Axel Möller / Schlußworte
Axel Möllers Schlußworte vom 24. Oktober 2011 vor dem Landgericht Rostock.
Wenn ich jetzt auf das Plädoyer meines Anwalts verzichte, so geschieht dies nicht, weil ich mit seiner bisherigen Arbeit unzufrieden bin oder Probleme mit seiner Person habe, sondern schlicht und einfach deshalb, weil ich ein solches Plädoyer in einem Verfahren, bei dem, wie wir wissen, der Ausgang bereits festgelegt ist, lediglich für eine überflüssige Scharade halte.
Ich danke ihm daher an dieser Stelle für seine Bemühungen und übernehme den Rest der Geschichte hier selbst. Ich ersuche das Gericht, diese meine Erklärung als, wenn Sie wollen, persönliches Plädoyer und letztes Wort von meiner Seite in einem zu nehmen.
Es ist nicht meine Absicht, das Gericht oder das Publikum mit ellenlangen Volksreden über verletzte Meinungsfreiheit oder dergleichen zu langweilen, indem ich mich auf grundgesetzliche Freiheiten berufe, von denen ich weiß, daß man sie Leuten meiner politischen Richtung entweder gar nicht oder erst nach langem und unwürdigem Gezänk durch alle möglichen Gerichtsinstanzen gewährt. So ist der Text der Anklageschrift meines Erachtens bereits Beleg genug dafür, was für Absurditäten und Lächerlichkeiten man für notwendig hält, um mich wenigstens zeitweise mal aus dem Verkehr zu ziehen.
Ich hätte der Staatsanwaltschaft gewünscht, daß sie wenigstens einige ernsthafte Gründe für meine zeitweilige Entfernung aus der Gesellschaft gefunden hätte, statt solch ein kleinliches Sammelsurium aus Witzlosigkeit, geistiger Schlichtheit und naiver Niedertracht.
Ich möchte daher lediglich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bekräftigen, was in meinem von Rechtsanwalt Blume verlesenen „Geständnis“ meines Erachtens doch vielleicht etwas zu beiläufig und unzureichend herüber kam, nämlich, daß es unter den mir vorgeworfenen Anklagepunkten nicht einen einzigen Artikel gibt, den ich im Nachhinein bedauern oder gar ändern würde – und zwar noch nicht einmal, wenn man mir diesbezüglich Strafnachlaß versprechen würde.
Alles, was ich geschrieben habe und weswegen man mich hier anklagt, ist, soweit es meine Artikel betrifft, auch so gemeint, wie es geschrieben wurde.
Was die Kommentare betrifft, so muß ich eingestehen, daß die bei ihrer Freischaltung von mir gewährte und vielleicht allzu generell und nachsichtig gehandhabte Meinungsfreiheit, die, das sollte an dieser Stelle auch nicht vergessen werden, auch politische Gegner mit einschloß, im Nachhinein gesehen möglicherweise ein Fehler war.
Ungeachtet dessen bedaure ich sie nicht, auch wenn sie sich in diesem Fall zu meinem Nachteil auswirkt, indem ich nun dadurch zusätzlich für Anklagepunkte bestraft werde, für deren Inhalte ich im Grunde nicht verantwortlich bin.
Ich möchte jedoch dazu feststellen, daß ich nach wie vor der Ansicht bin, daß eine Meinung, nur weil sie vielleicht von mir oder Anderen als dumm oder falsch empfunden wird, keinen Anlaß dazu bietet, willkürlich unterdrückt zu werden.
Ich stelle daher fest, daß ich mich auch in diesem Fall heute nicht anders verhalten würde, als ich es damals getan habe, als ich diese Kommentare freischaltete.
Dies umso mehr, da ich an den mir vorgeworfenen Kommentaren nichts entdecken kann, was in irgendeiner Weise strafwürdig wäre.
Vielmehr hat mich gerade der erste Prozeßtag dahingehend belehrt, daß es hierzulande offenbar opportuner ist, Gewalt- oder Morddrohungen an öffentliche Gebäude, wie beispielsweise das hiesige Landgericht, zu schmieren, da man dann augenscheinlich sicher sein kann, daß weder Medien noch Gericht offiziell davon Kenntnis nehmen und solche Dinge im Sande verlaufen lassen.
