Deschner, Karlheinz

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Karlheinz Deschner im Jahr 2007

Karl Heinrich Leopold „Karlheinz“ Deschner (Lebensrune.png 23. Mai 1924 in Bamberg; Todesrune.png 8. April 2014 in Haßfurt) war ein deutscher Schriftsteller und Privatgelehrter, der vor allem als Religions- und Kirchenkritiker breite Wirkung erlangte. Zu seinen meistgelesenen Werken zählen „Abermals krähte der Hahn“ (1962) und die berühmte, zehn Bände umfassende „Kriminalgeschichte des Christentums“, die 1986 begonnen und 2013 abgeschlossen wurde.

Leben

Jugend und Beginn der publizistischen Laufbahn

Karlheinz Deschner wuchs als Sohn eines katholischen Vaters und einer später zur katholischen Kirche konvertierten protestantischen Mutter auf. Zur damaligen Zeit wurde eine solche Eheschließung noch als „Mischehe“ bezeichnet und traf bei der katholischen Geistlichkeit – und zwar keineswegs nur in dörflichen Milieus – auf ernste Mißbilligung. Karlheinz Deschner besuchte die Grundschule in Trossenfurt, dann das Franziskaner-Seminar in Dettelbach (währenddessen er zeitweise im Franziskanerkloster logierte) und zuletzt das Gymnasium als Internatsschüler bei Karmelitern und Englischen Fräulein in Bamberg, wo er 1942 das Abitur ablegte.

Nach seinem Militärdienst in dem von England 1939 entfesselten europäischen Krieg, der durch den Eintritt der VSA zum Weltkrieg wurde, und dem dadurch herbeigeführten deutschen Zusammenbruch 1945 studierte er dann 1946/47 an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Bamberg, schließlich von 1947 bis 1951 an der Universität Würzburg. Er hörte unter anderem Vorlesungen über Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaften, Philosophie, Theologie und Geschichte. 1951 wurde er mit der Arbeit „Lenaus metaphysische Verzweiflung und ihr lyrischer Ausdruck“ promoviert.

Er heiratete 1951 seine Lebensgefährtin, die geschiedene Elfi Tuch. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Katja, Bärbel und der 1984 verstorbene Thomas hervor. Karlheinz Deschner lebte seit vielen Jahren in Haßfurt am Main, einer Kleinstadt im ländlichen Unterfranken. Die katholische Kirche stellte öffentlich die Exkommunikation des Ehepaars wegen ihrer ungültigen Verbindung fest (diese wurde vom damaligen Bischof von Würzburg Julius Döpfner ausgesprochen). Deschner hatte bis dahin nichts Kirchenkritisches oder Religionskritisches publiziert. Dieses Ereignis muß jedoch als tief nachwirkender persönlicher Schock verstanden werden. Deschner betrieb Anfang der 1950er Jahre vorrangig literarische Studien. Friedrich Nietzsche, Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer prägten sein Denken. Im Jahr 1956 veröffentlichte er im Alter von 32 Jahren den Roman „Die Nacht steht um mein Haus“, sein erstes Buch.

Der Anfang der Religionskritik

Im Folgejahr präsentierte Karlheinz Deschner das Buch „Was halten Sie vom Christentum? 18 Antworten auf eine Umfrage“ (1957), in dem er Beiträge von Zeitgenossen wie Hermann Kesten, Heinrich Böll, Arno Schmidt, Max Brod, Arnold Zweig, Hans Urs von Balthasar, Ludwig Marcuse, Robert Neumann und anderen einleitete, und das als sein erstes kirchenkritisches Werk gilt. Den recht holprigen bzw. diffusen Titel „Was halten Sie vom Christentum?“ nahmen einige (namentlich christliche) Beiträger zum Anlaß für Repliken im Buch selber. Ob Intellektuelle und Künstler beispielsweise den Zweiten Weltkrieg als normative Krise des christlichen Glaubens generell sehen (immerhin haben dort ja ganz vorrangig „christliche“ Völker gnadenlos aufeinander eingeschlagen), oder ob diese Intellektuellen und Künstler vielmehr umgekehrt die europäische Selbstzerfleischung (den Zweiten Dreißigjährigen Krieg) gerade als Bestätigung des christlichen Menschenbildes – das ja pessimistisch auf Erbsünde, auf irdisches Jammertal und unvermeidbare Verworfenheit verweist – ansehen, kann mit Fug und Recht grundsätzlich gefragt werden. Aber doch nicht mittels eines so plumpen Titels wie: „Was halten Sie vom Christentum?“

Zeitgleich erschien damals Karlheinz Deschners später mehrfach wiederaufgelegter literaturkritischer Band „Kitsch, Konvention und Kunst“ (1957), der die Unehrlichkeit klischeebeladener Dichtung namhaft zu machen versuchte. Im Jahr 1958 erschien sein Roman „Florenz ohne Sonne“.

