Erbgesundheitsgericht
Die Erbgesundheitsgerichte wurden im Deutschen Reich durch das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 eingeführt. Auf Antrag entschieden die Dienststellen über die Indikation von Sterilisationen und Abtreibungen insbesondere bei Vorliegen schwerer Erbkrankheiten.
Inhaltsverzeichnis
Verfahren vor den Erbgesundheitsgerichten
Das Erbgesundheitsgericht wurde auf Antrag des „Unfruchtbarzumachenden“, seines Pflegers oder – mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts – seines gesetzlichen Vertreters tätig (§ 2). Zur Antragstellung waren – gesetzessystematisch nachrangig, in der Praxis allerdings in erster Linie – auch beamtete Ärzte sowie bei Insassen einer Kranken-, Heil-, Pflege- oder Strafanstalt auch der Anstaltsleiter berechtigt (§ 3).
Organisatorisch war das Erbgesundheitsgericht den Amtsgerichten angegliedert. Es mußte mit einem Amtsrichter als Vorsitzenden, einem beamteten Arzt und einem weiteren für das Deutsche Reich approbierten Arzt besetzt sein, der mit der „Erbgesundheitslehre besonders vertraut“ zu sein hatte (§ 6 Abs. 1). Für die Zuständigkeit des Gerichts war der allgemeine Gerichtsstand des „Unfruchtbarzumachenden“ entscheidend (§ 5). Die Öffentlichkeit war bei den Verfahren der Erbgesundheitsgerichte nicht zugelassen (§ 7 Abs. 1).
Für das Verfahren vor den Erbgesundheitsgerichten galt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 7 Abs. 2). Das Gericht entschied nach freier Überzeugung mit Stimmenmehrheit aufgrund mündlicher Beratung (§ 8).
Rechtsmittelgericht für die Beschlüsse des Erbgesundheitsgerichts war das bei den Oberlandesgerichten zu bildende Erbgesundheitsobergericht. Es entschied verbindlich (§ 10 Abs. 3) über die Beschwerden des Antragstellers, des beamteten Arztes oder des „Unfruchtbarzumachenden“ (§ 9). In dieser Hinsicht lag also niemals eine Zerstörung des damaligen rechtsstaatlichen Systems vor.
Eine weitere Zuständigkeit bestand für Beschwerden bezüglich der Versagung eines Ehetauglichkeitszeugnisses.
Aufhebung der Gerichtsbeschlüsse (1998) und Ächtung des Gesetzes (2007)
Die BRD hat durch entsprechende Vorschriften[1] sämtliche Beschlüsse der Erbgesundheitsgerichte, die eine Unfruchtbarmachung anordneten, aufgehoben. Der BRD-Bundestag hat in seiner Sitzung am 24. Mai 2007 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 geächtet und somit zukünftige Geburten von schwer geistig und schwer körperlich Behinderten ermuntert.