Existentialismus

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Der Existentialismus oder Existenzialismus ist ein — oft ungenau als philosophische Richtung bezeichnetes — Begriffskonstrukt, in welchem die Existenz an sich als sinnlos, unbeschreiblich und absurd beschrieben wird. Er ist als oberflächlich-trivial philosophierende Strömung vor allem in Frankreich entstanden, welches eine klare, beobachtende und systematische Philosophie, im Gegensatz zu Deutschland (→ Leibniz, Schopenhauer, Nietzsche), nur in der ersten Hälfte der Neuzeit mit René Descartes hervorgebracht hat, später aber wieder verlor.

Nationale Ausprägungen

Der typisch französische Stil in der Philosophie ist in jüngerer Zeit rhetorisch und impressionistisch, selbst französische Marxisten (die Stolz auf ihre „Rationalität“ und auf ihren logischen „Klassenstandpunkt“ sind), schreiben durchweg auffallend assoziativ.

Eine Grundaussage des Existentialismus' ist, daß die (nur menschliche!) Existenz einer sogenannten Essenz vorausgehe; daß der Mensch im Laufe seines Lebens dieses durch „freie“ Handlungen und Taten selbst ausprägen[1], und seine Persönlichkeit ausbilden könne. In diesem Handeln entwickele jeder Mensch dann seine „Essenz“ — das, was seinem Leben Sinn und Gehalt gebe.

Das existentialistische Konstrukt verwirft die Vorstellung, daß es einen (jüdisch-christlich-islamisch postulierten) Schöpfer-Gott gibt, der dem Menschen sein Wesen und seinen Wert mit ins Leben gibt und ihn dadurch prägt. Es will somit eine atheistische, allerdings auch zum Materialismus neigende Sichtweise des Lebens beschreiben, welche die Religion als Vertröstung und Verschleierung der wahren Existenz ansieht. Bekannte Vertreter des Existentialismus' sind Gabriel Marcel, Simone de Beauvoir, Albert Camus und Jean Paul Sartre; als ein Vorläufer dieser Haltung kann der christliche Existenzialismus Søren Kierkegaards gelten. Kierkegaard beschrieb als erster die christliche Entscheidung als „Sprung“ und als fatal risikobehaftete Sache – und Søren Kierkegaard unterscheidet sich (da er ein authentischer Christ war) deshalb fundamental von den gegenwärtigen BRD-Staatschristen in der Art einer Margot Käßmann oder eines Kardinals Rainer Maria Woelki.

Durch die radikale Betonung der Tat, stehen philosophische Existenzialisten den italienischen Futuristen (→ Filippo Tommaso Marinetti, 1. „futuristisches Manifest“, 1909) und damit den europäischen faschistischen Sammlungsbewegungen des 20. Jahrhunderts geistig sehr nahe. Auch etliche Autoren im Umfeld der Zeitschrift „Die Tat“ waren Existenzialisten, diese deutsche Monatszeitschrift für Politik und Kultur erschien ab 1909 in Jena. Im politischen Spektrum ist der französische Nachkriegs-Existenzialismus (oder Résistance-Existenzialismus) der 1940er und 1950er Jahre jedoch linksaußen beheimatet. Sowohl Sartre als auch Camus agitierten – zu verschiedenen Zeiten – kommunistisch, pazifistisch und in einem wirren Sinn „humanistisch“; Camus sogar ganz offen globalistisch.

Die definitorische Grenze

Die tatsächlichen kulturellen, philosophischen und politischen Impulse des Existenzialismus scheinen somit einer sauberen Definition völlig zu entgleiten, in der Frage, was denn „Existenzialismus“ überhaupt sei. Unbestritten bleibt aber wohl die Diagnose, daß die weithin als lebenswidriger Zwang empfundenen Herrschaftsformen des bürgerlichen Zeitalters vor 1914 zu – im eigentlichen Wortsinn – „existenzialistischen“ Gegenreaktionen motivierten. Dies gilt für die Lebensreformbewegung, für die Anthroposophie, für den Surrealismus, für die frühen Futuristen, es gilt für faschistische Kampfbünde, wie auch für radikal-pazifistische Eremiten und Einzelgänger.

Zitate

  • „Der atheistische Existentialismus, für den ich stehe, ist zusammenhängender. Er erklärt, daß, wenn Gott nicht existiert, es mindestens ein Wesen gibt, bei dem die Existenz der Essenz vorausgeht, ein Wesen, das existiert, bevor es durch irgendeinen Begriff definiert werden kann, und daß dieses Wesen der Mensch oder, wie Heidegger sagt, die menschliche Wirklichkeit ist. Was bedeutet hier, daß die Existenz der Essenz vorausgeht? Es bedeutet, daß der Mensch zuerst existiert, sich begegnet, in der Welt auftaucht und sich danach definiert.“Jean Paul Sartre, in: Der Existentialismus ist ein Humanismus

Siehe auch

Literatur

  • Sarah Bakewell: Das Café der Existenzialisten – Freiheit, Sein und Aprikosencocktails mit Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus, Martin Heidegger, Edmund Husserl, Karl Jaspers, Maurice Merleau-Ponty und anderen, aus dem Englischen von Rita Seuß; C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72479-4 [448 S.; zuerst bei Chatto & Windus, London 2016, unter dem Titel: At the Existentialist Café – Freedom, Being and Apricot Cocktails]

Fußnoten

  1. Der Mensch sei zur „zur Freiheit verdammt“ (Sartre)