Die überlebenswichtigen Mäzene

Dank privater Förderung durch Herbert Steffen, Alfred Schwarz und andere konnte Deschner sich in der Folgezeit über Jahrzehnte hin ohne größere materielle Sorgen konzentrierter Arbeit widmen. 1962 erschien seine kritische Kirchengeschichte in einem Band unter dem Titel „Abermals krähte der Hahn“ und 1974 seine kritische Sexualgeschichte des Christentums unter dem Titel „Das Kreuz mit der Kirche“. Bereits seit 1970 (dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Rowohlt-Verlag) arbeitete Deschner an seinem mehrbändigen Hauptwerk, der „Kriminalgeschichte des Christentums“. Obwohl er späterhin Millionen Leser erreichen konnte, war die öffentliche Resonanz dennoch schwankend und in den langen Jahren der frühen Werke – von Mitte der 1950er bis zur Mitte der 1970er Jahre – nie ganz ausreichend zum Leben.

Der „neue Atheismus“

Seit 1988 – mit der Verleihung des Arno-Schmidt-Preises an ihn – wurde Deschner zunehmend öffentliche Anerkennung zuteil, die sich auch in zahlreichen weiteren Auszeichnungen ausdrückt. Deschner war überzeugter Vegetarier und sprach mehrmals in Interviews aus, daß er, wenn er noch einmal leben könnte, seine Kraft einer noch hoffnungsloseren Thematik widmen würde als der Bekämpfung des Christentums – der Mißhandlung und Vernutzung der Tiere. Wiederum würde er sich schreibend betätigen, selbst wenn seine Bücher nicht – wie gegenwärtig – Millionen Leser erreichten. Doch sie stünden dann im Dienst einer noch notwendigeren Sache, nach seiner Überzeugung der notwendigsten überhaupt.

Der ungelenke und eigentlich unzutreffende Ausdruck „neuer Atheismus“ wurde geprägt für eine Riege international geachteter Autoren wie den Biologen Richard Dawkins, die öffentlich und kämpferisch für humanistisch-atheistisches Denken einstehen. Dazu zählen auch der naturalisierte Amerikaner Christopher Hitchens (1949–2011; in Malta geborener Engländer), der französische Philosoph und Gründer einer offenen Akademie Michel Onfray, der deutsche Publizist Michael Schmidt-Salomon und eben in späten Jahren der Veteran Karlheinz Deschner. Ungelenk aber – und sogar verkehrt – kann diese Bezeichnung „neuer Atheismus“ deshalb genannt werden, weil es im ganzen 20. Jahrhundert in Europa nie ein Wegbrechen oder ein Verschwinden atheistischer Auffassungen gegeben hat. Seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts, als Ernst Haeckel mit seinem Buch „Die Welträtsel“ eine „monistisch“ genannte Philosophie vorstellte, waren atheistische Anschauungen gesellschaftlich zwar ungern gesehen (im Schulsystem, beim Militär, auch für alle, die beruflich einen Beamtenstatus anstrebten), aber doch erkennbar sehr weit verbreitet.

Erst als (im Grunde von außerhalb Europas her) eine Spielart des evangelikalen Fundamentalismus in der amerikanischen Innenpolitik größere Resonanz fand – während der Ära des VS-Präsidenten Ronald Reagan (1981–1989) –, entstand danach dieser weltweite publizistische Widerstand von Autoren, die ihren Begriff von Wissenschaft attackiert sahen und auch ihre Vorstellung von religiöser Neutralität des Staates als zunehmend mißachtet betrachteten. Argumentativ „neu“ ist freilich keine dieser atheistischen Positionen. Hitchens schrieb ebenso flott und anregend wie Bertrand Russell zwei, drei Generationen zuvor. Und Dawkins ist – wie seine biologischen Arbeiten belegen – ein ebenso fleißiger und um Achtbarkeit bemühter Gelehrter wie Charles Darwin selbst es war.

