Paradoxon

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Ein Paradoxon (von altgriech. παράδοξον, „Gegenmeinung“, auch Paradoxie, παραδοξία) ist ein geistig zerstreuender Widerspruch. Die Unmöglichkeit beherrscht den Sprachgegenstand. Paradoxa werden häufig als rhetorische Figuren verwendet.

Ein Kreter sagt: „Alle Kreter lügen“

Das berühmteste Beispiel einer Paradoxie, welche von der klassischen europäischen Philosophie immer wieder logisch untersucht worden ist, gibt der schon in der griechischen Antike geläufige Satz ab: „Ein Kreter sagt: ›Alle Kreter lügen‹.“ Falls der Mann von der Insel Kreta die Wahrheit sagt (und es also zutrifft, daß alle Kreter lügen), liegt darin dennoch ein Selbstwiderspruch, da er ja selbst Kreter ist. Falls der Mann aber lügt mit dieser Feststellung, dann würde es ja gerade nicht zutreffen, daß alle Kreter lügen, mindestens einer würde die Wahrheit sagen (weil es ja eine Lüge ist), und dies gilt aber nur, weil er selbst von Kreta herkommt (und aufgrund der Lüge).

Die Tatsache, daß es möglich ist, Sätze zu konstruieren, die sich selber widersprechen, führt zu diversen Logik- und Mathematik-Problemen, durch deren eingehende Bearbeitung besonders Bertrand Russell und Alfred North Whitehead berühmt geworden sind. Im Kern geht es darum, daß Tafeln oder Tabellen, die den Wahrheitswert möglicher Aussagen systematisch gliedern, deshalb niemals vollständig sein können. Allsätze (Aussagesätze, in denen das Wort „alle“ oder „jeder“, „jede“, „jedes“ vorkommt), sind deswegen nicht nur empirisch unscharf („Alle Flüsse fließen bergab“ → „Hast Du tatsächlich alle Flüsse angeschaut?“), sondern bereits auf der Logik-Ebene problematisch, weil sie auch logisch auf ein unvollständiges Bezugssystem referieren.

„Was ist das Geräusch von nur einer Hand, die klatscht?“

In der Tradition des Zen-Buddhismus gilt die Beschäftigung mit Paradoxien als wesentliche spirituelle Übung. Sätze, die solche Paradoxien enthalten, werden Koan genannt. Die intensive Befassung mit Paradoxien stärkt, dieser religiösen Anschauung zufolge, den spirituellen Kampf gegen Eitelkeit und Selbstüberschätzung.

„Gott ist allwissend, allmächtig und allgütig“

In der monotheistischen Tradition wird Gott oftmals die Eigenschaft zugewiesen, voller Liebe zu sein, alles zu wissen und alles zu können. Diese Aussage kollidiert mit der Erfahrung maßlosen Elends und Leids im menschlichen Leben und hat windungsreiche Erklärungen hervorgerufen. Die Frage nach dem Widerspruch zwischen göttlicher Güte und existenziellem Leid wird in der europäischen philosophischen Tradition als Theodizee bezeichnet. Die berühmteste Antwort auf jenen Widerspruch stammt von dem deutschen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, der sagte: „Die Welt ist die beste aller möglichen Welten.“ Er entwickelte diese Antwort im Zusammenhang mit seinen Forschungen zur Modallogik (der Logik um die Modalbegriffe möglich und notwendig).

Unter Vulgär-Atheisten ist es beliebt, auf den Satz: „Gott ist allwissend, allmächtig und allgütig“ mit einer Rätselfrage zu reagieren: „Kann Gott eine Schatztruhe erschaffen, die so geheimnisvoll ist, daß selbst Gott nicht weiß, was sich darin befindet?“ In dieser Rätselfrage kollidieren Allmacht und Allwissenheit Gottes. Aus der kommunistischen frühkindlichen Erziehung ist auch die Rätselfrage bekannt, die fragt: „Kann Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, daß selbst Gott ihn nicht anzuheben vermag?“

Lebensphilosophie

Paradoxien markieren die Grenzen der Sprache und die Beschränktheit jedes vernunftgeleiteten Denkens. Durch die europäische Lebensphilosophie und den Existenzialismus bereitete sich im 19. Jahrhundert die grundlegende Einsicht vor, daß keineswegs verbale oder mathematisch-logische Rationalität die einzigen gültigen Formen von Erfahrung oder Erkenntnis sind. Intuition, Instinkt, die „Vernunft der Gefühle“ – wie der Wissenschaftspublizist Dieter E. Zimmer dies genannt hat – und selbst der Schock, haben erkenntnisbestimmenden Wert. Umgekehrt kann sogar gesagt werden, daß eine auf das Logikkalkül verengte Rationalität ganz und gar lebensfeindlich ist und unverständige Haltungen hervorbringt.

Die perfekte Sackgasse, in die die modernistisch verirrte Zivilisation sich hineinmanövriert hat – mittels Artenschwund, permanenter Intoxikaton, Overkill, Übertechnisierung, bürokratischen Herrschaftsformen und Entmündigung durch perfekte Überwachungsstrukturen – belegt vielmehr eindrucksvoll, daß modernistische Dogmen erkennbar auf eine beschränkte Rationalität zurückgehen, daß sie nicht nur höchst „fallibel“ sind, sondern daß es sich bei ihnen um ein völlig lebensfernes ideologisches Konstrukt handelt, das untauglich ist, irgendeine Art von Dauer zuzulassen.

Antikapitalistische Attitüden

Auch linke Theorie steckt als ideologisches Konstrukt voller Paradoxien. Die geforderte und angekündigte Gleichheit der Gleichen hat ultra-autoritäre Herrschaftsformen hervorgebracht und formt bis heute den linksverirrten Modekonsumenten zu einer selbst paradoxen Erscheinung. Der Journalist Boris T. Kaiser schrieb in einer CD-Rezension:

Von ›Ton, Steine, Scherben‹ über ›WIZO‹ bis hin zu Pop-Punks wie den ›Ärzten‹ oder den ›Toten Hosen‹ hat es das skurril anmutende Phänomen gegeben, durch das Anprangern des Kapitalismus möglichst viele Tonträger verkaufen zu wollen.[1]

Beispiele

Siehe auch

Literatur

  • Johann Berger: Paradoxien aus Naturwissenschaft, Geschichte und Politik, Anaconda-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-938484-33-0
  • Gary Hayden / Michael Picard: Paradoxien. Von der Illusion bis zur Unendlichkeit: Vermeintliche Gegensätze, Verlag Librero IBP, Kerkdriel (Niederlande) 2016, ISBN 978-90-8998-488-3 [Originalausgabe 2013]

Fußnoten

  1. Boris T. Kaiser: KIZ – KITSCHLINKE IM ZERSTÖRERMODUS, Journalistenwatch.com, 15. Mai 2015