Kladderadatsch

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Titelbild von 1943

Der Kladderadatsch war eine deutschsprachige politisch-satirische Zeitschrift, die von 1848 bis 1944 wöchentlich erschien. Der Name der Zeitschrift ist hergeleitet vom lautmalerischen Berliner Ausdruck „Kladderadatsch“, der etwa bedeutet „etwas fällt herunter und bricht mit Krach in Scherben“.

Geschichte

Die Tierwelt grüßt Hermann Göring, 3. September 1933

Das erste Heft der Satirezeitschrift „Kladderadatsch“ erschien am 7. Mai 1848 in Berlin. Ihr Gründer und erster Herausgeber, der liberale jüdische Humorist David Kalisch (1820–1872), war der Sohn eines jüdischen Kaufmanns und bekannter Autor leichter Komödien. Er verfaßte das gesamte erste Heft. Die Erstauflage von 4.000 Stück war bereits nach 24 Stunden verkauft.

Der schnelle Erfolg des Magazins ermöglichte die Einstellung zweier weiterer jüdischer Autoren, Ernst Dohm und Rudolf Löwenstein. Zusammen mit dem Zeichner und Karikaturisten Wilhelm Scholz wurden diese unter dem Namen „Gelehrte des Kladderadatsch“ in Berlin berühmt, und das Magazin blieb für viele Jahre eine Gemeinschaftsarbeit dieser Vier. Die Artikel wurden in der frühen Zeit nie mit Namen gezeichnet.

Der Verleger des Kladderadatsch war Gregor Heinrich Albert Hofmann. Er wurde 1818 in Berlin geboren und hatte ein Gebrechen – er stotterte –, machte aber aus der Not eine Tugend, indem er 1840 eine „Anweisung zur Radikal-Heilung Stotternder nach eigenen Erfahrungen bearbeitet von A. Hofmann Lehrer zur Heilung Stotternder in Berlin“ veröffentlichte. Das Format des Magazins wurde während des gesamten Erscheinungszeitraumes beibehalten. Das Titelbild zeigte vom ersten Heft an das grinsende Gesicht eines Jungen. Dieses Motiv wurde bald zum Markenzeichen des Blattes. Humoristisch war auch der Vermerk unter dem Titel: „Dieses Blatt erscheint täglich mit Ausnahme der Wochentage“.

Auch der Aufbau des Blattes blieb im Laufe der Zeit relativ konstant. Den Auftakt bildete stets ein Leitartikel in satirischer Prosa oder in Versform, in dem die politische Entwicklung aufs Korn genommen wurde. Die folgenden Seiten bestanden aus verschiedenartigen Textbeiträgen, die nur gelegentlich von kleineren Illustrationen unterbrochen wurden. Zusätzliche optische Effekte sowie eine deutliche Textgliederung wurden durch den Einsatz unterschiedlicher Schrifttypen und –stärken erreicht. Die letzte Seite enthielt stets Karikaturen, wobei die Folge kleinerer Illustrationen allmählich von den später vorherrschenden ganzseitigen Karikaturen abgelöst wurden.

Laut Duden bedeutet „Kladderadatsch“: „umgangssprachlich für Durcheinander nach einem Zusammenbruch, Skandal, Geräusch“. Es ist überliefert, daß Kalisch, der gerade über den Inhalt des ersten Heftes nachdachte, beim Anblick eines Hundes, der durch den Raum lief, die Tische anrempelte und so die Gläser und Flaschen auf den Boden stürzen ließ, laut „Kladderadatsch“ rief. Nicht nur aufgrund dieses Zufalls wählte Kalisch daraufhin diesen Titel.

„Kladderadatsch“ war damals der vor allem in Berlin gebräuchliche Ausruf für „Zusammenbruch“, und so erschien ihm – angesichts der Zerstörung des alten Systems im spätfeudalen Absolutismus, zu dessen Synonym Preußen geworden war – diese Bezeichnung ein passender Titel für ein satirisches Blatt. Der im Zusatztitel genannte „Bummler“ galt im Mai 1848 nicht mehr als der müßige, biedermeierliche Flaneur oder der berufslose Herumtreiber, sondern „Bummler“ war nun die Ehrenbezeichnung des freien, selbstbewußten Bürgers auf der Straße, der an der Ecke über die Tagespolitik diskutierte und sich kritisch die neuesten politischen Plakate an den Hauswänden und die druckfrischen Zeitungen und Zeitschriften ansah.

