Gottesmord

Aus Metapedia
Wechseln zu: Navigation, Suche

Als Gottesmord (Deizid) oder – seltener – als Christusmord wird die Idee einer Kollektivschuld der Juden an der Kreuzigung Jesu Christi bezeichnet.

Biblische Darstellung

Gefangennahme

Von wem Jesu Festnahme ausging, ist nicht eindeutig zu klären. Wahrscheinlich hat sie der damalige Hohepriester Kaiphas aufgrund der Tempelaktion vom Vortag veranlaßt. Als Vorsitzender des Sanhedrins, der obersten Religionsbehörde des damaligen Judentums, war er für kultische Vergehen und Verbrechen im Sinne der Tora zuständig. Dafür konnte er Strafverfahren einleiten und Todesstrafen verhängen, aber unter damaliger römischer Besatzung nicht ausführen. Er verfügte über eine jüdische Wache für den Tempelbezirk, während römische Soldaten das übrige Stadtgebiet kontrollierten.

Vor dem Hohen Rat

Nach allen Evangelien brachte man Jesus dann ins Haus des Hohenpriesters (Mk 14,53), wo er geschlagen und verhöhnt wurde (Mk 14,65). Ob es einen regulären Prozeß gegen ihn gab, bezeugen die Quellen nicht eindeutig. Nach den Synoptikern hielt der Hohe Rat im Haus des Kaiphas eine nächtliche Sitzung und beschloß nach Jesu Messiasbekenntnis das Todesurteil; eine zweite Ratszusammenkunft am folgenden Morgen beschloß und vollzog Jesu Übergabe an die römischen Behörden. Das Johannesevangelium erwähnt dagegen nur ein Verhör durch Hannas (Joh 18,19ff), den Vorgänger und Schwiegervater des Kaiphas (Joh 18,13).

Nach dem markinischen Prozeßbericht (Mk 14,55–64) wollte der Sanhedrin Jesus von vornherein zum Tod verurteilen (v. 55). Dazu vernahm er zuerst Zeugen, die behaupteten, Jesus habe Unmögliches, nämlich den Abriß und Neubau des Tempels innerhalb von drei Tagen, geweissagt (Mk 14,58; vgl. Mk 13,2; Joh 2,19). Der Talmud beschrieb Jesus im Traktat Sanhedrin 43a später als zu Recht verurteilten Volksverführer.

Nachdem das Zeugenverhör keine übereinstimmenden und damit keine juristisch verwertbaren Aussagen ergeben hatte, soll der Hohepriester Jesus schließlich direkt gefragt haben (Mk 14,61):

„Bist Du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“

Diese traditionelle Vermeidung des Gottesnamens wird als Verweis auf die Messiasweissagung Nathans in 2.Sam 7,12–16 und damit auf einen weltlichen Machtanspruch im Sinn einer Davidnachfolge gedeutet. Darauf habe Jesus geantwortet (Mk 14,62):

Ich bin es; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen.

Mit diesem in den Evangelien einmaligen Bekenntnis hätte Jesus auf die Vision der Weltherrschaft des Menschensohns nach Gottes Endgericht in Dan 7,13f angespielt und dessen Vollmacht für sich beansprucht. Nach Mk 14,63 zerriß der Hohepriester daraufhin sein Amtskleid, wertete Jesu Antwort also als Blasphemie und damit als Schuldbeweis. Diesem Urteil ist der Rat einstimmig gefolgt (Mk 14,64).

Der Bericht des Markusevangeliums über Jesu Prozeß und Auslieferung vor dem Sanhedrin (Mk 14,5215,1) betont dreimal (Mk 14,53, 55 und 15,1), daß die Ratsmitglieder Jesus einmütig verfolgten; nach Mk 14,64 erging auch ihr Todesurteil einstimmig, nach Mk 14,65 nahmen etliche auch an seiner Mißhandlung und Verspottung teil.

Mögliche Freilassung

Um Jesu rechtzeitige öffentliche Hinrichtung zu erreichen, formten die Ratsmitglieder das Todesurteil am folgenden Morgen in die Anklage eines politischen Messiasanspruchs um (Mk 15,1). Entgegen der Tradition (Dtn 18,22) sahen sie sich offenbar zu schnellem Handeln veranlaßt.

Pilatus' Hinrichtungsbefehl gilt als gesicherte Tatsache, da ihn auch außerchristliche Historiker erwähnen. Umstritten ist jedoch seine Rolle: Nach Markus, dem die übrigen Evangelien darin folgten, war er nicht von Jesu Schuld überzeugt und bot dessen Anklägern seine Freilassung anstelle eines bereits verurteilten „Aufrührers“ – Barabbas – an. Doch eine von den Priestern aufgestachelte Volksmenge habe ihn zur Hinrichtung Jesu gedrängt – Kreuzige ihn! –, so daß er ihnen zuletzt nachgab (Mk 15,2–15).