„Deschner-Preis“ der Giordano Bruno Stiftung

Seit 2007 verleiht die – insbesondere dem Werk des Religions- und Kirchenkritikers Deschner verpflichtete – Giordano Bruno Stiftung zweijährlich den nach Karlheinz Deschner benannten „Deschner-Preis“, einen mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis. Mit dem Preis sollen Personen oder Organisationen ausgezeichnet werden, „die in besonderem Maße zur Stärkung des säkularen, wissenschaftlichen und humanistischen Denkens und Handelns beitragen“. Als erster Preisträger des „Deschner-Preises“ wurde am 12. Oktober 2007 Richard Dawkins ausgezeichnet.

Deschners Opus magnum, 10 Bände „Kriminalgeschichte des Christentums“

„Kriminalgeschichte des Christentums“

Dieses Werk Karlheinz Deschners soll die Kirchengeschichte von ihren biblischen Ursprüngen im Neuen Testament bis zur Gegenwart umspannen. Partielle oder vollständige Übersetzungen des umfangreichen, annähernd 6.000seitigen Werkes erschienen in italienischer, spanischer, griechischer, polnischer und russischer Sprache. Nach 16jähriger Vorarbeit (1970–1986) kam 1986 der erste Teilband heraus, der die Entstehung und den Aufstieg des Christentums zur römischen Staatsreligion darstellt. Er beginnt mit einer geschichtsphilosophischen Grundlegung, die die grundsätzlichen Probleme der Geschichtswissenschaft und ihrer Methodik reflektiert. Es folgt ein Rückblick auf das Alte Testament. Deschner beschreibt die Landnahme der Israeliten nach der bröckelnden ägyptischen Herrschaft im Palästina des 14. und 13. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung und die Vernichtung des kanaanäischen Stadtstaatensystems.

Dieser Einstieg, der nicht direkt das Christentum, sondern das antike Judentum betrifft, stellt das Verhältnis zwischen religiösem Anspruch und Gewaltpolitik dar: Darin sieht Deschner den Ursprung einer Tradition des Heiligen Kriegs, in der später auch die Christen zahlreiche Massenmorde im Namen eigentlich ja des Gottes Israels begingen. Deschner beschreibt die vielfältigen Todesstrafen, die die Tora für religiöse Vergehen vorsah, die Eroberungspolitik König Davids, die Herrschaftweise und Korruption des Priestertums und schließlich den völligen Untergang des Staates Israel in römischer Zeit. Erst dieser Untergang habe den Aufstieg des Christentums im Römischen Reich überhaupt ermöglicht, da die Christen sich nun als wahres Israel Gottes betrachten konnten.

Ein ausgeprägter christlicher Antijudaismus beginne im Neuen Testament und habe sich mit der Umdeutung der Kirche als „neues Israel“ fortgesetzt. Mit Hilfe ausgewählter Zitate weist Deschner den Kirchenlehrern Ephraim, Johannes Chrysostomos, Hieronymus und Hilarius von Poitiers judenfeindliche Anschauungen zu. Gegen Ketzer und Irrgläubige haben die Kirchenväter nach Deschner pure Hetzreden gehalten. Deschner nimmt lediglich Origenes heraus, den er zu den edelsten Christen überhaupt zählt (also mit einfachen, sittlich aufrechten Gläubigen vergleicht). Ein ganzes Kapitel in diesem ersten Band ist dem Angriff auf das Heidentum gewidmet. Deschner analysiert sodann die Christenverfolgungen im Spiegel der teils übertreibenden Märtyrerlegenden aus kirchlicher Geschichtsschreibung sowie den retrospektiven geschichtsverfälschenden christlichen Blick auf die heidnischen Kaiser. Deschner beleuchtet außerdem die ersten bedeutenden Gegner des Christentums, Celsus und Porphyrios.

Den Abschluß des Bandes bildet Deschners Einschätzung der Kirchenväter Athanasius, Ambrosius und Augustinus. Deschner hält Athanasius „Skrupellosigkeit“, „Prestige- und Machtstreben“ vor. Ambrosius ist in Deschners Worten „ein fanatischer Judenfeind“. Dank dessen Kirchenpolitik, „unnachgiebig und intolerant, doch nicht so direkt; versierter, geschmeidiger“, sei er „Vorbild für die Kirche bis heute“ (S. 400). Augustinus schließlich, der „den Patriotismus noch über die Liebe des Vaters zu seinem Sohne“ stellte (S. 520), sanktionierte damit den „gerechten Krieg“ wie auch den „Heiligen Krieg“.

