Gesetz wider das Christenthum
„Gesetz wider das Christenthum“ ist ein Text aus dem Nachlaß des Philosophen Friedrich Nietzsche. Er ist auf den 30. September 1888 („der falschen Zeitrechnung“ – gemeint ist die christliche Zeitrechnung –) datiert und mit „Der Antichrist“ unterschrieben. 72 Jahre, bis 1961, hielten die Verwalter der Werke des Denkers die Seite unter Verschluß, in manchen Nietzsche-Ausgaben fehlt der Text bis heute.[1]
Erläuterung
In dem Text werden in sieben Sätzen Maßregeln gegen das Christentum und dessen „Widernatur“ erlassen. Daß der Text von Nietzsche zumindest zeitweilig unter dem Titel Gesetz wider das Christenthum nach dem 62. Abschnitt in seinem Werk „Der Antichrist“ vorgesehen war, steht außer Frage. Warum dies schließlich nicht vollzogen wurde, ist unbekannt geblieben, ungeklärt oder wird nicht bekanntgegeben.
Möglicherweise war das Gesetz wider das Christenthum lange Zeit nur Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche und seinem Freund Heinrich Köselitz (Pseudonym: Peter Gast) bekannt und wurde späteren Herausgebern bis 1932 vorenthalten. Nach dem Fund 1932 wurde der Text aber erst 1960 von Erich Podach, der die Manuskripte in Weimar[2] durchsah, der Schrift „Der Antichrist“ zugeordnet und 1961 veröffentlicht. In der heute gängigen, 1967 begonnenen Kritischen Gesamtausgabe / Kritischen Studienausgabe hat der Herausgeber Mazzino Montinari das Gesetz ans Ende des „Antichrist“ gesetzt, allerdings in kleinerem Druck, um auf diese Unklarheit hinzuweisen.
Gegeben am Tage des Heils, am ersten Tage des Jahres Eins (– am 30. September 1888 der falschen Zeitrechnung)[3]
Todkrieg gegen das Laster: das Laster ist das Christenthum.
Erster Satz. — Lasterhaft ist jede Art Widernatur. Die lasterhafteste Art Mensch ist der Priester: er lehrt die Widernatur. Gegen den Priester hat man nicht Gründe, man hat das Zuchthaus.
Zweiter Satz. — Jede Theilnahme an einem Gottesdienste ist ein Attentat auf die öffentliche Sittlichkeit. Man soll härter gegen Protestanten als gegen Katholiken sein, härter gegen liberale Protestanten als gegen strenggläubige. Das Verbrecherische im Christ-sein nimmt in dem Maasse zu, als man sich der Wissenschaft nähert. Der Verbrecher der Verbrecher ist folglich der Philosoph.
Dritter Satz. — Die fluchwürdige Stätte, auf der das Christenthum seine Basilisken-Eier gebrütet hat, soll dem Erdboden gleich gemacht werden und als verruchte Stelle der Erde der Schrecken aller Nachwelt sein. Man soll giftige Schlangen auf ihr züchten.[4]
Vierter Satz. — Die Predigt der Keuschheit ist eine öffentliche Aufreizung zur Widernatur. Jede Verachtung des geschlechtlichen Lebens, jede Verunreinigung desselben durch den Begriff „unrein“ ist die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist des Lebens.
Fünfter Satz. — Mit einem Priester an Einem Tisch essen stößt aus: man excommunicirt sich damit aus der rechtschaffnen Gesellschaft. Der Priester ist unser Tschandala,[5] – man soll ihn verfehmen, aushungern, in jede Art Wüste treiben.
Sechster Satz. — Man soll die „heilige“ Geschichte mit dem Namen nennen, den sie verdient, als verfluchte Geschichte; man soll die Worte „Gott“, „Heiland“, „Erlöser“, „Heiliger“ zu Schimpfworten, zu Verbrecher-Abzeichen benutzen.
Siebenter Satz. — Der Rest folgt daraus.
Der Antichrist
Siehe auch
- „Der Antichrist“
- Römisch-katholische Kirche
- Karlheinz Deschner
- „Die Überwindung des Christentums“ (Quellentext)