Laemmle, Carl

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Carl Laemmle

Carl Laemmle, eigentlich Karl Lämmle (Lebensrune.png 17. Januar 1867 in Laupheim; Todesrune.png 24. September 1939 in Beverly Hills), gehörte zu den einflußreichsten Gestalten der VS-amerikanischen Filmgeschichte. Als Gründer und Vorsitzender der Universal Studios gehörte er zu den mächtigsten Studiobossen seiner Zeit und gilt als Gründer Hollywoods.

Werdegang

Laemmle wurde im Januar 1867 im oberschwäbisch-württembergischen Laupheim, dem damaligen Königreich Württemberg zugehörig, als Sohn eines jüdischen Viehhändlers in der Radstraße, außerhalb des damaligen jüdischen Wohngebietes in Laupheim, als zehntes von 13 Kindern geboren. In Laupheim war das Judentum dem Christentum weitgehend gleichstellt, so gab es in der Stadt eine der größten jüdischen Gemeinden Württembergs, die Familie Laemmle war Mitglied der Gemeinschaft. Er absolvierte eine Lehre als Kaufmann und wanderte am 28. Januar 1884 im Alter von 17 Jahren in die VSA aus,[1] wo er 1910 seine erste Filmfirma, die Independent Motion Picture Company (I.M.P.) gründete. Carl folgte damit seinem Bruder Joseph, der schon 1880 in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert war. Dessen Nachrichten aus der „Goldenen Medine“, die Berichte über die Möglichkeiten für Kaufleute, begeistern ihn ebenso wie die Mythen der aus Amerika herüberschwappenden „Unterhaltungsbilder“ jener Zeit.

Zu seinem 17. Geburtstag bekam Laemmle von seinem Vater von geborgtem Geld eine Schiffspassage geschenkt. Im Januar 1883 schiffte er sich mit einem Schulfreund auf der „Neckar“ für 13 Tage zur Überfahrt nach Neu York ein. Dort angekommen, wurde Carl Laufbursche für eine Drogerie und dieser Arbeit schnell überdrüssig. So schrieb er an die deutschsprachige „New Yorker Staatszeitung“, er wisse, daß sein Bruder Joseph irgendwo in Chikago lebt, eine genaue Adresse habe er nicht. So bat er die Redaktion, seinen Brief an Chikagoer Zeitungen weiterzuleiten – und bekam Post vom Bürovorsteher der „Illinois Staats-Zeitung“: niemand anderem als seinem Bruder Joseph, der ihn sofort nach Chicago holte. Doch auch hier hieß es zunächst, sich wieder als Laufbursche sein Geld zu verdienen. Später wurde er Büroangestellter, Buchhalter, in schlechten Zeiten auch Farmarbeiter und Zeitungsausträger. Schließlich avanciert er nach fast zwölfjähriger Tätigkeit bei „Continental Clothing“ zum Geschäftsführer der Textilfabrik.

1909 gründete Carl Laemmle eine eigene Film- Produktionsgesellschaft, die ab 1912 „Universal Pictures" hieß und der er bis 1936, als er von seinen Geldgebern der Finanzwelt geschaßt wurde, präsidierte.

Mehr oder weniger zufällig soll Carl 1906 in ein „Nickelodeon“ geraten sein, eines jener nach dem VS-amerikanischen 5-Cent-Stück, dem „Nickel“, benannten „Theater für bewegte Bilder“, die überall aus dem Boden schossen. „Drei Wochen, nachdem ich diese komischen Bilder gesehen habe, hatte ich mein eigenes Theater in der Milwaukee Avenue“, erinnerte sich Laemmle später. Sein „White Front Theatre“ mit 214 Plätzen zeigte jeweils ein zwanzigminütiges Programm aus fünf Kurzfilmen. Begeistert vom Erfolg seiner Idee begann Carls kometenhafter Aufstieg: Schon zwei Jahre später besaß er die Hälfte aller Kinos in Chicago. Mehr oder weniger zufällig konnte er einen alten Pathé-Film verleihen: Die Prohibition, das amerikanische Alkoholverbot, ließ viele Saloon-Besitzer ihre Etablissements in Kinos umwandeln, es kam zu Engpässen im Filmverleih. Wieder hatte Laemmle die richtige Intuition, baute sein Verleihgeschäft aus. 1909 war er der größte Filmverleiher mit Filialen in sechs Großstädten des amerikanischen Mittelwestens und in Kanada. In diesem Jahr drehte er in New Jersey seinen ersten eigenen Spielfilm, der, wie könnte es anders sein, von der Indianerlegende Häuptling Hiawatha handelt. Carl war begeistert vom Filmemachen. Als er seinen Firmensitz nach New York verlegte, wo sich seinerzeit die Filmindustrie konzentrierte, gründet er zusammen mit anderen Filmemachern die „Independent Moving Picture Company“ und lief Sturm gegen einen marktbeherrschenden Firmenverbund, der sich um Eastman-Kodak und Edison scharte. Laemmle, inzwischen auch Mitbegründer der bis heute klangvollen Universal Studios, führte 289 Prozesse um Patente und Rechte, in die sich schließlich sogar der Präsident und der Kongreß einmischten. Im Ergebnis dieses fünfjährigen Kampfes gründete Laemmle 1912 die „Universal City“, eine 1915 eröffnete Studiostadt in der Nähe von Los Angeles, seinerzeit schon größer als seine Heimatstadt Laupheim und wurde damit zum „Vater Hollywoods“. Heute fast unvorstellbar: Der Grundstein der Traumfabrik Hollywood wurde nicht etwa wegen der sonnigen Strände in Kalifornien gelegt, sondern als Fluchtbewegung vor einem Kartell in jener Stadt, in die Carl fast zwanzig Jahre zuvor eingewandert war.