Probleme der Deschnerschen Kirchenkritik

Die weiteren, ebenso umfangreichen und sehr gründlich mit Quellenverweisen versehenen Bände der „Kriminalgeschichte des Christentums“ fallen gegenüber der wuchtigen Exposition keinesfalls ab. Die intellektuellen Grenzen dieser Kritik liegen auf einer anderen Ebene. Schon im ersten Band der „Kriminalgeschichte des Christentums“ nimmt es wunder, wie wenig der Autor bei anthropologischen Fragen (oder auch bei spirituellen Fragen) verweilt. Er war eben „Kirchenhistoriker“ und als solcher ein „kritischer“ und das sollte doch auch möglich sein, kann man fordern. Sicher kann einem Autor die strikte Beschränkung auf rein historische Abläufe und Verstrickungen zugestanden werden. Wenn er aber ausgerechnet die Geschichte derjenigen Religion, die bis vor ganz wenigen Jahrzehnten in eigentlich allen europäischen Staaten Staatsreligion war, als fortlaufende Kriminalgeschichte qualifiziert, dann wirft er explizit Fragen auf, deren Beantwortung eben keineswegs nur „Historik“ ist oder nur „historische Wahrheit“ betrifft.

Diese Fragen verweisen vielmehr auf eine Reihe von Grundentscheidungen des gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Als anthropologische Fragen verweisen sie auf das Rätsel, wie es denn einer Institution möglich sein kann, unablässig zu lügen, zu fälschen und Gegner umzubringen ohne jemals gesellschaftliche Achtung einzubüßen. Denn christliche Sonntagsreden hält ja auch heute jeder Politiker gern und unaufgefordert. Das alles sind – wie man sieht – eben keine bloßen Historikerprobleme, wie Deschner uns weismachen will, sondern das sind anthropologische und im eigentlichen Sinne auch religiöse Probleme. Die vielen spirituellen Fragen – beginnend mit der Frage: Was ist denn der menschliche Geist? – beantwortet kein Historiker (und auch kein „kritischer“ Historiker). Wenn aber ein „kritischer Kirchenhistoriker“ meint, sie radikal und besonders laut stellen zu müssen, dann wird seine eigene, bloß phänomenologisch verfahrende Analyse unklar.

Anders gesagt: In einem kirchenhistorischen Essay etwa einen Bischof, Papst oder Kardinal als Betrüger, Heuchler, Dieb, Mörder und totalitären Gesinnungsfanatiker zu bezeichnen, das kann diese oder jene Berechtigung haben. Aber man würde einen solchen Essayisten mit Recht fragen, wie er das denn anthropologisch sieht oder moralisch oder politisch. Welche persönlichen, geistigen Konsequenzen müßte eine solche Schilderung denn allerwenigstens nach sich ziehen?

Auf mehreren tausend Druckseiten jedoch ausgebreitet, wird dieselbe Konstellation dann schließlich aberwitzig: Das also soll „Kirchengeschichte“ sein? Lauter Massenmord und Lüge und Urkundenfälschung und Geldinteresse und politische Kumpanei mit blanken Verbrechern? „Die Kriminalgeschichte des Christentums“ von Karlheinz Deschner ist eben kein nüchternes „kritisches“ Werk, als das sie uns vorgestellt wird, sondern sie ist – medienwissenschaftlich gesprochen – so etwas wie ein transitorisches Phänomen: Karlheinz Deschner als Autor steht ganz und gar fassungslos vor seinen vielen Quellenentdeckungen eines blutigen, zynischen und lügenverseuchten Geschehens. Er belegt diese seine ratlose – und eigentlich auch unverständige – komplette Fassungslosigkeit mit dem edlen Namen „Kritik“. In Wahrheit aber gelangt er mit kaum einer Bemerkung zur Kritik (und bloß in Ansätzen zur psychologischen Klarsicht). Er bleibt vielmehr erstarrt und hypnotisiert in seiner schieren Fassungslosigkeit stehen. Und das auf abertausenden Druckseiten.

