24. Klavierkonzert (Mozart)
Das Klavierkonzert Nr. 24 (KV 491) in c-Moll des deutschen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart wurde in der ersten Februarhälfte 1786 vollendet und vermutlich am 7. April selbigen Jahres uraufgeführt. Es nimmt sowohl innerhalb seines Instrumentalschaffens wie seiner Klavierkonzerte auch qualitativ eine Sonderstellung ein.[1][2] Es wird häufig als eines von Mozarts ernsthaftesten und bedeutendsten, [3] abgründigsten [4] und individuellsten [5] Werken eingestuft.
Inhaltsverzeichnis
Musikalische Merkmale
- Wie andere Werke aus Mozarts Spätzeit weist das Werk verstärkt eine gemeinsam mit Joseph Haydn entwickelte und von Ludwig van Beethoven später fortgeführte motivische Arbeit und zudem sehr sorgfältig ausgearbeitete Mittelstimmen, eine Betonung der Fortspinnungstechnik zu ungunsten der Periodenbildung und einen auf J.S.Bach zurückgreifenden dichten polyphonen Satz auf.[6]
- Der Holzbläsersatz ist differenzierter und solistischer als in früheren Werken gehalten. Die Holzbläser werden fast zu einer dritten, neben Klavier und Orchester stehenden Gruppe.[7][8][9]
- Durch die auch satzübergreifende konsequent angewandte Weiterverarbeitung und Wiederkehr von in der Exposition aufgestellten motivischen Elementen, Intervallen und rhythmischen Modellen erreicht Mozart eine gegenüber früheren Werken verstärkte Einheitlichkeit und Geschlossenheitheit des Konzertes.[6]
- Mozart nimmt sich trotz genereller Befolgung gültiger Formschemata speziell im ersten Satz vermehrt die Freiheit, diese Schemata und Regeln auch in Frage zu stellen bzw. zu missachten.[10] So halten sich bsp. die Themenfolgen in der Reprise des ersten Satzes nicht an hergebrachte Konventionen. Auch der zweite Satz weicht von Standardmodellen ab, indem er das in Moll gehaltene Thema der Exposition in der Reprise in die Mollgrundtonart transponiert.[11] Der dritte Satz weicht mit seiner Variationenfolge vom sonst üblichen Rondo in den Schlussätzen Mozarts ab.[12]
- Der dramatische Gegensatz und Dialog zwischen Solosinstrument und Orchester tritt erst im c-Moll und d-Moll-Klavierkonzert durch die Einführung neuer und kontrastierender Themen und Gestaltungsweisen für beide Gruppen verstärkt hervor.[13]
- Es ist – im Verhältnis zu seinen insgesamt rund 600 Werken – eine der wenigen (39) Kompositionen Mozarts in Moll. Von den Werken in Moll steht ca. ein Drittel in c-Moll. Dabei fällt auf, dass alle Werke in c-Moll in der für Mozart durch Enttäuschungen geprägten Zeit nach 1782 entstanden.[14][15]
- Mit anderen späten, vermehrt in Moll gehaltenen Werken wie der g-Moll-Symphonie, dem d-moll Klavierkonzert, oder dem Requiem teilt es den speziell durch verstärkten Einsatz von Chromatik geprägten Charakter von abgründiger Tiefe, Leid, Tragik,[16][17][18] Schwermut und Subjetivität. [19]
- Die instrumentale Besetzung ist eine der größten in Mozarts Schaffen. Nur wenige Werke wie die Haffner- oder Pariser Symphonie weisen eine gleich große Besetzung auf. Innerhalb von Mozarts Klavierkonzerten ist es das bestzungsmäßig reichhaltigste,[20] und einzige welches sowohl Klarinetten und Oboen fordert.[21]
Besetzung
In Mozarts Partitur sind vorgeschrieben: Streicher (1. und 2. Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass), eine Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten in B, 2 Fagotte, 2 Hörner in Es, 2 Trompeten in C, und Pauken in C und G. Im Mittelsatz fehlen die Trompeten und Pauken. Angesichts der umfangreichen Holz- und Blechbläsergruppe sollte auch die Streichergruppe zahlreicher besetzt werden als in anderen Konzerten Mozarts.[22]
Erster Satz
Der erste Satz hat eine formale Anlage, welche als Konzertform der Wiener Klassik bezeichnet werden kann. Die Verwendung des Teminus Sonatenform dagegen ist für Konzertsätze der Klassik unzutreffend. Man kann auch die Terminologie des barocken Konzertes, also z.B. erstes Orchester-Ritornell und erste Episode, verwenden, da Mozart selber die theoretischen Bezeichnungen wie Exposition und Durchführung unbekannt waren.[23] [24] Mit 508 Takten übertrifft der erste Satz deutlich den Durchschnittswert von 344 Takten der insgesamt 24 Klavierkonzerte Mozarts.[25] Zusammen mit dem 11. und 14. Klavierkonzert ist es eines von nur drei Klavierkonzerten Mozarts bei denen der erste Satz im 3/4-Takt steht. Er weist die außerordentlich große Anzahl von fünf Themen auf, und hat eine fünf- [26] bzw. sechsteilige [24] Struktur:
