Gesellschaft für deutsche Literatur

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Prof. Dr. Erich Schmidt war von 1888 bis zu seinem Tode 1913 Erster vorsitzender der Gesellschaft, aus: „Zur Erinnerung an Erich Schmidt. Gedenkworte von Ludwig Bellermann in der Sitzung der Gesellschaft für Deutsche Literatur am 21. Mai 1913“

Die Gesellschaft für deutsche Literatur (GfdL) war ein 1888 in Berlin gegründeter literarisch-philologischer bzw. Dichter- und Akademikerverein. Annähernd 85 % der ermittelten Mitglieder absolvierten ein Universitätsstudium, die überwiegende Mehrheit von ihnen war promoviert. Im Vorstand arbeiteten traditionell sowohl Hochschulgermanisten als auch Schulmänner mit; vor allem Letztere bildeten jedoch die soziale Trägerschicht des Vereins. Von den 270 Personen, die nach Forschungsstand zwischen 1888 und 1938 Mitglieder des Vereins waren, unterrichteten mindestens 117 (43 %) als Lehrer oder Lehrerin an privaten und öffentlichen Berliner Schulen, meist Gymnasien.

Geschichte

„Die Gesellschaft für deutsche Literatur wurde am 18. November 1888 im Rahmen einer feierlichen Zusammenkunft von 100 Personen im Charlottenburger Restaurant Schulz (Kaiserin-Augusta-Straße 19) gegründet. Initiativ waren eine Reihe angesehener Philologen in hohen Positionen des Berliner Schulwesens, darunter die Schiller-Forscher Ludwig Bellermann (1836–1915), Direktor des Königlichen Gymnasiums zum Grauen Kloster, und Fritz Jonas (1845–1920), der Berliner Stadtschulinspektor, sowie der Herder-Forscher Otto Hoffmann (1839–1903), Oberlehrer am Königstädtischen Gymnasium. Zum Ersten Vorsitzenden der Gesellschaft für deutsche Literatur wurde jedoch Erich Schmidt gewählt, der erst im Vorjahr die Nachfolge seines Lehrers Wilhelm Scherer auf dem Berliner Ordinariat für Neuere deutsche Literaturgeschichte angetreten hatte und den Verein in den ersten 25 Jahren seines Bestehens leitete. Ihm folgte 1914 der bisherige Zweite Vorsitzende Ludwig Bellermann, nach dessen baldigem Ableben schließlich 1916 der Berliner Privatdozent Max Herrmann den Vorsitz der Gesellschaft übernahm, die er bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1938 leiten sollte. Im Gründungsjahr hatte der Verein 120 Mitglieder; vor dem Ersten Weltkrieg waren es durchschnittlich zwischen 80 und 100. Während der Wirtschaftskrisen in der Weimarer Republik und zu Beginn des ,Dritten Reiches‘ ging die Mitgliederzahl bei starken Schwankungen sukzessive zurück: 1932 waren es noch 62 zahlende Mitglieder, die letzte erhaltene Mitgliederliste von 1935 umfasst 43 Namen. […] Zu den besonders aktiven Mitgliedern dieser großen Gruppe gehörten neben den bereits Genannten z. B. der Philologe und Volkskundler Johannes Bolte (1858 bis 1937), der Renaissanceexperte Georg Ellinger (1859–1939) sowie die Kleist-Forscher Reinhold Steig (1857–1918) und Paul Hoffmann (1866–1945). In kleinerer Zahl waren außerdem die folgenden Berufsgruppen vertreten: Professoren und Privatdozenten der Berliner Universität aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen (25 von 270 = 9 %),11 wissenschaftliche Beamte und Mitarbeiter der Berliner Akademie sowie von Archiven und Bibliotheken (21 = 7 %), Journalisten, Kritiker und Schriftsteller (38 = 14 %), Verleger, Verlagsbuchhändler und Antiquare (13 = 5 %), vereinzelt aber auch Mediziner, Juristen, Politiker, Bankiers, Fabrikanten und Kaufleute. Der Anteil der aktiven Mitglieder, die sich in den Sitzungen zu Wort meldeten, war relativ hoch: Insgesamt haben sich von 270 Mitgliedern 153 (57 %) mit mindestens einem Wortbeitrag beteiligt; die Gruppe derjenigen, die mit fünf oder mehr Beiträgen hervortraten, umfasst 45 Personen. […] Eine wichtige Rolle spielte auch der Musikwissenschaftler Max Friedländer (1852–1934), ein Gründungsmitglied des