Denkbar aber auch, daß man hier öffentliche Gewalt- oder Morddrohungen gegen meine Person aus politischen Gründen augenscheinlich für weniger wichtig einstuft, als eingebildete Morddrohungen gegenüber Staatsanwälten oder anderen Zeitgenossen von irgendwelchen übermütigen Schwätzern in den Kommentarspalten von Altermedia.
Ich möchte hierzu feststellen, daß, wenn ich das Bedürfnis hätte, irgendwelche Staatsanwälte oder sonstige politische Gegner von mir tot sehen zu wollen, es mir nicht an Möglichkeiten fehlen würde, diesen Wunsch auch in die Tat umzusetzen. Wenn ich von solchen Taten absehe, so geschieht das nicht, weil ich diesbezüglich unter Skrupeln leide, sondern ganz einfach deshalb, weil solche Zeitgenossen mit ihrer von Jahr zu Jahr dümmer und kleinlicher werdenden Repressionspolitik in Deutschland meinen politischen Interessen unabsichtlich entgegenkommen, indem sie selber an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.
Es ist daher nur schwer für mich einsehbar, warum ich solche Kontrahenten beseitigen oder beseitigen lassen sollte, nur weil diese sich in ihrer Dummheit selber zum Narren machen. Abgesehen davon möchte ich glauben, daß auch ein politisch so voreingenommenes Gericht mich nicht für so dumm einschätzt, daß ich derartige Dinge ausgerechnet in irgendwelchen virtuellen Kommentarspalten ankündigen oder gar diskutieren würde. Es liegt durchaus nicht in meinem Bestreben, die Narrheit solcher Figuren durch ein unverdientes Märtyrertum zu adeln.
In den Medien, wie auch im Publikum, gab es nach dem letzten Prozeßtag einige Irritationen darüber, weshalb sich die Angeklagten auf einen „Deal“ mit dem Gericht eingelassen haben.
Für mich allein sprechend erkläre ich dazu, daß es von meiner Seite zu keinem Zeitpunkt des Prozesses in Frage kam, auch nur eine der mir vorgeworfenen Taten in Abrede zu stellen, so daß ich in dem mir vom Gericht abverlangten „Geständnis“, wie eingangs bereits geschildert, weniger ein „Geständnis“ sehe, sondern vielmehr ein Bekenntnis und – das darf ich Ihnen sagen – sogar noch ein sehr stolzes dazu.
So habe ich in den mir zur Last gelegten Artikeln lediglich die Dinge so beschrieben, wie sie sind und nicht, wie manche Zeitgenossen sie gern hätten.
Abgesehen davon wurde ich in meinen bisherigen Gerichtsverfahren und ganz besonders im letzten Berufungsverfahren vor dem Landgericht Stralsund vom dortigen Landrichter dahingehend belehrt, daß es vollkommen unerheblich ist, ob oder was ich zu meiner Verteidigung sage, da das Urteil in jedem Fall feststeht. – Wozu also Zeit mit Nichtigkeiten verschwenden, um etwas hinauszuschieben, was so oder so unumgänglich ist?
Ich habe, als ich mit meiner publizistischen Tätigkeit begann, von Anfang an gewußt, worauf ich mich einlasse und wohin mich dieser Weg führen würde. Warum sollte ich daher diese Geschichte hier durch juristische Finten, die mindestens ebenso von kleinlicher Natur zeugen würden, wie die mir gegenüber erhobenen Anklagepunkte, künstlich in die Länge ziehen? Dazu besteht von meiner Seite aus kein Anlaß.
Statt dessen stehe ich auf dem Standpunkt, daß ein wirklich freier Mann bereit sein muß, gegebenenfalls zu seinen Taten zu stehen, auch wenn dies für ihn unangenehme Folgen haben könnte. Es macht mir keine Probleme, für meine Meinung notfalls über Jahre ins Gefängnis zu gehen, bin ich doch überzeugt davon, daß der Tag kommen wird, an dem die Lächerlichkeit der mir und meinem Mitangeklagten gegenüber erhobenen Anklage auf ihre Urheber zurückfallen wird.
