Heilig
Heilig ist ein Begriff für das religiös Geweihte, vom Göttlichen berührte (lat. sacrum, altgr. hieros). Das Wort lautet ahd. heilag, aengl. hêlag, anord. heilagr. Es ist eine Ableitung zu heil „gesund“, und bezieht sich wohl ursprünglich auf das christliche Heilsversprechen, d. h. die Rettung aus der Sünde. Es ersetzt einen älteren Begriff ahd. wihi, ags. weoh, anord. vé, got. veihs, mit dem Substativ ahd. wîhe, woraus das Deutsche Weihe entstanden ist. Auf der Fibel von Nordendorf erscheint es in wigiþonar, gelesen als „heiliger Donner“ oder „heilig dem Donner“. Urverwandt ist lat. victima, das zum Opfer geweihte Tier.
Die „Weihe“ wird als eine körperliche, einem Gegenstand oder einer Person anhaftende Substanz imaginiert, die durch Berührung übertragen werden kann. Sie entspricht damit der kulturellen Universalie, die in der Ethnologie üblicherweise als Mana bezeichnet wird. Nahe verwandt ist der Begriff der rituellen Reinheit (ein einmal geweihter Gegenstand darf nicht durch Berührung mit etwas ungeweihtem bzw. rituell unreinem in Berührung kommen). Im christlichen Mittelalter findet diese Vorstellung ihre Fortsetzung in Form der Reliquienverehrung, der Besprengung mit Weihwasser, der Salbung der Könige bei ihrer Krönung, der Berührung der Bibel oder eines anderen heiligen Gegenstandes (Kruzifix, Hostie) beim Eid sowie der Handauflegung bei der Priesterweihe (die Idee der Apostolischen Sukzession, d. h. einer Kette von physischen Berührungen, die den gegenwärtigen Papst letztlich mit dem fleischlichen Christus verbindet, entspricht dem heidnischen Königtum als einer erblichen Würde, die auf biologische Abstammung von einem Gott fußt).
Altnordisch vé und Altenglisch weoh (ein neuhochdeutsches Analogon wäre *die Weich) sind außerdem Bezeichnung für heidnische Opferplätze, d. h. den Ort des Pluot, und überleben in dieser Bedeutung in der Toponomastik. In der Edda erscheint Vé außerdem personifiziert als ein Bruder Odins in einer „Triade“ Odin, Vili und Vé (urnord. *Wódin, Wili, Wé, urgerm. *Wōdinaz, Wiljon, Wǣhaz), etwa „(transzendente) Inspiration, (innerer) Wille, (äußere, d. h. an Objekten haftende) Weihe“.