Nietenhose
Nietenhosen oder auch Niethosen (bekannt auch unter der englischsprachigen Bezeichnung Jeans) sind aus Baumwollstoff gefertigte Hosen mit Verstärkung durch Niete, die äußerst robust und meist aus Denim gefertigt sind. Ihren Ursprung haben sie in den Vereinigten Staaten, wobei dem jüdischstämmigen Levi Strauss eine entscheidende unternehmerische Bedeutung zukommt.
Anfangs waren sie als robuste Arbeitskleidung für die Goldgräber in Kalifornien gedacht, haben sich inzwischen aber weltweit verbreitet und sind aus dem modischen Alltag inzwischen nicht mehr wegzudenken.
Klassische Gegenkultur und ihre rasche Verabschiedung
Jeansröcke für Frauen und Jeansjacken sind modisch eher in den Hintergrund getreten. Bemerkenswert ist ein stilgeschichtlicher Umstand: Die klassische Nietenhose (Jeanshose) in der Form, wie James Dean und Elvis Presley sie zunächst populär gemacht haben, hatte
- Doppelnähte
- messingfarbene Metallniete
- war dunkelblau
- und wurde oberhalb der Knie hauteng
- als Schlaghose getragen.
Genau diese klassische Ausprägung des Nietenhose hat die modische Obsoleszenz seit langem jedoch schon verdrängt. Ein nun in vielfacher Weise veränderter Schnitt (als Karottenhose etwa oder als herabhängende „Gangsta“-Sackhose), einfache Nähte (Bürohosen vergleichbar) und vor allem die völlige Dominanz weißblauer („stonewashed“) und hellblauer Farbnuancen, die das dunkelblau so gut wie vollständig abgelöst haben, bestimmen die Jeans als modische Normhose jetzt schon seit einigen Jahrzehnten.
Safari-Stil, Armuts-Stil und genormte Lässigkeit
Neu hinzugetreten sind ferner die von Designern entworfenen Beschädigungen mittels Nagelbrettern, asymmetrische Einschnitte und das aufwendige Fadenscheinigmachen der fabrikneuen Hosen. Dazu werden die bereits komplett gefertigten Hosen aus einem Land der Dritten Welt in ein anderes Land der Dritten Welt transportiert, von Arbeitern und Arbeiterinnen in Akkordform berieben, befleckt, angeschnitten oder durchlöchert, damit sie auf dem Konkurrenzmarkt westlicher Fußgängerzonen gegenüber anderern auf andere Weise beschädigten oder beschmierten Designerhosen aus Jeansstoff einen Wiedererkennungswert besitzen und werbemäßig gezielt angepriesen werden können.
Design-Diskurse als Motor einer Vergeudungs-Ökonomie
Wenn man ferner berücksichtigt, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Dritten Welt oftmals Schwierigkeiten haben, ihre Kinder zu ernähren oder an sauberes Trinkwasser zu gelangen (und andererseits modisch angerissene, verfärbte oder perforierte Desingerhosen sowohl von Berufssportlern im Western getragen werden, aber eben hier auch von Fürsorgeempfängern und Langzeitarbeitslosen), dann wird deutlich, daß mittlerweile ein System der Statuskennzeichen, der umgewendeten, der ironisierten, der doppelt ironisierten und nochmals nachgeäfften Statuskennzeichen auf bizarre Weise in einen Rundlauf geraten ist.
Ob, in einem vorliegenden Beispiel, nun der Wohlhabende sich bei Habenichtsen anbiedern möchte, oder ob der Marxist sich bei Handarbeitern einschmeicheln will, ob der Verarmte an Verschwendungsgesten teilhaben möchte, um Luxus vorzutäuschen, oder der tatsächlich Wohlhabende echte Lässigkeit demonstriert (oder ob er im Gegenteil sklavisch den Modevorgaben Anderer nur hinterherstrampelt) — all diese Ironiezirkel und Umkehrungsmanöver, die vielen Überbietungs- und Unterbietungsversuche, sind für keinen unbefangenen Beobachter dieses Marktgeschehens noch zu durchschauen. So daß, in der Summe, der Obsoleszens-Mechanismus (die geplante Veralterung neuer Produkte) — und eben nicht eine persönliche, „individuelle“ Stilentscheidung — all die millionen Kaufentscheidungen vollständig bestimmt.