Vereins, der zahlreiche Vorträge zur Volksliedforschung hielt und die künstlerische Leitung des jährlichen Stiftungsfests am 18. November innehatte. Frauen waren erst seit 1918 zur Mitgliedschaft zugelassen. Insgesamt konnten bis 1935 nur 15 weibliche Mitglieder ermittelt werden. Noch kleiner war die Gruppe derjenigen unter ihnen, die sich regelmäßig mit eigenen Beiträgen zu Wort meldeten: Zu ihnen gehört neben der Kieler Privatdozentin Melitta Gerhard (1891–1981), die 1920 als erste Frau in der Gesellschaft einen Vortrag hielt, die Berliner Lehrerin und Literaturhistorikerin Helene Herrmann (1877–1944), die Ehefrau Max Herrmanns, die bis 1937 mit insgesamt 14 Vorträgen und Mitteilungen hervortrat. Diese Zahlen müssen jedoch auch vor dem Hintergrund der vehementen Opposition gesehen werden, die Gustav Roethe (1859–1926) als Berliner Ordinarius dem germanistischen Frauenstudium entgegensetzte. Der zentrale Vereinszweck – ‚die Förderung und Verbreitung literarischer Forschung durch Vorträge und Gedankenaustausch über eigene und fremde Untersuchungen‘ – wurde mit Hilfe eines umfangreichen Vortragswesens realisiert. In den rund 50 Jahren ihres Bestehens veranstaltete die Gesellschaft jährlich sieben bis neun Sitzungen an insgesamt 433 Abenden, auf denen meist Mitglieder, in regelmäßigen Abständen aber auch Gäste, Vorträge hielten oder Ergebnisse aus der Forschung mitteilten. […] Der langjährige Schriftführer Franz Violet (1859–1935) gab 1913 eine – keineswegs vollständige – Übersicht über die wichtigsten Themenschwerpunkte der ersten 25 Jahre:
Weitaus am häufigsten wurde natürlich Goethe behandelt, und von ihm besonders oft wieder der ‚Faust‘, da neben Erich Schmidt zahlreiche ältere und jüngere Goethe-Forscher der Gesellschaft angehörten. Aber auch Schiller, Lessing und Herder kamen nicht zu kurz. Ueber Wieland wurde erst in den letzten Jahren häufiger gesprochen, seitdem die unter Erich Schmidts Leitung in Angriff genommene wissenschaftliche Ausgabe neues Quellenmaterial ans Licht gebracht hat. Unter den Romantikern erfreute sich Kleist besonderer Aufmerksamkeit. Die Behandlung der verschiedenen Kleist-Probleme nahm von Erich Schmidts Vorlesung des ‚Guiscard‘-Bruchstücks und von seinen ‚Bemerkungen über Kleists ›Penthesilea‹‘ ihren Ausgang. Auch die neuere und neueste Literatur bis auf Stephan George, Hofmannsthal u. a. Dichter wurden in einzelnen Vorträgen und Mitteilungen herangezogen, ebenso die Beziehungen der deutschen Dichtung zu englischen und romanischen Schriftwerken. Auffallend stiefmütterlich ist in dem ganzen Vierteljahrhundert Hebbel behandelt worden.
Neben den Vorträgen und Mitteilungen veranstaltete der Verein auch eine Reihe von Besprechungen zu aktuellen Forschungsproblemen und wissenschaftsorganisatorischen Fragen, so wurde z. B. 1905 über die Möglichkeiten einer chronologischen Ausgabe der Gedichte Goethes und 1911/12 über mehrere Sitzungen hinweg zum Thema Wilhelm Meisters theatralische Sendung – anlässlich der Wiederauffindung der sog. Urmeister-Handschrift von 1776 – diskutiert. […] Im Auftrag der Gesellschaft baute Max Herrmann ab 1897 die Bibliothek der deutschen Privat- und Manuskriptdrucke auf, für die im Laufe der Jahre etwa 18.000 Bühnenmanuskripte und andere nicht im Buchhandel erschienene Druckschriften (z. B. Gedichtbände, Memoirenwerke und Reklameschriften) gesammelt wurden, lange bevor staatliche Bibliotheken die sog. graue Literatur als Sammelobjekt entdeckten oder die offiziellen Bibliographien sie verzeichneten. Die seit 1905 in der Königlichen Bibliothek zu Berlin zugängliche Sammlung, die bis 1938 unter der Verwaltung Herrmanns stand, wurde im Zweiten Weltkrieg zum Schutz vor Bombengriffen ausgelagert und fiel – bis auf einen kleinen Restbestand von etwa 550 Drucken – der Vernichtung anheim.“[1]

Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke

Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke.jpg

Die Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke (BdPM) wurde 1897 auf Vorschlag des Theaterwissenschaftlers Max Herrmann (1865–1942) unter der Trägerschaft der GfdL begründet und bis 1938 von der Gesellschaft verwaltet. Die Bibliothek war angelegt als umfangreiche Sammlung von „grauer“ Literatur, und enthielt u. a. Festreden, politische Pamphlete oder Veröffentlichungen von Firmen. Derlei Drucke wurden von Privatpersonen oder Firmen häufig im Selbstverlag in kleinen und kleinsten Auflagen gedruckt. Bühnen-Manuskriptdrucke („den Bühnen gegenüber als Manuskript gedruckt“) wurden Theatern zum Teil von den Autoren, zum Teil von Theaterverlagen zur Ansicht zur Verfügung gestellt. Sowohl Privat- als auch Manuskriptdrucke wurden bis zur Gründung der BdPM nicht systematisch gesammelt. Bereits 1898/99 erging ein Rundschreiben der Gesellschaft an Autoren, Bühnenleitungen und Theateragenturen mit der Aufforderung zum Abliefern von Drucken an die BdPM. In diesen ersten beiden Jahren kamen so bereits 2.200 Stücke und andere Drucke für die BdPM zusammen, 1908 waren es bereits 10.000 Drucke und 1922 wird der Gesamtbestand auf 14.000 Drucke beziffert. Der promovierte Germanist und seit 1902 zunächst an der Universitätsbibliothek, seit 1906 an der Bibliothek des Auswärtigen Amtes tätige Johann Sass (1867–1951) unterstützte Max Herrmann bei der Verwaltung und Katalogisierung der Bestände.

Am 17. Oktober 1938 sah sich die Gesellschaft für deutsche Literatur aufgrund der politischen Verhältnisse zur Selbstauflösung gezwungen. Die Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke wurde daraufhin am 1. Dezember 1938 auf Grundlage des Depositalvertrags in das Eigentum der Preußischen Staatsbibliothek übernommen. Am 1. April 1939 (gleichzeitig der Anfang des Geschäftsjahres) begann die Staatsbibliothek mit der Einarbeitung zunächst der Bühnen-Manuskriptdrucke aus der Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke in den eigenen Bestand. Aus dem Jahresbericht der Preußischen Staatsbibliothek 1938:

„Als literarisch bedeutsamster Zugang ist die einzigartige ‚Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke‘ zu nennen, die bisher der ‚Gesellschaft für deutsche Literatur‘ in Berlin gehörte. Von den rund 15000 Stücken, die die Sammlung umfaßt, sind ungefähr 10000 Stücke Dramen; sie waren bisher zu 80 % in der Staatsbibliothek nicht vorhanden. So ergänzen diese Manuskriptdrucke ausgezeichnet die reichen Bestände der Bibliothek an Dramen, die im Buchhandel erhältlich waren. Für die Geschichte des deutschen Dramas und Theaters der letzten hundert Jahre sind die Drucke auch darum von großer Bedeutung, weil viele von ihnen als Regiebücher gedient haben und in den Streichungen und Zusätzen, die sie aufweisen, ein anschauliches Bild von den Aufführungen der Dramen geben. Große Seltenheiten, wie Gerhard Hauptmanns ‚Helios‘, sind vertreten. Die ‚Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke‘, mit deren Bearbeitung begonnen worden ist, wird geschlossen aufgestellt und der Benutzung zu wissenschaftlichen Zwecken vorbehalten bleiben.“[2]

Führung

Erster Vorsitzender:

  • 1888–1913 ERICH SCHMIDT (1853–1913), Germanist, Dr. phil., Univ.-Prof.
  • 1914–1915 LUDWIG BELLERMANN (1836–1915), Altphilologe, Dr. phil., Gymn.-Dir.
  • 1916–1938 MAX HERRMANN (1865–1942), Germanist, Dr. phil., Univ.-Prof.

Zweiter Vorsitzender:

  • 1889 ROBERT PILGER (1836–1906), Dr. phil., Oberlehrer, Provinzialschulrat
  • 1889–1914 LUDWIG BELLERMANN
  • 1914 RICHARD M. MEYER (1860–1914), Germanist, Dr. phil., Univ.-Prof.
  • 1915–1916 MAX HERRMANN
  • 1916–1917 JOHANNES IMELMANN (1842–1917), Altphilologe, Dr. phil., Oberlehrer
  • 1918–1937 JOHANNES BOLTE (1858–1937), Altphilologe, Dr. phil., Oberlehrer
  • 1938 ARNOLD REIMANN (1870–1938), Altphilologe, Dr. phil., Gymn.-Dir.

Schriftführer:

  • 1889–1890 OTTO HOFFMANN (1839–1903), Altphilologe, Dr. phil., Oberlehrer
  • 1890–1935 FRANZ VIOLET (1859–1935), Altphilologe, Dr. phil., Oberlehrer
  • 1935–1936 BRUNO TH. SATORI-NEUMANN (1886–1943), Germanist, Dr. phil., Studienrat
  • 1936–1938 FRITZ HOMEYER (1880–1973), Germanist, Dr. phil., Antiquariatsbuchhändler
  • 1938 BRUNO TH. SATORI-NEUMANN

Schatzmeister:

  • 1889–1904 ALEXANDER MEYER COHN (1853–1904), Bankier, Autographensammler
  • 1904–1912 WALTHER BLOCH (1873–1915), Verlagsbuchhändler
  • 1912–1935 MARTIN BRESLAUER (1871–1940), Antiquariatsbuchhändler
  • 1935–1938 WALTER UNRUH (1880–1961), Likörfabrikant, Theatersammler

Beisitzer:

  • 1890–1891 FRIEDRICH SPIELHAGEN (1829–1911), Schriftsteller
  • 1891 GUSTAV VON LOEPER (1822–1891), Hofbeamter, Archiv-Dir.
  • 1891–1901 WILHELM HERTZ (1822–1901), Verlagsbuchhändler
  • 1901–1908 ALEXANDER MEYER (1832–1908), Dr. jur., Journalist, Politiker
  • 1908–1914 FRITZ JONAS (1845–1920), Altphilologe, Dr. phil., Oberlehrer, Stadtschulinsp.
  • 1914–1916 JOHANNES IMELMANN
  • 1915–1918 JOHANNES BOLTE
  • 1918–1923 HERMANN GILOW (1852–?), Philosoph, Dr. phil., Gymn.-Dir.
  • 1923–1938 GEORG ELLINGER (1859–1939), Germanist, Dr. phil., Oberlehrer

Fußnoten