- eine dreigeteilte Orchesterexposition (T. 1-99)
- die Soloexposition des Klaviers (T. 100-264)
- ein anschließendes Orchestertutti (T. 265-282)
- die Durchführung (T. 283-361)
- die Reprise und Kadenz (T. 362-508)
- eine abschließende Coda (T. 509-521)
Orchesterexposition
Die Orchesterexposition beginnt mit dem 12 Takte umfassenden Hauptthema, welches von Streichern und Fagotten unisono im piano vorgetragen wird, und sogleich eine unheimlich bzw. düstere Atmosphäre erzeugt. Ab Takt 8 tritt die 1. Oboe mit einer chromatisch fallenden Stimme und Harmonietönen der 2. Oboe dazu. Die abfallende 1. Oboe bildet dabei ab Takt 10 eine Gegenstimme zum chromatisch ansteigenden Streichkörper. Ab Takt 11 dominieren die Holzbläser durch das Hinzutreten der Klarinetten gegenüber den sich ab Takt 10 in der Bassregion bewegenden Streichern. Das Hauptthema ist nicht liedartig mit Vorder-, Nachsatz und Halbschluß periodosiert, sondern bildet eine 12-taktige zäsurlose Einheit. Rhythmisch und thematisch betrachtet besteht es aus vier Modellen, die im weiteren Verlauf des Satzes wiederholt auftauchen bzw. variiert werden:
- Dem viertaktigen Kopfmotiv aus punktierten Halben, Halben, und Vierteln.
- Dem seqenzartig fortgeführten Modell aus einer punktierten Achtel-Pause, einer Sechzehntel, und fünf Vierteln.
- Einem daraus abgespaltenen Teilmotiv aus einer punktierten Achtelpause, einem Sechzehntel, und zwei Vierteln.
- Einem in Vierteln chromatisch aufsteigenden Bass in Takt 10 bis 12.
In melodisch-harmonischer Sicht fallen zwei Punkte besonders auf:
- Das chromatische Umkreisen und Umspielen des Dominanttones G, sowie die chromatisch abwärts gerichteten Figuren z.B. in Takt 2, 3, 4, 6. Dies trägt wesentlich zum tragischen-resignativen und pathetischen Charakter bei. Die Musikwissenschaft verweist in Bezug auf die chromatische Umspielung des Dominanttones auf ein ähnliches Vorgehen Mozarts in Fantasie für Klavier c-Moll (KV 475). [27] [28]
- Der markante verminderte Septsprung in Takt 4, 6, 8 und 10 (dort enharmonisch in einen Sextsprung umgedeutet), welcher in Folge zum beherrschenden oft wiederholten Kern des ganzen Satzes wird.
Ab Takt 13 folgt dann eine nicht wörtliche und etwas längere, ausharmonisierte Fassung des Haupthemas im forte. Hervorstechend ist hier der chromatisch in Achteln abwärts steigende Bass im Fagott und den tiefen Streichern. Schon in der Musik der Renaissance waren chromatisch abwärtsschreitende Bassläufe ein Symbol für den Ausdruck größten Schmerzes. [29] [30] Ab Takt 28 erscheint ein neues Motiv in der Oberstimme, welches in Takt 34 auf der Dominante G-Dur endet. Dies Motiv in der Oberstimme ist eine Variante zu dem im Bass in Umkehrung auftauchenden variierten zweiten Motiv des Hauptthemas (T. 4 ff.). Die Violinen begleiten es mit einer pendelnden Sechzehntelbewegung in größer werdenden Intervallen von kleinen Sekunden bis zu Quinten. Der Satz weist also bis zu dieser Stelle eine Beschleunigung des Bewegungsablaufs über eine sukzessive Verkleinerung der verwandten Notenwerte von punktierten Halben, über Viertel (T. 1-12), Achtel (T. 13-27), und Sechzehnteln (T. 28-34) auf.
Mit Takt 34 beginnt ein neuntaktiger vierstimmiger intimer und hellerer Holzbläsersatz welcher das rhythmische Modell 2, den aus Modell 2 ausgeschnittenen Teil der drei abwärts laufenden Viertel, und den charakteristischen Septsprung (hier allerdings als Oktavsprung) kombiniert. Er leitet zu einem neuen, voller instrumentierten Seitenthema über. Dieses ist dreiteilig (2 x 2, 4 x 4, und anschließend 7 Takte) und regelmäßiger periodisiert als die vorhergehenden Abschnitte. Mit seiner klaren, diatonischen Skalenbildung kontrastiert es melodisch zum chromatisch geprägten Hauptthema. Auch rhythmisch hebt es sich durch die meist konstante Achtelbewegung deutlich vom Hauptthema mit seinen gemischten Notenwerten (punktierte und unpunktierte Halbe, Viertel, Achtel) ab.
Zweiter Satz
Dritter Satz
Allegretto, (Coda im 6/8-Takt), c-Moll