Carl Laemmle mit kleinwüchsigen Darstellern 1929

Laemmle drehte Gruselfilme nach europäischen Vorlagen. „Das Phantom der Oper“, „Dracula“, „Die Mumie“ oder „Frankenstein“ und „Der Glöckner von Notre Dame“ wurden zu Kassenschlagern, vor allem im Europageschäft. Mit dem extrem werbewirksamen und bewußten Aufbau von Filmstars schrieb er amerikanische Kulturgeschichte, die bis heute zu Kultgeschichten um die ganz Großen der Leinwand wurde. Zu Beginn der 1930er Jahre produzierte Carl Laemmle etwa 200 Filme, sein Sohn Carl Laemmle jr. hat inzwischen die Geschäftsführung der Universal-Studios übernommen, die in dieser Zeit ihren Höhepunkt erlebten. Zudem pflegte er das Genre des Western, das etwa ein Drittel seiner Produktionen ausmachte.

Dennoch geriet das Unternehmen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Seine Filme trafen immer weniger den jazz- und swinggeprägten Geschmack des Publikums, verpaßten den Anschluß an das Tonfilm-Zeitalter. Im Ergebnis enormer Verluste während der Weltwirtschaftskrise wurde 1934 die Verleih-Sparte geschlossen. Laemmles Gutherzigkeit, viele seiner Familienmitglieder und Freunde in der Firma mitzuernähren, wie überhaupt die von Laemmle senior betriebene Vetternwirtschaft in Hollywood legendär wurde, tat ein übriges: Neffe Edward war Regisseur, Nichte Clara Tänzerin, der berühmteste unten ihnen, der (ebenfalls jüdische) Filmregisseur William Wyler, ein entfernter Großcousin. 1936 mußte Laemmle Universal verkaufen. Nicht unwesentlich wird bei diesem persönlichen Niedergang seine mentale Situation gewesen sein. 1930 war der als „Bester Film“ Oscar-prämierte Spielfilm „Im Westen nichts Neues“ in der Regie von Lewis Milestone nach dem gleichnamigen Antikriegsroman von Erich Maria Remarque gedreht worden, die Laemmle in deutliche Konfrontation mit den Anhängern des Nationalsozialismus brachte. Die Berliner Uraufführung im Dezember desselben Jahres wurde von Nationalsozialisten massiv gestört. Die Film-Oberprüfstelle verbot den Streifen neun Monate lang, da er angeblich „das Ansehen des Kriegsteilnehmers auf das empfindlichste verletzt“.

Die öffentliche Meinung sprach sich gegen eine jüdische Zuwanderung aus: Eine Umfrage des „American Jewish Committee“ ergab 1938, daß 82 Prozent der Amerikaner gegen eine Erhöhung des Kontingents jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland waren.

Kein Konkurrent in dem sich sonst selbst zerfleischenden Hollywood hat jemals geringschätzig über den nur 1,57 kleinen großen Mann der Filmgeschichte geurteilt. Vielleicht auch aus Scham: Die jüdische Oberschicht in Hollywood fühlte sich mehr amerikanisch als jüdisch, in ihrem exklusiven „Concordia Club“ wurde als Höhepunkt des Jahres Weihnachten gefeiert. Laemmle hingegen war Mitglied der B’nai B’rith, der ältesten jüdischen Bruderschaft und Abonnent der Jewish Telegraph Agency.[2]

Carl Laemmle senior starb 1939 in Hollywood.[1]

Literatur

  • Neal Gabler: Ein eigenes Reich. Wie jüdische Emigranten „Hollywood“ erfanden [Amerikanische Originalausgabe: An Empire of Their Own – How the Jews Invented Hollywood, 1988], Berlin Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-8270-0353-9 [Ein Pflichtexemplar dieses Buches befindet sich in der Bibliothek jedes echten Judenkenners]

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 David Korn: Wer ist wer im Judentum?, FZ-Verlag, ISBN 3-924309-63-9
  2. „I am doing what my heart dictates…“, Jüdische Zeitung, Juni 2007