Transitorisch heißt: Sein Werk markiert einen Übergang. Die Welt, in der er aufwuchs, existiert nicht mehr, eine andere konnte er sich aber nicht vorstellen. Und so hantierte er mit den eingeübten Kategorien der „Vernunft“ und der „Kritik“ an geschichtsmächtigen Erscheinungen herum, in denen tatsächlich vollkommen andere Kräfte wirken. Es handelt sich um Abläufe, die den phrasenhaften Mustern von „Fortschritt“, „Rückschritt“ und „Humanisierung“ so gut wie völlig entzogen sind. Nur merkte Deschner das selber nicht, weil er an seine Begriffsschablonen glaubte.

Wie wichtig wäre es doch, nun einmal zu erfahren, was das überhaupt für Wesen sind, diese Menschen, die so handeln und sich so gut und zufrieden dabei fühlen. Als bekennender „Humanist“ wollte Deschner aber genau diese alles entscheidenden und wesentlichen Fragen eben nicht stellen. Er war gar nicht „kritisch“, sondern er affirmierte bloß eine ihrerseits naive Ideologie von den guten Menschen, die eine böse Kirche zu allerlei Verbrechen verführt. Verbrechen, die ganz undenkbar wären ohne jenen kirchlichen Verursacher. Erst recht ist die Bezeichnung „Religionskritik“ für eine solche Position (wie die der Deschnerschen Kirchenkritik) schon zuviel der Ehre. Denn was Religion eigentlich sei, fragt er ja nicht und will es auch gar nicht wissen. Inwiefern also kann ein vielbändiges Werk namens „Kriminalgeschichte des Christentums“ beanspruchen, „Aufklärung“ zu sein, wenn es samt und sonders alle existenziellen Fragen des Lebens ausklammert und verschweigt?

Karlheinz Deschner als Herausgeber

Im Jahre 1970 gab Deschner das Buch „Warum ich aus der Kirche ausgetreten bin“ heraus. Zu den vielen Beiträgern zählten Gerhard Zwerenz, Hans Wollschläger, Frederic Vester (der Prophet der „Vernetzung“), aber auch Klaus Harpprecht. Der Kindler-Verlag bediente mit diesem Werk den Zeitgeist der damaligen Epoche, in der viele Vertreter des Geisteslebens ganz freimütig Religion zum „absterbenden Kulturphänomen“ erklärt hatten.

Davon ist heute natürlich nirgendwo mehr die Rede. Gesellschaften ordnen ihre Regelsysteme im religiösen Rahmen. Keine hat jemals anders verfahren. Und die rasch herbeigezogene Vokabel „Ersatzreligion“ für die Staaten des untergegangenen Warschauer Pakts hat nicht nur die subkutanen religiösen Entwicklungen in diesen Ländern gänzlich mißverstanden, sondern umgekehrt auch den religiösen Charakter der marxistischen Erweckungs- und Erlösungslehre nie begriffen. Man ließ sich von Etiketten ablenken und irreführen, obwohl die Kennzeichen überdeutlich waren.

Im Jahre 1986 gab Karlheinz Deschner in zwei Bänden eine Anthologie mit dem Titel „Das Christentum im Urteil seiner Gegner“ heraus. Beginnend mit Celsus, Porphyrius und Kaiser Julian Apostata, endend mit Henry Miller, Hans Henny Jahnn und Albert Camus, finden sich hier Originaltexte aus zwei Jahrtausenden, von namhaften Beiträgern eingeleitet. Dieses Buch ist seit 1990 in einer gestrafften, einbändigen Taschenbuchausgabe greifbar. Auch der exzellente Kenner der abendländischen Geistesgeschichte wird hier verblüffende Entdeckungen machen können.

Ohne den Fokus auf moralische Anklagen zu legen, bietet diese Sammlung einen genauen Einblick in eine Tiefenlage der europäischen Geschichte: Sie offenbart, wie schroff der Graben zwischen Prediger-Verkündigung und den tatsächlichen sittlichen und spirituellen Auffassungen der erstrangigen Köpfe immer gewesen ist. Das dort – in diesen klassischen aber wenig bekannten Texten – aufscheinende geistige Europa war seit Hus und Wycliffe reformatorisch (also über einhundert Jahre vor Martin Luther bereits). Und es war sodann seit dem frühen 18. Jahrhundert, also lange vor der Französischen Revolution, religiös deistisch, es dachte sich also den ersten Beweger – und darin ganz aristotelisch – schön weit weg. Die religiöse „Einheit“ eines christlichen Europas, die ja insbesondere bis heute Kern der katholischen Verkündigung ist, hat es weder im Mittelalter, noch in der Neuzeit gegeben. Dies gilt geistig. Fiskalisch jedoch, machtpolitisch, hat die Illusion eines Einheitsglaubens große Kraftwirkung entfalten können.

