Abbé

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Abbé (frz., aus dem lat. abbas, „Abt“) ist im französischen Sprachgebiet die Bezeichnung für einen Geistlichen ohne ein bestimmtes Amt, ursprünglich mit Abt gleichbedeutend.

Seitdem infolge einer Vereinbarung zwischen Papst Leo X. und Franz I. im Jahre 1516 den Königen von Frankreich das Recht zustand, für 225 Abteien Abbés commendataires, d. h. Äbte, denen die Einkünfte, aber nicht die Verrichtungen der betreffenden Ämter übertragen werden (siehe Kommende), zu ernennen, widmeten sich viele junge Männer, zum Teil jüngere Söhne aus Adelsgeschlechtern, dem geistlichen Stand, um solche einträgliche, arbeitslose Stellen zu erlangen.

Man nannte nun auch diese amtlosen Geistlichen Abbés, und schon im 16. Jahrhundert wurde der Titel für alle jungen Geistlichen gebräuchlich, gleichviel ob sie die Weihen schon erhalten hatten oder nicht. Da von ihnen nur wenige wirklich eine Abtei erlangen konnten, suchten viele ihren Unterhalt als Schriftsteller, Lehrer an höheren Schulen, und namentlich als Hauslehrer und „Gewissensräte“ in vornehmen Familien. Wegen ihrer oft bedenklichen Wirksamkeit in solchen Vertrauensstellungen spielen die Abbés im älteren französischen Lustspiel eine nicht sehr erbauliche Rolle. Ihre Tracht bestand in einem kurzen schwarzen oder dunkelvioletten Gewand mit kleinem Kragen, das Haar war in eine runde Locke geformt. Im Zuge der Französischen Revolution verschwanden die Abbés aus der Gesellschaft. Danach war der Titel noch als höfliche Anrede an junge Geistliche in Gebrauch.

Weiterhin ist Abbé auch das französische Wort für Abt, bezeichnet also den Vorsteher eines selbstständigen Klosters im Rang einer Abtei. Allerdings werden französische Äbte heute in der Regel nicht mit Abbé angesprochen.

Italien

Ein Abate oder Abbate entspricht weitgehend dem französischen Abbé, und ist in Italien die Bezeichnung eines jungen Geistlichen, der durch die Tonsur Mitglied des weltgeistlichen Standes geworden ist, wenn er auch geistliche Weihen noch nicht empfangen hat.

Sonstiges

Unter dem Pseudonym Abbé trois étoiles erschienen in Frankreich ab 1863 die viel gelesenen antiklerikalen Romane „Le Maudit“, „La Religieuse“, „Le Moine“, „Le Jésuite“ und weitere. Sie wurden von den einen dem Berichterstatter des „Temps“ in Italien, Erdan (Pseudonym für André Jacob), von anderen dem Abbé Louis Michon, dem Erfinder der Graphologie, wieder von anderen einem Abbe Deléon, den Schriftstellern Louis Ulbach und Joseph Fabre zugeschrieben. Im „Intermédiaire des Chercheurs et des Curieux“ vom 29. September 1883 erklärt G. Isambert, Erdan sei der Verfasser nicht, und Louis Ulbach behauptete in der „Revue politique et littéraire“ vom 28. Mai 1881 auf das Bestimmteste, Abbé L. Michon habe sie geschrieben. Nach Barbier-Guérard ist es Abbé Jean Hippolyte Michon.