbetrieb in der Niederrheinischen Samt- und Seidenindustrie und die Lage der Arbeiter in dieser Periode“. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte sich Brauns verstärkt der Politik zu. Als Mitglied des Zentrums gehörte er 1919 der Nationalversammlung, ab 1920 dem Deutschen Reichstag an. Von 1920 bis 1928 war er Reichsarbeitsminister. In seiner Amtszeit setzte er sich für die Einbindung der Arbeiterschaft in Staat und Gesellschaft und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein. Unter seiner Federführung wurde 1923 die Arbeitsschutzverordnung und 1926 das Arbeitsgerichtsgesetz verabschiedet. Das wohl wichtigste Gesetz seiner Amtszeit war das „Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ von 1927. 1928 musste er wegen innerparteilicher Differenzen im Zentrum sein Ministeramt abgeben. Er wurde danach stellv. Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des Reichstags, von 1930 bis 1933 war er dessen Vorsitzender. 1928 erfolgte seine Wahl zum Generaldirektor des „Volksvereins für das katholische Deutschland“. 1929 wurde Brauns erster deutscher Präsident der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf. 1931 war er Vorsitzender der sog. Brauns-Kommission zur Untersuchung der Weltwirtschaftskrise. Bei der Reichstagwahl 1933 wurde Brauns nicht mehr als Kandidat des Zentrums aufgestellt. Er zog sich darauf in sein Haus in Lindenberg/Allgäu zurück, das er sich 1932 dort hatte bauen lassen. […] war einer der Hauptangeklagten im „Volksvereinsprozess“ (1933-1935). 1935 wurde er freigesprochen. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er zurückgezogen in seinem Haus in Lindenberg. Dort ist er am 19. Oktober 1939 an den Folgen einer Blindarmentzündung gestorben. 1978 stiftete Bischof Franz Hengsbach den Heinrich-Brauns-Preis, der alle zwei Jahre an Persönlichkeiten vergeben wird, die sich in besonderer Weise um die katholische Soziallehre und die christlich-soziale Bewegung verdient gemacht haben. Nach Heinrich Brauns wurde 1977 die Verbindungstraße zwischen Fürstäbtissinnenstraße und Am Brachland benannt.[2]
Neue Deutsche Biographie
- Zunächst in der Seelsorge tätig, kam B. 1900 als Leiter der Organisationsabteilung und der volkswirtschaftlichen Kurse in die Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland in Mönchengladbach. Nebenbei studierte er Volkswirtschaft und Staatswissenschaften und promovierte 1905. Durch die in Mönchengladbach durch seine energische und anspruchsvolle Schule gehenden christlichen Gewerkschaftler, aber auch direkt, übte er einen nachhaltigen Einfluß auf die christlichen Gewerkschaften aus, für deren Interkonfessionalität er sich warm einsetzte. 1919 in die Nationalversammlung und 1920 in den Reichstag gewählt, wurde B. im Juni 1920 in der Regierung Fehrenbach Reichsarbeitsminister und behielt dieses Amt volle acht Jahre. Hier konnte er seine in der katholischen Sozialbewegung erworbenen Grundsätze, Erfahrungen und Kenntnisse in reichem Maße verwerten: Er trat für eine Politik des Ausgleichs der Klassengegensätze durch eine gleichberechtigte Zusammenarbeit der Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer|ein. Mittel dazu sollten das kollektive Arbeitsrecht und die 1918 gegründete Zentralarbeitsgemeinschaft sein. Jedenfalls hat B. auch für die deutsche Sozialpolitik eine der demokratisch-parlamentarischen Basis der Weimarer Republik entsprechende Form gefunden. Daß die Sozialpolitik schließlich scheiterte, lag an der allgemeinen staatspolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung und nicht an B., wenn auch sein Einfluß in den 13 Kabinetten, denen er angehörte, mehr nach rechts als nach links ging. Auch in der Zentrumspartei, zu deren Vorstand er gehörte, hat er seit 1920 wiederholt gegen den linken Flügel der Partei Stellung bezogen, weil er befürchtete, daß eine zu enge Verbindung mit der Linken dem Zentrum und den christlichen Gewerkschaften die Existenzmöglichkeit und -berechtigung entziehen könnte. Nach 1928 widmete sich B. der Darstellung sozialpolitischer Probleme und betätigte sich in der internationalen katholischen Arbeiterbewegung. Diese Arbeit mit ihren wiederholten Auslandsaufenthalten brachte ihn zu einer besonders scharfen Verurteilung der Ereignisse nach 1933 und erfüllte ihn mit tiefer Skepsis über das Schicksal Deutschlands.[3]
Tod
Am 19. Oktober 1939 starb Dr. Heinrich Brauns im Krankenhaus von Lindenberg an den Folgen einer Blinddarmentzündung. 1978 stiftete der Bischof von Essen den „Heinrich-Brauns-Preis“ für Verdienste um die Katholische Soziallehre und die christlich-soziale Bewegung. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben.[4]
Schriften (Auswahl)
- Unsere Aufgabe gegenüber dem Vordringen der Sozialdemokratie, Mönchengladbach 1903
- Der Übergang von der Handweberei zum Fabrikbetrieb in der Niederrheinischen Samt- und Seidenindustrie und die Lage der arbeiter in dieser Periode, Leipzig 1906
- Die christlichen Gewerkschaften, Mönchengladbach 1908
- Die Gewerkschaftsfrage, Wien 1912
- Die Achtstundenschicht im deutschen Steinkohlenbergbau. Bericht an die Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, Berlin 1919
- Lohnpolitik, 1921
- Wirtschaftskrisis und Sozialpolitik, 1924
- Überwindung des Kapitalismus durch eine einheitliche proletarische Volksbewegung?, Mönchengladbach 1929
- Zum Kampf um die Sozialpolitik, Essen 1930