Ursprung (Ausgangspunkt)
Artikel aus dem staatspolitischen Handbuch
Folgender Text stammt aus dem Staatspolitischen Handbuch, Band 1: Begriffe. |
Ursprung soll hier einen anfänglichen Zustand bezeichnen, der als besonders rein, stark und unbeschädigt betrachtet wird, etwa wie das Paradies im biblischen Verständnis. Die Sehnsucht nach einem derartigen U. ist in der Hoffnung der Menschheit sehr tief verwurzelt und hat immer wieder Bewegungen, vor allem religiöser Natur, entstehen lassen, die in den U. zurückkehren wollten. Derartige »nativistische« Impulse hatten oft auch eine politische Komponente, in der Geschichte der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ketzerei gibt es zahlreiche Hinweise auf Gruppen, die sich nicht damit begnügten, ein irdisches Paradies zu ersehnen, sondern aktive Schritte , nicht zuletzt militärischer Art, unternahmen, um dahin zu gelangen. Diese Tradition reicht bis zu den Radikalen des englischen Bürgerkriegs, danach verliert sich das religiöse Element nach und nach, während gleichzeitig die politische Linke das Erbe des religiösen Nativismus antritt. Das hatte auch mit der Annahme eines idyllischen vorgeschichtlichen Naturzustands bei einigen Aufklärern zu tun, so daß die konservative Kritik an diesem Punkt ansetzte und derartige Ursprungsideen für abwegig, weil mit der geschichtlichen Erfahrung unvereinbar erklärte. Ganz konsequent war die Haltung allerdings nicht, da die Rechte ihrerseits eine starke Neigung hatte und hat, den historischen Prozeß als Verfall (Dekadenz) anzusehen und insofern annehmen muß, daß die Verhältnisse an dessen Anfang besser waren als in der Gegenwart. Zwar stand dabei die Auffassung im Vordergrund, daß die Geschichte einen alternierenden Verlauf nehme, bei dem Zeiten der Blüte und Zeiten des Niedergangs wechselten, aber die Bewunderung galt doch regelmäßig der Vergangenheit, insbesondere jenen Zeiten, in denen die Heroen und Stifter die entscheidenden Gründungsakte für das Gemeinwesen vollzogen. Allgemeiner könnte man von dem Bedürfnis sprechen, an den U. anzuschließen, um wenigstens einen Teil der Kraft wiederzuerlangen, die einmal vorhanden gewesen war. Kann man diese Anschauung als Normalfall im Zusammenhang rechter Weltanschauung werten, muß man die Lehre der »traditionalistischen« Minderheit als Ausnahme betrachten. Die traditionalistische Schule, wie sie vor allem durch René Guénon und Julius Evola vertreten wurde, proklamierte einen »antigeschichtlichen« Standpunkt, der mit der Behauptung arbeitete, es habe am U. ein Goldenes Zeitalter gegeben, das durch das Geschichtlich-Werden zerstört wurde. Zwar sei eine Rückkehr unmöglich, aber alle Beurteilungsmaßstäbe müsse man doch aus der Zeit vor der Zeit empfangen und eine entsprechend scharfe Absage an die Moderne formulieren. Eine Vorstellung, die ihren Anhalt auch an den Forschungen der modernen Religionswissenschaft fand, die immer betonte, daß die mythische Existenz (Mythos) von der Sehnsucht nach ille tempore, der Zeit der Götter, in der es keine Veränderung gab, geprägt wird. |
Zitate
- „Warum denn aber, wird man wohl fragen, soll die geschichtliche Entfaltung sich in absteigendem Sinne, vom Obern zum Untern hin, vollziehn, ganz offensichtlich gerade im Widerspruch also zum Gedanken des »Fortschritts« nach heutiger Auffassung? Nun, weil die Entfaltung jeglicher Kundgebung notwendigerweise eine immer größer werdende Entfernung von ihrer Quelle in sich schließt.“ - René Guénon
- „Jede Kultur enthält ein zersetzendes Element: sie löst die alten Ordnungen auf, oft genug ohne daß sie imstande wäre, neue dauerhafte zu schaffen, die alte Zucht und Sitte, Gemeinsinn und Widerstandskraft schwinden, die Genüsse, die sie bietet, wirken psychisch und physisch entnervend.“ - Eduard Meyer
Literatur
- Julius Evola: Revolte gegen die moderne Welt [1934], zuletzt Engerda 2002;
- René Guénon: Die Krisis der Neuzeit [1927], Köln 1950