Kommunitarismus
Die kommunitaristische Perspektive ist dadurch gekennzeichnet, daß von den Gemeinschaften her gedacht wird, denen wir angehören (von der Familie bis hin zur politischen oder kulturellen Gemeinschaft) und die uns als Individuen konstituieren. Dabei ist die Feststellung, daß bestimmte ererbte Gemeinschaften, in die wir hineinsozialisiert werden, für unsere Identität konstitutiv sind, nicht im Sinne eines strengen Determinismus zu verstehen. An ihrer zentralen Bedeutung ändert dies jedoch nichts, insofern sie uns einen spezifischen Wertehorizont als Rahmen unserer moralischen Orientierung (Ausrichtung an bestimmten „Gütern“ bzw. Ideen des Guten) vermitteln, der unabhängig davon, ob wir ihn vollständig übernehmen (d. h. aktualisieren) oder ganz oder teilweise verwerfen (also mehr oder weniger modifizieren), immer unser primärer Ausgangspunkt bleiben wird.
Die Anerkennung des grundlegenden Charakters eines solchen Gewebes von Werten und Normen ermöglicht, Bedeutung und Wert der jeweiligen Gemeinschaft für das Individuum zu ermessen. Ein dezidiert kulturalistischer Ansatz, wie ihn der kanadische Philosoph und Politikwissenschaftler Charles Taylor vertritt, bezieht deshalb klar Stellung gegen den die Diskurse der Gegenwart dominierenden atomistischen Individualismus, der suggeriert, das Individuum würde primär aus sich selbst schöpfen und könne sich gewissermaßen selbst erschaffen und stellt ihm einen holistischen – vom Ganzen her gedachten und die kulturelle Bedingtheit betonenden – Individualismus entgegen.