Schillers Schädel

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Goethe bei Betrachtung von Schillers Schädel:
Geheim Gefäß! Orakelsprüche spendend,
Wie bin ich wert, dich in der Hand zu halten?

Der Verbleib von Friedrich Schillers Schädel ist bis heute ungelöst.

Friedrich Schillers Gebeine wurden zunächst im Kassengewölbe auf dem Jacobsfriedhof Weimar beigesetzt. 1826 sollten sie geborgen werden. Man konnte sie allerdings nicht mehr identifizieren. Daraufhin brachte man diejenigen Gebeine, die am ehesten in Frage kamen, in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Im Herbst 1826 entlieh sich Goethe von dort heimlich den Schädel. Nur seinen Freund Wilhelm von Humboldt weihte er ein, der es jedoch weitererzählte. Im Anblick des Schädels schrieb Goethe das Gedicht Bei Betrachtung von Schillers Schädel. Die sterblichen Überreste sollen am 16. Dezember 1827 in die Fürstengruft auf dem neuen Weimarer Friedhof überführt worden sein, wo später auch Goethe auf eigenen Wunsch „an Schillers Seite“ bestattet wurde. Heute ist bekannt, daß Schillers Leiche sich dort nicht befindet und Goethe somit auch nicht Schillers Schädel in den Händen gehalten haben kann.

Schwabe-Schädel und Froriep-Schädel

Zweifel an der Echtheit des Dichter-Hauptes zu Weimar gibt es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts, als der Hallenser Anatom Hermann Welcker 1883 behauptete, der 1826 vom Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe höchstpersönlich geborgene Schädel passe nicht zu den Totenmasken Schillers. 1911 wurde der Streit erneut befeuert, als der Tübinger Forscher August von Froriep erneut in die Armengruft des Kassengewölbes auf dem Jakobsfriedhof hinabstieg, alle 63 dort befindlichen Schädel barg und kurzerhand eines seiner Fundstücke zum echten Schiller-Schädel erklärte. Als Kompromiß wurde der Froriep-Schädel bald darauf in einem Extra-Sarg zum Schwabe-Schädel in die Fürstengruft gelegt - und in Weimar lagerten fortan gleich zwei Skelette, die Schiller zugeschrieben werden konnten. Jahrelang stritt man, welcher der richtige ist. Um dies zu klären, wurde die Aktion „Der Friedrich-Schiller-Code“ im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und der Klassik Stiftung Weimar durchgeführtes groß angelegtes Forschungsprojekt, in dessen Rahmen geklärt werden sollte, ob einer der beiden als Schillerschädel ausgezeichneten Totenköpfe in der Weimarer Fürstengruft wirklich zu Schiller gehört. So kam man im Frühjahr 2008 zum Ergebnis, daß keiner der beiden Schädel Schiller zugeordnet werden kann. Aufwendige DNS-Analysen der Gebeine von Schillers Schwestern und der Vergleich dieser DNS mit der aus den Zähnen der beiden Fürstengruftschädel gewonnenen DNS brachte dies zu Tage. Zeitgleich fand eine Gesichtsrekonstruktion an dem bisher als authentisch geltenden Schädel statt. Hier konnte das vermeintliche Gesicht Schillers rekonstruiert werden. Da die von zwei unabhängigen Laboren durchgeführten DNS-Analysen jedoch in ihrem Ergebnis als eindeutig gelten, wird dem Ergebnis der Gesichtsrekonstruktion keine Beachtung geschenkt. Das bisher in Schillers Sarg befindliche Skelett wurde ebenfalls untersucht, dessen Teile können mindestens drei verschiedenen Personen zugeordnet werden; die DNS der Schillerschädel stimmt nicht mit der DNS der Skeletteile überein. Die Klassik Stiftung Weimar hat sich entschlossen, Schillers Sarg leer in der Fürstengruft zu belassen. Nach Schillers wahrem Schädel soll von Seiten der Stiftung nicht gesucht werden. Wissenschaftler der Universität Freiburg haben die Suche nach dem echten Schädel nach umfangreichen Untersuchungen der Schädel-Sammlung der Eberhard Karls Universität Tübingen ergebnislos beendet.

Bei ihren Untersuchungen standen die Forscher immer wieder vor dem Rätsel, dass der nach seinem Entdecker benannte Schwabe-Schädel im Schiller-Sarg zwar eine verblüffende Ähnlichkeit mit Totenmasken, Büsten und Gemälden des Dichters hatte, jedoch nicht mit den DNS-Analysen übereinstimmte. Vergleiche mit genetischem Material von Verwandten und Nachkommen Schillers ergaben eindeutig, daß Schädel und Knochen von verschiedenen Toten, jedoch nicht von Schiller stammen.

Theorie über das Verschwinden

Wurde Schillers Schädel von Grabräubern gestohlen und das echte Relikt durch ein Double ersetzt? Auf diese Ungeheuerlichkeit deutet auch die Analyse des Gebisses des Schwabe-Schädels hin. Offenbar wurden Zähne im Kiefer des Schädels sehr fachmännisch ausgetauscht, damit das Zahnbild dem des Dichters ähnelt. Der Verdacht fällt auf den Anatom Franz Joseph Gall, einem fanatischen Schädel-Sammler, der glaubte, anhand der Schädelform die Eigenschaften des menschlichen Charakters bestimmen zu können. Schon kurz nach Schillers Tod 1805 reiste Gall nach Weimar, um dort vor Gelehrten Vorträge über seine Schädellehre zu halten. Er fand zu jener Zeit viele Anhänger und Jünger, die allesamt als Schädeljäger berüchtigt waren. Zu ihnen gehörte auch Ludwig Friedrich von Froriep, der Großvater des Anatomen August von Froriep, der 1911 die Echtheit des Fürstengruft-Schädels in Zweifel gezogen hatte. Froriep senior, so glaubt der Genealoge Jahn, habe "für einen Austausch des Schiller-Schädels durch einen Doppelgänger Zeit, Motiv und Gelegenheit gehabt." Irgendwann zwischen 1805 und 1826, vermutet Jahn im SPIEGEL, könnte Froriep den Kopf aus dem Kassengewölbe, wo Schiller ursprünglich begraben lag, entwendet und durch einen täuschend ähnlichen ersetzt haben. Auswahl müsste der Schädel-Fan genug gehabt haben: Seine Sammlung soll 1811 bereits 1500 Exponate umfaßt haben.

Quellen

Literatur

Verweise