Der Antichrist

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Der Antichrist. Fluch auf das Christentum ist eine 1888 entstandene, aber erst 1895 veröffentlichte Schrift des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. In dieser legt er in 62 Abschnitten eine grundlegende Kritik am Christentum dar. Es finden sich zudem auch (vor allem am Schluß) deutschkritische Töne. Den Abschluß sollte möglicherweise der am 30. September 1888 verfaßte kurze Text „Gesetz wider das Christenthum“ bilden.

Kernaussagen

  • Die wahren Philosophen sind (bildlich betrachtet) Hyperboreer und leben abseits vom Rest der Menschheit, im Gegensatz zu dieser es ihnen möglich war, das Glück zu entdecken.
  • Alles, was den Willen zur Macht im Menschen erhöht, ist als gut zu werten, das Schwache und Mißratene soll zugrunde gehen. Ein neuer Typus von Mensch muß geschaffen werden.
  • Die Entwicklung der Menschheit stellt nicht eine Entwicklung zum Besseren, Höheren dar. Der Europäer der Gegenwart steht weit zurück gegenüber dem der Renaissance.
  • Das Christentum ist der Todfeind gegen diesen angestrebten neuen Menschen und stellt die Partei alles Schwachen, Niedrigen und Mißratenen dar.
  • Das Christentum ist als eine Religion des Mitleidens zu charakterisieren, und durch das Mitleiden verliert man die eigene Kraft. Es steht im Gegensatz zur natürlichen Ordnung der Dinge.
  • Das Christentum ist lebensfeindlich und statt dessen auf das Jenseits ausgerichtet, das jedoch nur eine schöne Umschreibung für das Nichts, das Ende jeglicher Existenz ist.
  • Die Philosophie (vor allem die deutsche) leidet darunter, daß Theologen ihren Grundstein gelegt haben.
  • Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern das niederste aller Tiere, wenngleich das interessanteste.
  • Das Christentum ist eine Religion, die sich aus der Wirklichkeit wegzulügen versucht, die gesamte christliche Moral als auch Glaubenslehre berührt sich in keinem Punkte mit der Realität.
  • Götter sind an sich Projektionen des jeweiligen Volkes. Der jüdisch-christliche Gott hingegen stellt eine Kastration, Entartung dar, da er nicht mehr die guten sowie die schlechten Züge besitzt und somit nicht mehr die Seele des jeweiligen Volkes verkörpert.
  • Der Buddhismus ist dem Christentum verwandt, hebt sich von diesem jedoch dadurch ab, daß er viele Ansichten längst überwunden hat und somit um ein Vielfaches realistischer ausgefallen ist.
  • Das Christentum begab sich auf eine Stufe der Barbarei, um den niederen Schichten der Gesellschaft seine Annahme zu ermöglichen. Der christliche Ritus (Erstlingsopfer, Trinken des Blutes) ist barbarischer Natur. Der Weg des Christentums, um über diese zu herrschen, besteht darin, sie krank zu machen.
  • Das Christentum hat seinen Ursprung im Judentum. Der jüdische Gott stellt eine gewaltige Fälschung der jüdischen Priesterschaft dar. Aus dem ursprünglichen Gott, der seiner Natur gemäß noch die Volksseele wiedergab und Gutes wie Schlechtes in sich verkörperte, machten diese aus Machtgier einen völlig neuen Gott und veränderten auch das gesamte Schriftgut so, daß es damit in Einklang stand. Somit schaffte es die jüdische Priesterschaft, sich zum Mittelpunkt des jüdischen Lebens zu machen.
  • Die historische Figur Jesu von Nazareth wurde von den Urchristen beachtlich verzerrt und entstellt. In diesen projizierten diese verschiedene Vorstellungen und verdrehten somit dessen Lehre ins direkte Gegenteil. Jesus, der an sich keine politischen Ziele verfolgte, wurde zum Rebellen gegen die jüdische Ordnung stilisiert. Der Begriff Christentum ist somit bereits ein Mißverständnis, da es nur einen Christen gegeben hat, nämlich den ans Kreuz geschlagenen Jesus.

