Hauptmann, Bruno Richard
Bruno Richard Hauptmann ( 26. November 1899 in Kamenz, Sachsen; 3. April 1936 in Trenton, New Jersey) war ein deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg[1] und ein deutscher Auswanderer, der in den Vereinigten Staaten von Amerika wegen der Entführung und der Ermordung von Charles Lindberghs Sohn Charles Lindbergh III zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.[2]
Inhaltsverzeichnis
Leben
Im Oktober 1925 heirateten der illegal in die VSA eingereiste Hauptmann und die deutsche Immigrantin Anna Schöffler. Die beiden hatten eine Wohnung in der Bronx. Hauptmann arbeitete als Tischler, seine Frau in einer Bäckerei.
Kindesentführung
Am Abend des 1. März 1932 wurde in Hopewell, New Jersey der Sohn von Charles Lindbergh entführt. Obwohl die Familie und das Personal im Hause waren, bemerkte niemand, daß jemand eine Leiter an eine Hauswand am Südwestflügel gelehnt hatte und hinauf in das Kinderzimmer geklettert war, in dem seit etwa einer Stunde der kleine Charles in seinem Gitterbettchen schlief. Der unerwünschte Besucher holte sich den Jungen, stieg mit ihm die Leiter hinunter und verschwand. Eine unvorstellbare Tragödie nahm ihren Lauf.
Am Fenster zurück blieb ein Brief mit einer Lösegeldforderung - gerichtet an den Vater des Kindes, Charles Lindbergh, den bekannten Flugpionier. Seit er als 25-Jähriger 1927 nach einem Nonstop-Alleinflug aus New York kommend in Paris gelandet war, galt er als Held - nicht nur in Amerika. Lindbergh bezahlte die Forderung von 50.000 Dollar, doch seinen Sohn sah er nicht wieder. Ein Lastwagenfahrer fand die Kinderleiche sechs Wochen später ca. drei Kilometer vom Elternhaus entfernt am Straßenrand. Laut Gerichtsakten starb das Kind noch in der Nacht der Entführung. Es gab keine gerichtsmedizinische Autopsie und zur Überraschung aller, ordnete Charles Lindbergh die sofortige Einäscherung des Leichnams an. Der Entführungs- und Mordfall schockierte ganz Amerika. Zeitungen forderten, Kindesentführer mit dem Tode zu bestrafen. Der Kongreß gab der öffentlichen Meinung nach und erklärte Kidnapping zum „Bundesdelikt“. Die Ermittlungen übernahm das Bureau of Investigation, das spätere FBI.
Anklage und Verhandlung
Zweieinhalb Jahre nach der Entführung verhaftete die Polizei einen Verdächtigen. Er wurde angeklagt und verurteilt: schuldig des Mordes an Charles Lindbergh Jr. Der Mann war aufgefallen, nachdem er an einer Tankstelle in der New Yorker Bronx mit einem Zehn-Dollar-Goldzertifikat bezahlt hatte - ungewöhnlich, seit die Roosevelt-Regierung alle privaten Goldbestände einsammelte und Händler aufgefordert waren, Kunden zu melden, die noch über solche Mittel verfügten. Der registrierte Schein, so stellte sich heraus, stammte aus der Lösegeldzahlung der Lindbergh-Entführung.
Dr. John F. Condon, der designierte Vermittler, identifizierte in dem nach Flemington verlegten Prozeß Hauptmann als den Mann, dem er das Lösegeld übergeben hatte. Es wurde nachgewiesen, daß eine bei der Entführung benutzte Leiter aus Holz in Hauptmanns Tischlerwerkstatt angefertigt worden war. Außerdem sagten zwei Zeugen gegen ihn aus. Jedoch bestand Hauptmann auf seiner Unschuld und behauptete, daß er das Geld von Isidor Fisch, einem aus Deutschland eingewanderten Juden[3] sowie Freund und Geschäftspartner von Hauptmann, bekommen habe. Andere Beweisstücke wurden als Fälschungen enttarnt. Wie sich herausstellte, wurde Hauptmann von der Polizei geschlagen und die Zeugen eingeschüchtert. Auch wurde der Hinweis auf Isidor Fisch, der am 6. Dezember 1933 nach einer Abschiedsfeier (auf dieser Feier am 5. Dezember will Hauptmann den Schuhkarton mit Geld von Fisch erhalten haben, den er bis zu dessen Rückkehr aufbewahren sollte. Hauptmann gab an, vorerst nichts von Inhalt gewußt zu haben.) nach Deutschland gereist war, nicht weiter verfolgt, obwohl dieser seine Fahrkarte mit Goldzertifikat-Noten bezahlt hatte. Fisch starb in Armut im März 1934 in Leipzig an Tuberkulose.
