Moral
Der Ausdruck „Moral“ geht auf das lateinische moralis („die Sitte betreffend“; lat: mos, mores „Sitte“, „Sitten“) zurück, das im von Cicero neugeprägten Ausdruck philosophia moralis als Übersetzung von êthikê (Ethik) verwendet wird.[1] Der Unterschied zur Ethik besteht darin, daß die eigentliche Moral ihren Ursprung im inneren Wesen des Menschen hat, d. h. mit seinem Sein identisch ist, die Ethik als theoretische Lehre hingegen mit Logik auf absoluten Maßstäben aufzubauen versucht, sowie auch mehr oder weniger kultur- und gesellschaftsabhängig ist, insgesamt also ein Sein-Wollen darstellt. Ethik kann allgemein auch als das Nachdenken über Moral verstanden werden.
Moral entscheidet demnach im grundsätzlichen, wie Menschen handeln, was sie selbst für richtig halten und welches Handeln sie von anderen erwarten. Moral ist somit zunächst kein Gruppenprinzip, welches sich an den Vorstellungen der Mehrheit orientiert; jedoch kann der einzelne Mensch moralisches Handeln seinem ihm innewohnenden Egoismus gegenüberstellen, wodurch er eine Einsicht zu einer besseren, weniger selbstsüchtigen Handlungsweise gewinnen kann. In einer moralisch insgesamt edler gesinnten Gemeinschaft kann allerdings auch ein an sich schwächerer Mensch – weniger durch Einsicht als durch Erziehung – äußerlich moralisch höherstehend erscheinen, da er sich durch gruppenkonformes Handeln eine höhere Sicherheit verspricht.
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Weitere Definitionen
Der Moralbegriff des Abendlandes ist weitgehend von christlichen Werten geprägt, wobei im Deutschen noch die Moralvorstellungen des germanischen Rechtes hinzukommen. Moralische Zielsetzungen sind immer eine Frage der Definition, abhängig von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, der Ökonomie, der Kultur, der Religion. Somit ist Moral die Definitionsgrundlage einer Gesellschaft schlechthin. Moralisch ist, was der Gemeinschaft nützt. Moralisches Handeln setzt also immer auch gemeinschaftliches Handeln voraus. Ein liberaler Staat, der die Belange des Individuums über die Belange der Volksgemeinschaft stellt, ist zwangsläufig ein unmoralischer Staat.
Bei Kant erfolgt eine Verengung und Vertiefung des Begriffs der Moral dennoch auch auf die Autonomie des Gewissens jedes einzelnen. Bei Schopenhauer steht die Moral für die Güte bzw. Boshaftigkeit des Willens als inneres Wesen des Menschen. Nach Nietzsche ist Moral das Metaphysische, die Ur-Kraft, Ursache, Zweck an sich. Zugleich bezeichnet er jedoch die christliche Moral als die bösartigste Form des Willens zur Lüge.[2] Wobei er jedoch zwischen Kirchentum und und Christentum trennt: Verwerflich sei die widernatürliche kirchliche Verdammungslehre, die dem natürlichen menschlichen Streben nach moralischem Verhalten im Diesseits entgegenstehe.
Da nach Aristoteles keine Definition einer moralischen Handlung den Aspekt der Entscheidung entbehren darf, werden im Prozeß der Entscheidung immer die Moralvorstellungen zugrundegelegt. Dies kann dennoch, trotz derselben moralischen Wertegrundlage, zu völlig gegensätzlichen Entscheidungen führen wie zum Beispiel bei der moralischen Bewertung von Abtreibung und Euthanasie.
Moralische Dilemmata
In einer moralischen Konfliktsituation arbeiten Gefühle und Verstand zusammen. Manche Situationen stürzen Menschen in ein moralisches Dilemma. Sollen sie etwa ein Leben opfern, um fünf andere zu retten? Wie sie sich entscheiden, hängt nicht nur vom Verstand ab. Auch die Emotionen spielen eine wesentliche Rolle. Dabei sind Gefühle und Vernunft Partner, nicht Gegner. Es gibt Situationen, welche bei den meisten Menschen bereits durch den bloßen Gedanken daran ein moralisches Dilemma erzeugen. Was würde man zum Beispiel tun, wenn eine Straßenbahn außer Kontrolle einen Berg herunterrast und fünf Menschen vor dem Wagen auf den Gleisen stehen? Und wenn es möglich wäre, eine Weiche umzustellen, dabei jedoch eine Person auf dem Nachbargleis ums Leben käme? Sollte man die Weiche umstellen? Oder dürfte man einen dicken Mann auf die Schienen stoßen, so daß er den rasenden Zug aufhält?[3]
Zitate
- „Man sieht, daß alle Zeiten und alle Länder sehr wohl die Quelle der Moralität erkannt haben, nur Europa nicht; woran allein der foetor Iudaicus[4] schuld ist, der hier alles und alles durchzieht.“ — Arthur Schopenhauer[5]
- „Was wir an einem Menschen als seinen ethischen Wert empfinden, ist nicht die Leistung seiner verantwortlichen Moral, sondern diejenige seiner angeborenen und arteigenen ›Neigungen‹.“ – Konrad Lorenz[6]
- „Die christliche Moral ist wie jede Moral Entsagung und nichts anderes. Wer das nicht empfindet, ist Materialist.“ — Oswald Spengler[7]
- „Moral negiert, besteht in Verboten, Ethik ist positiv, sie gibt Haltung. Wer den Instinkt dafür nicht hat, ist niedrig. Sie beruht auf dem gemeinsamen Takt des Lebens und wird deshalb durch Vorbild, lebende Praxis übertragen, nicht durch Lehre und Theorie.“ — Oswald Spengler[8]
Siehe auch
Verweise
- Moralische Werte – Ein Überblick über die Moral
- Ethik und Moral – Ein Definitionsversuch
- Das moralische Dilemma, das Trolley- oder Straßenbahn-Problem
- Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie der Moral (PDF-Datei)
Tondateien
Literatur
- Arthur Schopenhauer: Preisschrift über die Grundlage der Moral, in: Arthur Schopenhauer. Kleinere Schriften; Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3 518 09737 7
- Andreas Edmüller: Die Legende von der christlichen Moral: Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist. Tectum, 2015, ISBN 978-3828836556
- Richard Dawkins: Die Wurzeln der Moral: Warum sind wir gut?, Kapitel in: Richard Dawkins: Der Gotteswahn. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Ullstein Verlag, Berlin 2007 [englische Originalausgabe: 2006], ISBN 978-3-550-08688-5, S. 291–326
- Johann Julius Baumann: Handbuch der Moral nebst Abriss der Rechtsphilosophie (1879); PDF-Datei
- Fritz Matthiä: Ist eine religionslose Moral möglich? (1902); PDF-Datei
- Dominikus Leitmeir: Apologie der christlichen Moral (1866); PDF-Datei
- Julius Petersen: Willensfreiheit, Moral und Strafrecht (1905); PDF-Datei
- Johann Otto Ellendorf: Die Moral und Politik der Jesuiten (1840); PDF-Datei
- Edmund Friedemann: Jüdische Moral und Christlicher Staat (1893); PDF-Datei