Moderne Darstellung

Die Altertumsforschung geht inzwischen davon aus, daß die Darstellung des Urteils im Jesus-Prozeß völlig an der historischen Realität vorbeigeht. Pilatus, der als Statthalter von Palästina nur den Kaiser über sich hatte und daher wie es ihm beliebte walten konnte, war entgegen der biblischen Darstellung vielmehr ein gnadenloser Herrscher. Man geht davon aus, daß Jesus vor allem wegen seiner Tempelreinigung ins Visier der römischen Besatzer geriet. Da diese um die Passchah-Feiertage herum stattfand, gab es generell Unruhen in der Bevölkerung und so ließ Pilatus, um ein Exempel zu statuieren, einige dieser Unruhestifter, unter ihnen auch Jesus, kurzerhand zur Abschreckung hinrichten. Möglicherweise waren es auch seine Reden vom Reich Gottes, die befürchten ließen, er würde gegen die römischen Besatzer Stimmung verbreiten und die Bevölkerung aufhetzen.

Das Erzählmotiv, daß Pilatus an einem jüdischen Feiertag immer einen Gefangenen entließ und dabei auch noch die Juden mitentscheiden ließ, ist nirgends außer in der Bibel überliefert und wird daher als erfunden angesehen. Der Grund für diese positive Darstellung Pilatus' wird darin gesehen, daß man den Juden die Schuld am Tod Jesu zuschieben wollte. Zudem befanden sich die ersten Christen im römischen Machtbereich und durch eine entsprechende Schönfärbung der Besatzer erhoffte man, mehr Konflikte als nötig zu vermeiden.

Im Lukas-Evangelium selbst findet sich sogar ein deutlich Hinweis auf den historischen Pilatus, denn dort wird zu Beginn des 13. Kapitels von einem Blutbad berichtet, das Pilatus an galiläischen Pilgern begangen hatte. Diese Darstellung paßt wenig zu dem späteren Bild von Pilatus als gutmütigem Menschen, der einen Menschen nur kreuzigen ließ, weil ihn die Juden dazu drängten.

Nachwirken

Die Darstellung der Juden als Gottesmörder hat (vor allem in den Zeiten der Pest) immer wieder zu Gewalt gegen Juden geführt.

Mit dem ewigen Juden hat es das Motiv des Gottesmörders sogar in eine deutsche Sage geschafft. Der dort beschriebene Jude ist dazu verdammt, nicht sterben zu können und immer umherwandern zu müssen, als Strafe dafür, daß er Jesus ans Kreuz brachte.

Interpretation Wilhelm Reichs

Schreibfeder.png

Kein Machthaber herrscht von sich aus über das Volk, sondern er wird vom Volk in diese Rolle gezwungen.

 
Pilatus ordnet zwar die Kreuzigung Christi an, aber er wird vom Volk dazu gezwungen. Pilatus begreift, daß die Pest einen Unschuldigen ans Kreuz geliefert hat. Angesichts dessen, was er mit eigenen Augen sieht, glaubt er nicht daran, daß Christus je die Absicht hatte, den Kaiser zu bezwingen. Die Pest ist es, die dies behauptet, und mit ihr auch Pilatus, gegen seine eigne Überzeugung.
 
Es spielt nicht die geringste Rolle, ob die Einzelheiten des Berichts wahre, historisch belegbare Ereignisse wiedergeben oder nicht. Sie würden wahr sein, selbst wenn es den Menschen gelungen wäre, in einem weiten Teil der Welt eine solche Geschichte zu ersinnen. Die Geschichte Christi bleibt die wahre Geschichte der Menschheit, selbst wenn keine einzige der geschilderten Begebenheiten wirklich geschehen wäre. Selbst wenn Christus nicht einmal in Fleisch und Blut existiert hätte, wäre seine Tragödie immer noch das, was sie ist: Die Tragödie der Menschheit unter der Herrschaft der wohlgehüteten emotionalen Pest. Jede Einzelheit wäre wahr, auch wenn sie nur dem Traum eines einzigen Menschen entsprungen wäre, weil sich dasselbe täglich und zu allen Zeiten im Leben der Menschen abspielt.
 

Der Schmerz des unterdrückten Lebens ist ebenso real und quälend, wenn er im Traum erfahren wird wie im richtigen Leben.

Wilhelm Reich, Christusmord – Die emotionale Pest des Menschen. (engl. Orig.: The Murder of Christ, 1953). Zweitausendeins, 1997. S. 245–248.


siehe Quelle: Wilhelm Reich: Das Volk will Barabbas

Siehe auch

Literatur

  • Walter-Jörg Langbein: Lexikon der biblischen Irrtümer. Von A wie Auferstehung Christi bis Z wie Zeugen Jehovas. Langen Müller, München 2003, ISBN 3-7844-2922-X
  • Charles Kingsley Barrett / Claus-Jürgen Thornton (Hgg.): Texte zur Umwelt des Neuen Testaments. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1991 [= UTB, Bd. 1591, ISBN 3-16-145619-X]
  • Elaine Pagels: Das Geheimnis des Fünften Evangeliums. Warum die Bibel nur die halbe Wahrheit sagt. dtv, München 2004, ISBN 3-423-34333-8 [amerikanische Originalausgabe: Beyond Belief. The Secret Gospel of Thomas (2003)]