Revolution von 1848/49

Die Berliner Zeitungslandschaft wurde zu Beginn des Jahres 1848 von zwei großen Blättern dominiert: Zum einen gab es die Vossische Zeitung (gegründet 1617), zum anderen die Spenersche Zeitung (gegründet 1740). Wegen ihres hohen Alters werden die beiden Blätter zur Revolutionszeit im Berliner Volksmund auch liebevoll „Tante Voß“ und „Onkel Spener“ genannt. Als nach den Barrikadenkämpfen der Märztage mit der Pressezensur auch die verhaßte Bildzensur fiel und mit der errungenen Pressefreiheit der „Pressefrühling“ ausbrach, reagierten die Publizisten und Verleger sofort: Unzählige satirische Tages- und Wochenzeitungen schossen wie Pilze aus dem Boden. Allein in Berlin, dem bedeutendsten Zentrum der satirischen Literatur, wurden innerhalb kurzer Zeit 35 humoristisch-satirische Blätter gegründet, bald erschienen dort 150 Presseorgane.

Der „Kladderadatsch“ war jedoch eine der wenigen satirischen Zeitungen, die auch nach der Gegenrevolution im November 1848 noch weiter publiziert werden konnten. Sein Erscheinen wurde erst 1944 eingestellt, allerdings wurde 1969 die Veröffentlichung unter dem Titel „Kladderadatsch. Das deutsche Magazin für Unpolitische“ wieder aufgenommen. Stil und Inhalt des Magazins spiegelte nicht nur die politischen Ansichten seiner Autoren wider, sondern auch deren kulturelles Umfeld und den typischen Berliner Humor: trocken, zynisch und lakonisch.

„Schulze und Müller“

Zu den bekanntesten Figuren der satirischen Publizistik des Jahres 1848 gehörten „Schulze und Müller“, die mit ihrem im Berliner Dialekt gehaltenen ironischen Dialogen über politische Tagesereignisse regelmäßig im „Kladderadatsch“ erschienen. Berühmt ist der „Kladderadatsch“ auch für seine Bismarck-Gedichte. So hatte das Blatt Otto von Bismarck von seinem ersten politischen Auftreten an auf seinem politischen Lebensweg begleitet. In den Anfangsjahren bekämpfte es ihn mit bitterem Spott in Wort und Bild, später dann erkannte es fast widerwillig den Geschmähten, um ihn dann schließlich als den Heros Germaniens, den Besten der Deutschen, zu feiern. So gelten die Bismarck-Gedichte des Kladderadatsch heute als Spiegelbild der Wandlung, die viele der Deutschen in ihrem inneren Verhältnis zu Bismarck durchgemacht haben.

Der „Kladderadatsch“ war sehr beliebt bei der zahlenmäßig wachsenden Mittelklasse. Seine Auflage wuchs von 22.000 im Jahr 1858 auf 50.000 im Jahr 1872. Das Magazin verlor nach und nach seine frühere Unangepaßtheit und spiegelte nun vielmehr die konservativen Ansichten seiner gutsituierten Leser. So unterstützte es die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Sozialismus und setzte sich 1887 für ein Gesetz ein, das streikende Arbeiter bestrafen sollte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann der „Kladderadatsch“, altertümlich zu wirken, und der sozialistische „Der Wahre Jakob“ und der liberale „Simplicissimus“ verkauften sich besser. 1909 wurde der Herausgeber Johannes Trojan von Paul Warncke abgelöst. Zu dieser Zeit wurden auch Gustav Brandt und der deutsch-amerikanische Künstler Arthur Johnson die führenden Karikaturisten des Blattes.

Karikatur im Kladderadatsch:
Im „Weisen Haus“ in Washington
Mister Wilson, in der „Lusitania“-Debatte:
„Meine Herren! Soviel Opfermut müssen die Söhne der großen Republik Amerika schließlich haben, daß sie zum Besten unseres Munitionsgeschäfts gelegentlich ertrinken!“
„Kladderadatsch“ 1916: Karikatur bezüglich des britischen und französischen Einsatzes von Negern im Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg erreichte der „Kladderadatsch“ nur noch eine Auflage von 40.000, und obwohl Modernisierungsversuche unternommen wurden, ging der Verkauf weiter zurück. 1923 verkaufte der Hofmann-Verlag, der seit seiner Gründung im Jahr 1848 den Kladderadatsch herausgegeben hatte, das Magazin an die Stinnes Company. Die Zeitung wurde zunehmend nationalistischer und war sehr kritisch gegenüber den Politikern der Weimarer Republik. Als Walther Rathenau 1922 einem Attentat zum Opfer fiel, veröffentlichte der Kladderadatsch ein Gedicht, das wenig Sympathie für den ehemaligen Außenminister zeigte.