Es ist nun dem Gericht überlassen, mich entweder in weiser Erkenntnis der Nichtigkeit der Anklagepunkte gegenüber meiner Person freizusprechen, um mir auf diese Weise einen Gefallen zu tun, oder aber mich seinem staatlichen Auftrag getreu auf einige Jahre hin einzusperren, um mir dadurch die Ehre zu erweisen, persönlich den Beweis anzutreten, daß Axel Möller kein Mann ist, der im Internet aus sicherer Entfernung wohlfeile Allerweltsartikel schreibt, die von ihm schnell vergessen sind, wenn ihm der Wind mal ins Gesicht bläst, sondern durchaus ein Mann ist, der bereit ist, die darin vertretene Weltanschauung mit seiner Freiheit und – das darf ich Ihnen versichern – wenn es sein muß, auch mit seinem Leben zu bezahlen.
In Zeiten wie diesen ziehe ich allerdings die Ehre einem bloßen Gefallen vor, verfügen Sie daher über mich, wie es Ihnen beliebt.
Ich möchte Ihnen jedoch zum Abschluß dieser Erklärung noch versichern, daß ich meinen Kampf gegen Ihr politisches System fortzusetzen gedenke, ganz gleich wo ich mich in Zukunft auch befinden mag, sei es nun auf der Straße, im Betrieb, am Computer – oder aber in der einsamen Tristesse einer Gefängniszelle, in deren Innern ich immer noch freier sein werde, als Sie es hier draußen sind, weil ich weiß, daß wahre Freiheit nicht von äußerlichen Unterbringungsumständen abhängig ist, sondern von der inneren Einstellung.
Als politischer Überzeugungstäter weise ich jeden mildernden Umstand für meine Person mit Verachtung zurück, da ich mich in jeder Hinsicht im Recht sehe und nicht die Absicht habe, mit Leuten wie Ihnen um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu feilschen.
Wenn ich seit 1989 etwas gelernt habe, dann, daß man auch in einer Demokratie wie dieser die Freiheit des Wortes nicht geschenkt bekommt, sondern man sie sich schon dort nehmen muß, wo man Gelegenheit dazu findet. Ich hab dies mehr als zwölf Jahre nahezu tagtäglich tun können, indem ich die Ehre hatte, an Projekten teilhaben zu dürfen, die es, im Gegensatz zu den landläufigen Medien, trotz vorgefaßter weltanschaulicher Ausrichtung, nie versäumten, auch dem politischen Gegner zu erlauben, seine Argumente in vollstem Umfang loszuwerden.
Dies umso mehr, da ich der Ansicht bin, daß meine Weltanschauung stark genug ist, auch Ansichten und Meinungen auszuhalten, die nicht meiner Überzeugung entsprechen.
Solch lange Freiheit ohne Gängelung und Zensur hat natürlich ihren Preis und ich bin froh und in gewisser Hinsicht meinem Geschick auch dankbar, ihn heute abzahlen zu dürfen, indem ich die Gelegenheit wahrnehme, mich auch öffentlich zu meinen Gedanken zu bekennen, sehe ich doch die Strafe, die Sie binnen kurzem über mich verhängen werden, weniger als Strafe an, sondern eher als eine Art von etwas anderem Pulitzer-Preis.
Ich möchte dieses „Plädoyer“ mit einem Vers des von mir persönlich sehr geschätzten deutschen Dichters und Literaturhistorikers Adolf Bartels beenden. Ein Vers, der meines Erachtens, obwohl bereits im Jahre 1912 geschrieben, den gegenwärtigen Zustand der Demokratie in Deutschland in hervorragender Weise beschreibt:
- Freiheit gleicht dem Sonnenschein,
- für den frisches Laub der Dank ist.
- Doch was nützt dem Baum die Sonne,
- wenn die tiefste Wurzel krank ist.
Ich danke dem Gericht für seine Aufmerksamkeit und stehe nunmehr mit meiner Person voll und ganz zu seiner Verfügung, ganz gleich wie der bevorstehende Richterspruch auch ausfallen mag.
Filmbeitrag