Wagner, Cosima
Cosima Wagner ( 24. Dezember 1837 in Bellagio am Comersee; 1. April 1930 in Bayreuth; geb. Cosima de Flavigny) war eine Tochter des Komponisten Franz Liszt und zweite Ehefrau Richard Wagners. Nach dessen Tod war sie bis 1906 Leiterin der Bayreuther Festspiele.
Leben
Eine Verbindung von Franz Liszt und der Gräfin d’Agoult entsproß Cosima, am Comersee kam sie am ersten Weihnachtstag zur Welt. Ihre Mutter verließ Franz Liszt zuliebe ihren Gatten und ihre Kinder. Das große Genie zog sie in ihren Bann, gab jeden Lebensinhalt und Erfüllung, wenn auch die Bindung nicht von Dauer sein konnte. Der aus dieser Liebe entsprossenen Kinder nahm sich zuerst die Großmutter Liszt an, später kam die kleine Cosima mit der ein Jahr älteren Schwester Blandine und dem Bruder Daniel nach Berlin in das Haus der Frau von Bülow, dessen Sohn ein Lieblingsschüler Liszts war, um hier erzogen zu werden.
Als Tochter Liszt war Cosima – wie könnte es anders sein – musikalisch hochbegabt; die bedeutendsten Musiker lernte sie schon in ihrer Jugend kennen. Ihren Klavierunterricht genoß sie bei Hans von Bülow, dem Liszt seine Kinder mit den Worten „Macht sie zum Propagandisten der Zukunftsmusik“ anvertraute. Um Wagner tobte damals der große Streit in der Musikwelt. Hans von Bülow setze sich leidenschaftlich für ihn ein; aber die Tannhäuser-Ouvertüre, unter seiner Leitung in Berlin aufgeführt, wurde ein Riesenskandal. Cosima tröstete ihren Lehrer – auch sie war schon zu einer begeisterten Anhängerin Wagners, den sie in Paris kurz kennengelernt hatte, geworden. An dem Tag dieser Niederlage verlobte sich Cosima mit Hans von Bülow. Nach der Hochzeit in der Berliner Hedwigskirche reiste das Paar nach dem Süden und kam nach Zürich zu Richard Wagner, der während ihres Aufenthalts „Tristian und Isolde“ vollendete. In dieser Zeit lernte die 1,81 m große Cosima den 1,66 m großen Wagner näher kennen; noch mehrere Male führte sie ihr Weg zusammen. 1863 trafen sie sich wieder in Berlin, und jetzt erkannte Cosima die schöpferische, einmalige Größe und verfiel ihm; aber noch war sie mit dem Mann verheiratet, der für Wagner ein Wegbereiter, ein guter Freund war.
Cosima kämpfte mit ihrem Pflichtgefühl, mit der Liebe zu ihren beiden Töchtern – und als Wagner von dem Bayernkönig Ludwig II. nach München berufen wurde und das Ehepaar Bülow dorthin kam, da mußte sie sich endgültig entscheiden, und ihr Entschluß war der gleiche, den einst ihre Mutter getroffen hatte, als sie mit dem Genie in Berührung kam. Ihr Schicksal war Richard Wagner, sein Kampf war auch ihr Kampf, an seiner Seite stand sie in München helfend und tröstend. Angefeindet von den Hofkreisen mußte er Bayern verlassen und übersiedelte wieder in die Schweiz.
Im Jahre 1866 starb die erste Frau Richard Wagners, Minna, in Dresden, von der er schon lange getrennt lebte. Jetzt wollte auch Cosima frei sein von den Fesseln, die sie an Hans von Bülow ketteten; nach langen Kämpfen erreichte sie die Scheidung.
„Mit ihr kann ich erreichen, was ich ohne sie nicht erreichen kann“, sagte Wagner über diese Frau, die ihm endlich im August 1870 in Luzern angetraut wurde. Sie war 32 Jahre, er 57 Jahre alt. Eine glückliche Schaffenszeit ging für den großen Komponisten sein größtes und umfangreiches Werk, „Der Ring des Nibelungen“, seiner Vollendung entgegen. Ein Sohn, Siegfried, wurde geboren, im Siegfried-Motiv huldigte er dem Nachkommen. Mit dem Fortschreiten des riesigen Werkes reifte auch der Gedanke eines besonderen Festspielhauses. Cosima, deren Bezeichnungen in die höchsten Kreise reichten, setzte all ihre Kraft in die Verwirklichung dieser Idee. Ludwig II. stiftete 25 000 Gulden, in ganz Deutschland wurden Wagner-Vereine gegründet. Wagner wurde in dem geeinten Deutschland zum populärsten und meistgefeierten Komponisten. Mit Cosima Wagner als Frau fand er endlich die verdiente Anerkennung.
Im Sommer 1876 hob Wagner zum ersten Mal den Taktstock im Bayreuther Festspielhaus – eine strahlende Frau durfte diesen Triumph miterleben. Bayreuth wurde zum musikalischen Mittelpunkt, die Herrscher und Fürsten trafen sich mit den Größen der Geisteswelt. In der Villa Wahnfried verlebte Cosima Wagner die glücklichsten Jahre ihres Lebens.
Als der 70jährige Wagner in Venedig plötzlich starb, saß Cosima 24 Stunden an seiner Bahre, unbeweglich, sprach kein Wort, hörte auf niemanden; sie nahm Abschied. Ihre Haare, die er so geliebt hatte, schnitt sie sich ab und legte sie dem Toten auf die Brust. Aber sie durfte sich nicht in Trauer erschöpfen, sie hatte ein großes Erbe zu verwalten. Wenn der Meister auch nicht mehr lebte, so mußte doch sein Werk weiterleben. Mit aller Energie setzt sie sich für die Aufführungen in Bayreuth ein, bis ihr Sohn Siegfried herangewachsen war und sie ihm das Erbe seines großen Vaters übertragen werden konnte. Aber deshalb war ihr Wirken nicht erschöpft; die alte weißhaarige Frau mit der großen schlanken Nase in den kleinen Gesicht, die zart und gebrechlich in ihrem Sessel saß, die in den letzten Lebensjahren fast das Augenlicht verlor, sie trug unermüdlich für die Echtheit der Aufführungen im Sinne Wagners Sorge. Sie förderte den Geist von Bayreuth, der in Deutschland immer lebendig sein wird.
Literatur
- Max von Milinkovic-Marold: Cosima Wagner - Ein Lebensbild, Reclam-Verlag jun., Leipzig 1937