Marsch auf die Feldherrnhalle

Nach dem Mißlingen des Marsches auf die Feldherrnhalle (1923) lobte das Magazin Adolf Hitler für seine patriotische Gesinnung. In den frühen 1930er Jahren unterstützte der „Kladderadatsch“ die Politik Hitlers und beschuldigte die Sozialdemokraten, daß sie Deutschland zerstören wollten. Die Karikaturen wurden zunehmend antijudaistisch. Nach dem Tod Paul Warnckes im Jahr 1933 blieb der „Kladderadatsch“ nationalistisch und patriotisch eingestellt.

Wilhelm Scholz und Gustav Brandt

Die beiden bekanntesten Illustratoren des „Kladderadatsch“ waren Wilhelm Scholz und Gustav Brandt. Wilhelm Scholz wurde 1824 in Berlin geboren und war Schüler der Königlichen Akademie. Bereits mit seiner ersten größeren Publikation – der mit Ernst Kossak gemeinsam verfaßten „Humoristisch-satyrsche Bilderschau“ mit dem Titel „Die Berliner Kunstausstellung im Jahr 1846“ – spielte er schnell eine führende Rolle in der satirischen Publizistik Berlins. Im Alter von 24 Jahren begann er für den „Kladderadatsch“ zu arbeiten und war seit der zweiten Nummer des Blattes für fast 40 Jahre dessen Hauptzeichner. Regelmäßig erschienen z. T. ganzseitige Karikaturen, unter anderem entwarf er die stehende Figur des Bummlers.

Seine Zeichnungen waren ihrer Schärfe, Schlagfertigkeit und Schlagkraft wegen berühmt. Besonders populär wurde er durch seine Karikaturen auf Bismarck; er erfand auch dessen Markenzeichen: die „berühmten drei Haare“. Neben seiner Arbeit für den „Kladderadatsch“ lieferte Scholz auch Karikaturen und Illustrationen unter anderem für Adolf Glaßbrenners „Freie Blätter“, für den Berliner „Krakehler“ und das „Berliner Großmaul“. Zudem trat er bei den damals so beliebten Künstlerfesten immer wieder als unermüdlicher Entwerfer von Einladungen und Speisekarten auf. Der „Kladderadatsch“ widmete ihm im Jahr 1893 einen vielstrophigen Nachruf:

„Wie wußtest Du getreu zu schildern,
Was auf des Lebens Bühne stand,
In Tausenden von lust’gen Bildern,
Die uns geschenkt hat Deine Hand!
Dir war’s gegeben, festzuhalten,
Was leicht dahingeht und zerfällt;
So schufst Du bleibende Gestalten
In Deinem Reich der heitern Welt.“

In den ersten Jahren war er der einzige Künstler, der für das Magazin arbeitete, später lieferte auch Gustav Brandt (1861–1919) Zeichnungen. Der Hamburger arbeitete von 1884 bis zu seinem Tod für den „Kladderadatsch“. Er zeigte in seinen Karikaturen Treffsicherheit und Größe in schlagkräftigem Zeichenstil und war vor allem ein Portrait-Karikaturist von unverwechselbarer Charakterisierung. Zusammen mit Ludwig Stutz (1865–1917) prägte er die politische Karikatur des „Kladderadatsch“.

Literatur

  • Wilhelm Scholz: Bismarck-Album des Kladderadatsch 1849–1890, Hoffmann & Campe (PDF-Datei 27 MB), (HTML-Version)
  • Horst Kohl (Hg.): Bismarck-Gedichte des Kladderadatsch. Mit vielen Illustrationen von Wilhelm Scholz u. Gustav Brandt, Berlin, 1894 (PDF-Datei 21 MB)
  • Ann T. Allen: Satire and society in Wilhelmine Germany: Kladderadatsch and Simplicissimus 1890–1914, Lexington, 1984
  • Am Pranger – England-Album des Kladderadatsch; von d. Zeit d. Burenkrieges bis zur Gegenwart. Texte von Johannes Trojan. Mit Zeichn. von Gustav Brandt, Berlin 1915
  • Ingrid Berck: Der außenpolitische Kampf des „Kladderadatsch“ im ersten Reichsjahrzehnt 1870/1880 unter besonderer Berücksichtigung der Orientkrisis – ein Beitrag zur Erforschung des politischen Witzblattes im 19. Jahrhundert, Heidelberg, Univ., Diss., 1945
  • Ingrid Heinrich-Jost (Hg.): Kladderadatsch. Die Geschichte eines Berliner Witzblattes von 1848 bis ins Dritte Reich, Köln, 1982
  • Rudolf Hofmann (Hg.): Der Kladderadatsch und seine Leute 1848–1898: ein Culturbild, Berlin 1898
  • Ursula E. Koch: Der Teufel in Berlin: von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung; illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890, Köln 1991

Verweise