Die Presse war gegen Hauptmann eingestellt und verwendete Hauptmanns abgelegten Vornamen Bruno, da er fremdartiger klang. Er wurde als böser Deutscher bzw. Ausländer dargestellt. Ein Reporter gestand, ein bedeutendes Beweisstück der Anklage selbst gefälscht zu haben. Am Kleiderschrank von Hauptmann wurde die aufgekritzelte Telephonnummer des Vermittlers Condon gefunden. Es gab Mitglieder der Jury, die später behaupteten, daß es dieser eine Beweis war, der zum Schuldspruch führte. Jahre nach dem Urteil gestand ein Journalist, der Zutritt durch Polizisten-Bestechung zur Wohnung von Hauptmann erhielt, die Telephonnummer selbst mit Bleistift notiert zu haben, um dann darüber berichten zu können. Ebenfalls wichtig für das spätere Urteil war die Aussage Oberst Lindberghs. Dieser wollte drei Jahre nach der Tat in der Stimme Hauptmanns die des seinerzeitigen Anrufers erkannt haben. Lindberghs Behauptung wurde bereits damals in Fachkreisen stark kritisiert; heute ist eine solche Erinnerungsleistung absolut auszuschließen. Sonderbar bleibt die Tatsache, daß Charles Lindbergh während der Verhandlung sich nicht daran erinnern konnte, wo er am Tag und Abend der Entführung aufgehalten hatte. Im Luxushotel „Waldorf Astoria“ warteten am selben Abend 2.000 geladene Gäste auf ihn, Oberst Lindbergh ist jedoch nicht erschienen und war nicht zu erreichen.[4] Hauptmann wurde trotz Zweifeln und Unstimmigkeiten von der Jury für schuldig gesprochen und vom vorsitzenden Richter zum Tode verurteilt.
Am 16. Oktober 1935 besuchte der Gouverneur von New Jersey, Harold G. Hoffman, mit der deutschsprachigen Stenografin Anna Badging den Häftling Hauptmann in der Todeszelle. Hoffman wies auf Fehler bei dem Verfahren hin und versuchte die Mitglieder des Gerichtes davon zu überzeugen, daß auch sie Hauptmann im Gefängnis besuchen sollten.[5] Die Hinrichtung war für den 17. Januar 1936 angesetzt. Nach dreimaligem Aufschub und Ablehnung eines Begnadigungsantrags wurde das Todesurteil am 3. April 1936 vollstreckt. Gegen 20.45 Uhr wurde Bruno Richard Hauptmann im Staatsgefängnis in Trenton, New Jersey durch den Elektrischen Stuhl hingerichtet. Der Tod wurde um 20.47 Uhr festgestellt.
Neue Beweise
Seit dem Entführungsfall gab es unzählige Versuche, den möglichen Ablauf einschließlich Täter zu rekonstruieren. Verschiedene Entführer wurden präsentiert, aber auch der Verdacht, daß das Kind einen Unfalltod im Haus der Familie erlitt und die Entführung daraufhin getürkt wurde, spielt bei den Abhandlungen eine Rolle. Zahlreiche Menschen haben sich inzwischen als das „echte Lindbergh-Kind“ ausgegeben, DNS-Untersuchungen konnten den Schwindel jedoch stets entlarven.
„Crime of the Century“ (Verbrechen des Jahrhunderts) schrieb die Presse damals. 80 Jahre später ist in den USA noch immer von einem Jahrhundertverbrechen die Rede. Doch der Inhalt hat sich gewandelt: Mit „Crime of the Century“ meinen Kritiker heute das Urteil und die Hinrichtung des Angeklagten: Bruno Richard Hauptmann, ein illegal aus Deutschland eingewanderter Zimmermann, geboren 1899 in der sächsischen Kleinstadt Kamenz.[6]
Heutzutage glauben auch renommierte Rechtsexperten und Publizisten, daß der Prozeß des Jahrhunderts mit einem Justizirrtum endete. Zu diesem Schluß kamen sie, nachdem der Staat New Jersey in den 80er Jahren an die 100.000 Blatt Prozeßakten freigab, die das Verfahren gegen Hauptmann im Nachhinein als äußerst fragwürdig erscheinen ließen.
Hauptmann, so meint Journalist Anthony Scaduto vom „New York Magazine“, sei zum Sündenbock gemacht worden, weil nach der vergeblichen Suche die „Frustration der Polizei“ und die allgemeine Obsession übermächtig geworden seien, „endlich denjenigen zu bestrafen, der ein solches Verbrechen am Sohn des Helden Lindbergh begangen hatte“. Ein derart gemeines Verbrechen konnte nicht ungesühnt bleiben.
Hauptmanns Frau Anna strebte 1982[7], 1986 und 1990 weitere Gerichtsverfahren an, um die Unschuld ihres Ehemannes zu belegen[8], dennoch wurden alle Verfahrensersuchen vom Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court) abgelehnt. Anna Hauptmann starb im Beisein ihres Sohnes Manfred Richard Hauptmann und dessen Familie am 10. Oktober 1994.
Literatur
- Bruno Richard Hauptmann: Ich bin unschuldig! Ein Bekenntnis in der Todeszelle. Ebert, Kamenz in Sachsen (1936)
- Odette Künstler: „Mutter, ich bin unschuldig!“ Die Geschichte eines Jahrhundertverbrechens. In: Sächsische Heimatblätter. Vol. 57, Nr. 3, 2011, S. 316–319.
- Anthony Scaduto: Scapegoat: The Lonesome Death of Bruno Richard Hauptmann, Putnam Pub Group (1976), ISBN 978-0399116605
- Sidney B. Whipple: Trial of Bruno Richard Hauptmann, NOTABLE TRIALS LIBRARY (1989), ISBN 978-1111371418
Verweise
- Umerziehungsliteratur: ArtikelEiner der berühmtesten Kriminalfalle des Jahrhunderts muß womöglich neu bewertet werden., Der Spiegel, 13. Dezember 1976
- Jahrhundertprozess oder Justizirrtum?
- „Chicago Daily Tribune“ vom 22. September 1934
- The Lindbergh Kidnapping Hoax