Deutschkritische Töne

Nietzsche beschreibt das griechisch-römische Altertum gewissermaßen als goldene Zeit, die durch das Christentum um ihren Erfolg gebracht wurde. (Siehe auch → Kaiser Julian) Den deutschen Adel, den er als „Wikinger-Adel im Grunde“ bezeichnet, stempelt er grundsätzlich als Handlanger der Kirche ab. Ohne diesen wäre es der Kirche nur schwer möglich gewesen, ihren Krieg gegen alles Höhere zu führen. Zudem ist in Nietzsches Sichtweise der deutsche Adel in der „Geschichte der höheren Kultur“ beinahe nicht vorhanden.

Die Renaissance wertet er als großartigen Versuch, dem Höheren, welches das Christentum vernichtet habe, wieder zum Sieg zu verhelfen, doch auch hier habe der Deutsche die Sache verdorben: Luther, von Nietzsche als „Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Priesters im Leibe“ charakterisiert, habe sich nach seinem Besuch in Rom über das dortige Papsttum empört und daher Gegenmaßnahmen zu dessen Rettung unternommen. Damit habe er den einzigen großen Versuch, das Christentum endlich zu überwinden, korrumpiert. Deutschland habe zudem die für Nietzsche widerlichste Form des Christentums, nämlich den Protestantismus, hervorgebracht.

Daran anschließend läßt er durchblicken, daß er eine gewisse traditionelle deutsche Geistigkeit und in dieser besonders deren Hang, Lösungen in den Wolken zu suchen und zu verblasenem Idealismus, zu tausendjährigem christlich-theologischem Schwadronieren, entschieden verachtet:

„Ah, diese Deutschen, was sie uns schon gekostet haben! Umsonst – das war immer das Werk des Deutschen. – Die Reformation; Leibniz; Kant und die sogenannte deutsche Philosophie; die »Freiheits«-Kriege; das Reich – jedes Mal ein Umsonst für etwas, das bereits da war, für etwas Unwiederbringliches ... Es sind meine Feinde, ich bekenne es, diese Deutschen: ich verachte in ihnen jede Art Begriffs- und Wert-Unsauberkeit, von Feigheit vor jedem rechtschaffnen Ja und Nein. Sie haben, seit einem Jahrtausend beinahe, alles verfilzt und verwirrt, woran sie mit ihren Fingern rührten, sie haben alle Halbheiten – Drei-Achtelsheiten! – auf dem Gewissen, an denen Europa krank ist [...] Wenn man nicht fertig wird mit diesem Christentum, die Deutschen werden daran schuld sein ...“ (61)

Zitate

  • „Daß die starken Rassen des nördlichen Europa den christlichen Gott nicht von sich gestoßen haben, macht ihrer religiösen Begabung wahrlich keine Ehre – um nicht vom Geschmacke zu reden. Mit einer solchen krankhaften und altersschwachen Ausgeburt der décadence hätten sie fertig werden müssen.“ (19)
  • „Die Juden sind das merkwürdigste Volk der Weltgeschichte, weil sie, vor die Frage des Sein und Nichtsein gestellt, mit einer vollkommen unheimlichen Bewußtheit das Sein um jeden Preis vorgezogen haben: dieser Preis war die radikale Fälschung aller Natur, aller Natürlichkeit, aller Realität, der ganzen inneren Welt so gut als der äußeren.“ (24)
  • „Das Christentum war der Sieg, eine vornehmere Gesinnung ging an ihm zugrunde – das Christentum war bisher das größte Unglück der Menschheit.“ (51)

Siehe auch

Literatur

  • Friedrich Nietzsche: Der Antichrist, Nikol, 2020, ISBN‎ 978-3868205923 [Leinen mit Goldprägung]
  • Friedrich Nietzsche: Der Antichrist (PDF-Datei); Zugang zur HTML-Fassung