Erste Marokkokrise
Die erste Marokkokrise im Jahre 1904 entstand, als die Mächte der Konferenz von Madrid vom 3. Juli 1880 unterschiedliche Interessen politischer und wirtschaftlicher Art durchzusetzen versuchten. Das Abkommen von Madrid sollte eine sogenannte „Poltitk der offenen Türe" ermöglichen, d.h. die Handelsinteressen der Signatarmächte sicherstellen. Um 1900 war ein zunehmender Verlust der Souveränität Marokkos zu verzeichnen, welcher durch die etablierte Konsulargerichtsbarkeit und Vetragshäfen entstand. Der französische Außenminister Théophile Delcassé strebte eine Annäherung an Großbritannien an und die Verbreiterung des Einflußgebiets Frankreichs im norden Afrikas. Kaiser Wilhelm II. wurde von Reichskanzler Bernhard von Bülow dazu überredet, der den Abschluß des Sudanvertrags zwischen Großbritannien und Frankreich als Gefahr ansah, die Stadt Tanger während seiner Mittelmeerreise zu besuchen und eine „friedliche Konkurrenz aller Mächte“ auf dem afrikanischen Kontinent anzumahnen. Durch diesen Besuch fühlten sich die anderen Signatarmächte provoziert. Der deutsche Diplomat Johann Heinrich Graf von Bernstorff war maßgeblich an der Entschärfung der Krise bei der Konferenz von Algeciras beteiligt.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Bereits seit dem Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts bestanden Interessen Frankreichs seinen Einfluß in Afrika weiter auszubauen. Langfristig sollte der gesamte Maghreb unter französische Hand gebracht werden, das sich in immer wiederkehrenden Annexionsversuchen seitens Frankreich an Teilen Marokkos äußerte.
Mithilfe der geographischen Nähe Algeriens sollte sich Frankreich den eher schwachen Sultans Abd el-Aziz zunutze machen. Neben Frankreich verfolgte auch Spanien koloniale Interessen an Marokko. Paris, repräsentiert durch Théopile Delcassé schloß ein politisches und koloniales Interesse des Deutschen Reiches aus. Das fehlende Bestehen eines kolonialen Interesses des Deutschen Reiches versicherte im Jahre 1904 Kaiser Wilhelm II. dem spanischen König Alfons XIII.; Wilhelm II. betonte, daß ihm nur die Sicherstellung der Handelsfreiheit wichtig wäre.
Kaiser Wilhelm II. hoffte durch den im Frühjahr 1904 ausgebrochenen japanisch-russischen Kriege, eine Annäherung an Rußland zu erreichen. Der am 30. Januar 1902 in London unterzeichnete Bündnisvertrag zwischen Japan und Großbritannien machte neben den von London befürchteten Interessen Rußlands in Ostasien, ein Bündnis zwischen London und St.Petersburg unwahrscheinlich. Dadurch sollte ein Defensiv-Bündnis zwischen Rußland und dem Deutschen Reich herbeigeführt werden, um schlußendlich Frankreich durch seine bereits am 4. Januar 1904 ratifizierte Militärkonvention zwischen St-Petersburg-Paris, in ein Friedensbündnis der europäischen Mächte einzubinden.
Die Krise
Im Jahre 1904 sahen die Bedingungen für einen Krieg für Frankreich ungünstig aus. Der russisch-japanische Krieg könnte Frankreich in einen Konflikt mit Großbritannien führen, da London einen Büdnisvetrag mit Japan geschlossen hatte. Gleichermaßen hatte sich Frankreich bereits am 8. April 1904 durch die Entente Cordiale an Großbritannien angenähert. Eine Allianz mit dem Deutschen Reich und Rußland wäre für Paris nicht in Frage gekommen, da man sonst auf die Eroberungspläne Elsaß-Lothringens hätte verzichten müssen. Durch die Vermittlung Théopile Delcassé' zwischen London-St.Petersburg konnte das angenäherte Verhältnis Frankreichs an Großbritannien aufrecht erhalten werden. Nun folgte auf das Drängen Reichskanzlers von Bülow ein Besuch Kaiser Wilhelm II. der Hafenstadt Tanger am 31. März 1905, während seiner gewohnten Mittelmeerreise. Zwei Wochen zuvor, am 15. März 1905, verlautbarte Reichskanzler von Bülow, daß das Deusche Reich seine wirtschaftlichen Interessen in Marokko verteidigen werde. Ein fehlendes Interesse von Wilhelm II. geht aus folgendenen Sätzen an den Reichskanzler hervor:
- „Vergessen Sie nicht, daß Sie mich persönlich gegen meinen Willen in Tanger eingesetzt haben, um einen Erfolg in Ihrer Marokkopoltik zu haben [...] Ich bin Ihnen zuliebe. weil es das Vaterland erheischte, gelandet, auf ein fremdes Pferd trotz meiner durch den verkrüppelten linken Arm behinderten Reitfähigkeit gestiegen, und das Pferd hätte mich um ein Haar ums Leben gebracht, was Ihr Einsatz war! Ich ritt mitten zwischen den spanischen Anarchisten durch, weil Sie es so wollten und Ihre Politik davon profitieren sollte!"[1]
Während seines Besuchs betonte der Kaiser vor diplomatischen Vertretern Frankreichs dies ebenfalls. Nach seiner Reise schlug nun Reichskanzler von Bülow vor, eine ähnliche Konferenz wie die des Jahres 1880 einzuberufen, um zu einer Einigung unter den Signatarmächten zu kommen. Ende des Jahres 1904 wurde bereits ein Reformprogramm, dem mehrere Drohungen Paris' zuvorgingen, vom Sultan Abd el-Aziz abgelehnt, da es einer Umwanldung Marokkos in ein französisches Protektorat gleichkommen würde. Folglich hoffte Delcassé auf ein Scheitern der vorgeschlagenen Konferenz, da das Ergebnis einer Konferenz nicht die Vorteile wie die des Reformprogramms erzielen würde. Zudem sah Delcassé die Ablehnung seiner Interessen als Demütigung seiner Person an, sodaß aus seiner Sicht eine Konferenz verhindert werden müsse. Der Premierminister Frankreichs Maurice Rouvier befürchtete, daß Delcassé Frankreich nahezu in einen Krieg führen würde. Aus diesem Grunde kam es am 6. Juni 1905 vor einer Wahl des französischen Kabinetts zwischen Rouvier und Delcassé, die mit der Entscheidung aller Minister für Rouvier endete. Folglich mußte Théophile Delcassé am selben Tage zurücktreten.
Im Jahre 1911 kam es zur Zweiten Marokkokrise, als der deutsche Kaiser Frankreich und England, die Afrika mittlerweile weitgehend unter sich aufgeteilt hatten, an ihre Zusagen erinnerte.
Verweise
Literatur
- Walter Post: 1914- Der unnötige Krieg, Druffel & Vowinckel, 2. Auflage 2015, ISBN: 978-3-8061-1240-5
Fußnoten
- ↑ Walter Post: 1914- Der unnötige Krieg, Druffel & Vowinckel, S.47