Deschner erweist sich hier, wie auch im essayistischen Nebenwerk, als genauer Kenner seines Quellenbestands. In der Rückschau auf ein Lebenswerk, das in über einem halben Jahrhundert abgefaßt wurde, bleibt es verwunderlich, warum er so krampfhaft am Emblem des „Historikers“ festhalten wollte, während sein tatsächliches Metier doch die weltanschauliche Auseinandersetzung war, die er alleweil anzukündigen und vorzubereiten schien, aber niemals ernsthaft führte.

Zitate

  • „Ich schreibe aus Feindschaft. Denn die Geschichte derer, die ich beschreibe, hat mich zu ihrem Feind gemacht.“ — Karlheinz Deschner[1]

Siehe auch

Verweise

Literatur

Primärliteratur

  • Kitsch, Konvention und Kunst. Eine literarische Streitschrift. List, München 1957; Ullstein, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-548-34825-4
  • Abermals krähte der Hahn. Eine kritische Kirchengeschichte. Günther, Stuttgart 1962; aktuelle Neuausgabe: Edition Enfer in der Akzente Versandbuchhandlung, Lahnstein 2010, ISBN 978-3-941960-06-0
  • Talente, Dichter, Dilettanten. Überschätzte und unterschätzte Werke in der deutschen Gegenwart. Limes, Wiesbaden 1964
  • Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelić. Günther, Stuttgart 1965
  • Kirche und Faschismus. Jugenddienst-Verlag, Wuppertal 1968
  • (Als Herausgeber:) Warum ich aus der Kirche ausgetreten bin, hrsg v. K. Deschner. Mit einem Anhang: »So tritt man aus der Kirche aus«. München, Kindler Verlag 1970 [damals noch keine ISBN]
  • Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums. Econ, Düsseldorf 1974; überarbeitete Neuausgabe 1992; Sonderausgabe 2009, ISBN 978-3-9811483-9-8
  • Kirche des Un-Heils. Argumente, um Konsequenzen zu ziehen. Heyne, München 1974, ISBN 3-453-00445-0
  • Ein Papst reist zum Tatort. Hoffmann und Campe, Hamburg 1981, ISBN 3-455-08201-7 [Flugschrift, 24 S.]
  • Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter der Weltkriege. 2 Bände. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982/83; erweiterte Neuausgabe in einem Band als: Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1991, ISBN 3-498-01282-7
  • Die beleidigte Kirche oder: Wer stört den öffentlichen Frieden? -- Gutachten im Bochumer §-166-Prozeß. Ahriman, Freiburg im Breisgau 1986, ISBN 3-922774-05-9
  • Kriminalgeschichte des Christentums. Bd. 1–8. CD-ROM-Version, Digitale Bibliothek, Directmedia GmbH, Berlin, 2005, ISBN 3-89853-532-0
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 1. Die Frühzeit. Von den Ursprüngen im Alten Testament bis zum Tod des heiligen Augustinus (430). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1986, ISBN 3498012630
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 2. Die Spätantike. Von den katholischen „Kindkaisern“ bis zur Ausrottung der arianischen Wandalen und Ostgoten unter Justinian I. (527-565). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1989, ISBN 3498012770
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 3. Die Alte Kirche. Fälschung, Verdummung, Ausbeutung, Vernichtung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1990, ISBN 3498012851
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 4. Frühmittelalter. Von König Chlodwig I. (um 500) bis zum Tode Karls „des Großen“ (814). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994, ISBN 3498013009
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 5. Das 9. und 10. Jahrhundert. Von Ludwig dem Frommen (814) bis zum Tode Ottos III. (1002). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1997. ISBN 3498013041
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 6. Das 11. und 12. Jahrhundert. Von Kaiser Heinrich II., dem „Heiligen“ (1102), bis zum Ende des Dritten Kreuzzugs (1192). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3498013092
