Kulmbach, Hans von
Hans von Kulmbach, eigentlich Hans Suess, auch Süß geschrieben, (* um 1480 in Kulmbach; † um 1522 in Nürnberg) war ein deutscher Maler, Zeichner und Graphiker.
Leben
Die Nürnberger Malerei steht bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts stark unter dem Einfluß Dürers. Die allmähliche Loslösung vom spätgotischen Stil wird von allen Künstlern, selbst von der Werkstatt des alten Wolgemut, dankbar übernommen, von vielen freilich allzu oberflächlich oder gar unbeholfen nachgeahmt. Gegenüber einer noch immer vorherrschenden Neigung zum Gefälligen und Behäbigen tritt jetzt in Nürnberg auch ein selbständigeres Schaffen von Persönlichkeiten hervor, die das Werk des Meisters in der einen oder anderen Richtung fortführen. Unter ihnen verdient vor allem Dürers Schüler Hans Suess Beachtung, der gewöhnlich nach seinem Geburtsort Hans von Kulmbach genannt wird. Er wird noch bei Wolgemut oder schon bei Dürer in die Lehre gegangen sein, keinesfalls, wie überliefert ist, zunächst bei dem venezianischen Maler und Kupferstecher Jacopo de' Barbari, der erst seit April 1500, als Kulmbach bereits etwa das zwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, einige Jahre für Kaiser Maximilian in Nürnberg tätig war. Auf seiner Wanderschaft mag Kulmbach vor 1500 die Kunst am Niederrhein und in den Niederlanden kennen gelernt haben und möglicherweise ist er später, um 1510, auch in Venedig gewesen. Entscheidend war für ihn jedenfalls die Nähe Dürers, der ihm 1511 für eines seiner Hauptwerke, den Tucher-Altar von 1513 in der Sebalduskirche in Nürnberg, den Entwurf liefert. Aus der spätgotisch gedrängten Figurenanordnung Dürers macht Kulmbach eine schöne weiträumige Anlage nach Art einer venezianischen „Santa Conversazione" mit lieblicher Engelsmusik und landschaftlichen Fernblicken.
Seit etwa 1505 entstehen in seiner Werkstatt, die anscheinend die Traditionen des überalterten Ateliers Wolgemuts und auch dessen Vielgeschäftigkeit übernimmt, zahlreiche Altarwerke, die nicht immer gleiche Höhe behalten.
Sein erstes reifes Werk ist der Marien-Altar von 1511 für das Paulinerkloster Skalka in Krakau, von dem sich dort und in Nürnberg Flügelteile erhalten haben. Das Mittelstück mit der hier wiedergegebenen „Anbetung der Könige" (1,52X 1,10 m). Nicht nur die Schilderung von Architektur und Landschaft, die Verwendung von verwittertem Mauerwerk und verkürzt gezeichneten Holzbrettern zur Erzielung perspektivischer Raumwirkung, sondern auch die Figurenanordnung und zahlreiche Einzelheiten, wie die antike Säule, das Strauchwerk auf dem Gemäuer und nicht zuletzt die Gestalten des Joseph und des stehenden Königs, sind uns von Bildern und Holzschnitten Dürers vertraut, so daß wir annehmen dürfen, der Schüler habe auch hier einen Entwurf des Meisters benutzt. Trotz der großen Figurenzahl ist eine geschlossene Gesamtwirkung erreicht und durch geschickte Gruppenbildungen, bei denen immer drei Personen zusammengefasst werden, eine übersichtliche Darstellung aller Vorgänge gegeben. Die in die linke Ecke des Vordergrundes gerückte Gruppe der Maria mit dem Kinde, vor der — ganz entgegen der auch von Dürer für diese Szene nicht verlassenen Tradition — außer dem ältesten König der junge Mohrenfürst kniet, erinnert uns an Dürers Rosenkranzfest; wir bemerken hier wie dort das Knien zweier Männer beiderseits der Gottesmutter, hier wie dort ein freundliches Hinneigen des Christkindes und der Maria zu dem zunächst Knienden. Aber wie beseelt ist diese Szene! Reizend geschildert ist das altbekannte Motiv, wie das Kind durch Zufassen mit beiden Händen Besitz ergreift von den Schätzen der Welt. Der Jungfrau Maria aber muss der schüchterne Mohr wohl einen ganz besonderen Eindruck machen, sie kommt aus dem Staunen nicht heraus, ihre Augen tasten die Züge des seltsamen Gesellen ab und ihr Mund bleibt geöffnet. Meisterhaft ist auch die Seelenschilderung in der Josephsgruppe: der Nährvater Christi steht an der Säule und scheint angestrengt aus den fremdländischen Begrüßungsworten der beiden Männer etwas Verständliches heraushören zu wollen und ebenso geben sich die anderen offensichtlich Mühe, ihn zu verstehen. Solche Szenen mag der Meister im fremdenverkehrsreichen Nürnberg oder im Völkergemisch des Ostens, wo er zeitweilig tätig gewesen ist, beobachtet haben. Die schöne Gruppe erhält auf der rechten Bildseite ein lebhaftes Gegengewicht durch den besonders prächtig gekleideten Türkenkönig Melchior, dem ein Gefolgsmann das Weihgeschenk überreicht, das einer Nürnberger Goldschmiedewerkstätte zu entstammen scheint. Zwischen den beiden guckt neugierig ein Mann hervor, gewiss der gut porträtierte Stifter des Altars. Weiter hinten harrt das Gefolge voll Ehrfurcht, lagern Kameltreiber, dehnt sich eine schöne Landschaft mit bläulich-grünen Hügeln. Größe und Schönheit der Komposition, Fülle und Bewegtheit der Darstellung mag Kulmbach Dürer verdanken, die Ausführung des Bildes, die warme leuchtende Farbgebung, die gemütvolle und doch feierliche Stimmung des Ganzen, sowie die feine Seelenschilderung im einzelnen sind zweifellos sein eigenstes Werk. Und wenn er auch in seinen späteren Schöpfungen nie wieder diese Höhe erreicht hat, so gehört er allein wegen dieser Leistung zu den besten Farbenkünstlern und Seelenschilderern der deutschen Malerei.
In vielen Zeichnungen, besonders seiner Jugendzeit, hat Kulmbach seine Umwelt geschildert: Gelage und Jagden, Liebespaare, Landsknechte und Marketenderinnen. Die sehr stattliche Zahl erhaltener Entwürfe für Glasmalereien sowie zwei große Fenster der Nürnberger Sebalduskirche bezeugen Kulmbachs starke Betätigung auch auf diesem Gebiet. Das Bildnis des Markgrafen Kasimir von Brandenburg-Kulmbach in der Münchener Pinakothek und das eines Unbekannten gehören ebenso wie das hier wiedergegebene 1520 datierte Porträt eines 29jährigen, etwas weichlich anmutenden Jünglings (39 X 29 cm) zu den feinsinnigsten Zeugnissen beseelter Personenschilderung im 16. Jahrhundert. Über die stets etwas ungeschickte Handhaltung sehen wir gerne hinweg angesichts der lebenswahren und ausdrucksvollen Charakterisierung, der vornehmen Farbigkeit und einer vollendeten Wiedergabe des Stofflichen, hier besonders der Oberfläche der Haut, auf der feine Reflexlichter spielen.