Lueger, Karl
Karl Lueger [luˈeːɡər] ( 24. Oktober 1844 in Wieden [heute Wien]; 10. März 1910 in Wien) war ein deutscher Politiker und in den Jahren von 1897 bis 1910 Bürgermeister von Wien.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Lueger wurde in Wien-Wieden als Sohn des aus Neustadtl an der Donau stammenden Leopold Lueger und seiner Frau Juliane geboren. Sein Geburtshaus befindet sich am heute westlichen Teil des Hauptgebäudes der Technischen Universität am Karlsplatz, wo Luegers Vater als Saaldiener am Wiener Polytechnikum arbeitete. Lueger stammte aus ärmlichen Verhältnissen und besuchte die Theresianische Ritterakademie (das heutige Theresianum) in Wien als Externer. Danach studierte er Rechtswissenschaft und wurde 1870 zum Dr.jur.utr. promoviert. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.A.V. Norica Wien im ÖCV. Ab 1874 war Lueger als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei tätig und galt als Anwalt der „kleinen Leute“.
Politische Laufbahn
Dem Vorbild des jüdischen Arztes und Bezirkspolitikers Ignaz Mandl folgend, der in Luegers Wohnbezirk Landstraße als Abgott der „kleinen Leute“ galt, ging Lueger in die Politik.
Von 1875 bis 1876 und 1878 bis 1910 war er Wiener Gemeinderat. 1885 und 1891 wurde er für den fünften Bezirk Wiens in den Reichsrat gewählt. Seit 1890 saß er im niederösterreichischen Landtag.
1888 schlossen sich Deutschnationale und Christlichsoziale bei den Wiener Gemeinderatswahlen zu einer Wahlgemeinschaft zusammen, die später als „Vereinigte Christen“ bekannt wurde. Der Führer dieser neuen Partei wurde Karl Lueger, der sich 1887 zum Antisemitismus bekannte. Er hatte erkannt, damit leichter politische Karriere machen zu können. 1893 gründete er die österreichische Christlichsoziale Partei (CS). Lueger, der ursprünglich vom Liberalismus her kam, erlangte mit seiner antikapitalistischen und antisemitischen Rhetorik breite Popularität.
1895 wurde Lueger zunächst zum Vizebürgermeister der Stadt Wien unter Bürgermeister Raimund Grübl und später, als Grübl sein Amt niederlegte, dessen Nachfolger. Von 1897 bis 1910 war Lueger Wiener Bürgermeister. Seine Amtszeit ist gekennzeichnet durch zahlreiche (im wesentlichen kreditfinanzierte) kommunale Großprojekte, etwa die II. Wiener Hochquellenwasserleitung, Kommunalisierung der Gas- und Elektrizitätsversorgung sowie der Straßenbahnen, Bau von großen Sozialeinrichtungen wie Versorgungsheim Lainz und Psychiatrisches Krankenhaus am Steinhof.
Rezeption
Nach Karl Luegers Tod nahmen hunderttausende Österreicher, darunter auch Adolf Hitler, an seiner Beisetzung teil. Lueger liegt in der sogenannten Bürgermeistergruft der Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche (Kirchengruft 6) auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.
In seinem Werk Mein Kampf schrieb Hitler über Lueger:
– Adolf Hitler: Mein Kampf, Seite 54-65Jedenfalls lernte ich langsam den Mann und die Bewegung kennen, die damals Wiens Schicksal bestimmten: Dr. Karl Lueger und die christlich-soziale Partei. Als ich nach Wien kam, stand ich beiden feindselig gegenüber. Der Mann und die Bewegung galten in meinen Augen als ‚reaktionär‘. Das gewöhnliche Gerechtigkeitsgefühl aber mußte dieses Urteil in eben dem Maße abändern, in dem ich Gelegenheit erhielt, Mann und Werk kennenzulernen; und langsam wuchs die gerechte Beurteilung zur unverhohlenen Bewunderung. Heute sehe ich in dem Manne mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten.
Karl Lueger blieb unverheiratet, galt aber nicht zuletzt deswegen als Schwarm vieler Frauen. Der Nimbus und die Popularität des „schönen Karl“, auch nach seinem Tod, spiegeln sich beispielhaft im sogenannten „Lueger-Lied“ wider („Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht“), einem Chanson aus der Operette „Essig und Öl“ von Robert Katscher (1932), das in der Interpretation von Hans Moser berühmt wurde.
Nach Lueger ist ein Teil der Wiener Ringstraße benannt (Dr.-Karl-Lueger-Ring), an dem das Burgtheater, das Wiener Rathaus und die Universität Wien liegen; ein großes Denkmal, das von Josef Müllner gestaltet und am 19. September 1926 enthüllt wurde, steht auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz im ersten Wiener Bezirk. 2009 schrieb die Universität für Angewandte Kunst Wien einen Wettbewerb zur Umgestaltung des Denkmals zu einem Mahnmal gegen Rassismus und Antisemitismus aus.[1] Im April 2010 waren bereits über 150 Vorschläge eingelangt.[2]
Die Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche (Karl-Borromäus-Kirche) wurde zwischen 1908 und 1911 von Max Hegele erbaut. Auf der Wandmalerei „Das jüngste Gericht“ von Hans Zatzka ist Lueger im Totenhemd dargestellt. Lueger findet sich auch auf anderen Altarbildern Zatzkas wieder, dessen Bruder Ludwig Zatzka Stadtbaumeister im Kabinett Luegers war.
1943 entstand in den Wiener Rosenhügelstudios der Film „Wien 1910“ unter der Regie von E. W. Emo mit Rudolf Forster (Lueger), Heinrich George (Georg Ritter von Schönerer), Rosa Albach-Retty, Lil Dagover und O. W. Fischer, eine Verklärung Karl Luegers als Hitler-Vorläufer. Eine Wiederaufführung des Films in den Siebziger Jahren im Wiener Bellaria-Kino führte zu heftigen Protesten.