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 7. Das 13. und 14. Jahrhundert. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002, ISBN 3498013203
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 8. Das 15. und 16. Jahrhundert. Vom Exil der Päpste in Avignon bis zum Augsburger Religionsfrieden. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004, ISBN 3498013238
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 9: Mitte des 16. bis Anfang des 18. Jahrhunderts. Vom Völkermord in der Neuen Welt bis zum Beginn der Aufklärung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2008, ISBN 9783498013271
    • Kriminalgeschichte des Christentums. Band 10: 18. Jahrhundert und Ausblick auf die Folgezeit. Könige von Gottes Gnaden und Niedergang des Papsttums. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013, ISBN 9783498013318
  • Opus Diaboli. Fünfzehn unversöhnliche Essays über die Arbeit im Weinberg des Herrn. Rowohlt, Reinbek 1987, ISBN 3-498-01270-3
  • Der gefälschte Glaube. Eine kritische Betrachtung kirchlicher Lehren und ihrer historischen Hintergründe. Knesebeck & Schuler, München 1988, ISBN 3-453-01231-3; unveränderte Neuauflage zum 80. Geburtstag: Knesebeck, München 2004, ISBN 3-89660-228-4
  • Dornröschenträume und Stallgeruch. Über Franken, die Landschaft meines Lebens. Knesebeck & Schuler, München 1989; Neuausgabe: Königshausen und Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2801-5
  • (Als Herausgeber:) Das Christentum im Urteil seiner Gegner. Frankfurt am Main / Berlin, Ullstein 1990, ISBN 3-548-34659-6 [zweibändige Originalausgabe: 1986]
  • Mörder machen Geschichte. Aphorismen. Lenos Verlag, Basel 2003, ISBN 3857873418 [94 S.]
  • Der Anti-Katechismus. 200 Gründe gegen die Kirchen und für die Welt (mit Horst Herrmann). Rasch und Röhring, Hamburg 1991, ISBN 3-89136-302-8
  • Der Moloch. „Sprecht sanft und tragt immer einen Knüppel bei euch!“ Zur Amerikanisierung der Welt. Weitbrecht, Stuttgart 1992, ISBN 3-522-70970-5
  • Die Vertreter Gottes. Eine Geschichte der Päpste im 20. Jahrhundert. Heyne, München 1994, ISBN 3-453-07048-8
  • Was ich denke. Goldmann, München 1994, ISBN 3-442-12531-6
  • Weltkrieg der Religionen. Der ewige Kreuzzug auf dem Balkan (mit Milan Petrović). Weitbrecht, Stuttgart 1995, ISBN 3-522-71740-6; Neuausgabe als: Krieg der Religionen. Heyne, München 1999, ISBN 3-453-16742-2
  • Oben ohne. Für einen götterlosen Himmel und eine priesterfreie Welt. Zweiundzwanzig Attacken, Repliken und andere starke Stücke. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1997, ISBN 3-499-60705-0
  • Für einen Bissen Fleisch. Das schwärzeste aller Verbrechen. Asku-Presse, Bad Nauheim 1998, ISBN 3-930994-10-0
  • Die Rhön. Heidnisches und Heiliges. Urtümlichkeit und Idyllik einer einsamen Landschaft. Kleebaum, Bamberg 1998, ISBN 3-930498-15-4
  • Memento! Kleiner Denkzettel zum „Großen Bußakt“ des Papstes im Heiligen Jahr 2000. Rowohlt (rororo 60926), Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60926-6

Sekundärliteratur

  • Hans Reinhard Seeliger (Hg.): Kriminalisierung des Christentums? Karlheinz Deschners Kirchengeschichte auf dem Prüfstand. [Symposium der Katholischen Akademie Schwerte vom 1.–3. Oktober 1992], Herder, Freiburg im Breisgau 1993 (2., durchgesehene und verbesserte Auflage 1994), ISBN 3-451-23222-7
  • Clara und Paul Reinsdorf (Hg.): Drahtzieher Gottes. Die Kirchen auf dem Marsch ins 21. Jahrhundert. Alibri, Aschaffenburg 1995, ISBN 3-9804386-2-7 / IBDK, Berlin 1995, ISBN 3-922601-26-X (Studiensammlung zu Kriminalisierung des Christentums?)

Fußnoten

  1. Aus der Einleitung zur „Kriminalgeschichte des Christentums“