Greußener Jungs
Greußener Jungs war eine Gruppe von 38 männlichen Jugendlichen, die zwischen Oktober 1945 und Januar 1946 in Greußen denunziert und verhaftet wurden. Sie standen unberechtigt unter dem Verdacht, der Freischärlerbewegung der „Werwölfe“ angegehört zu haben. Die Jugendlichen wurden an den NKWD ausgeliefert und von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode oder zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Von ihnen verstarben 24 im Speziallager Sachsenhausen, die 14 Überlebenden kamen erst 1950 frei.
Die Greußener Jungs
Kurz nach Ende des 2. Weltkrieges drangen alliierte Truppen in ganz Deutschland vor. In vielen Orten gerieten deutsche Soldaten in Gefangenschaft der Alliierten und ihr Schicksal blieb zunächst im Ungewissen. Neben den Soldaten wurden auch zahlreiche Zivilisten ohne Urteil und willkürlich inhaftiert. Oft existierten Gerüchte über geheime Organisationen, die angeblich ein nationalsozialistisches Deutschland ganz nach Vorbild Hitlers wieder errichten wollten. Eine dieser Organisationen sollte die Gruppe „Hitlers Werwölfe“ sein. Vielen Unschuldigen wurde diese Bezeichnung zum Verhängnis – so auch den „Greußener Jungs“:
Greußen ist eine Kleinstadt in Thüringen, die nach Kriegsende zunächst durch die Amerikaner besetzt und im Dezember 1945 an die sowjetischen Truppen übergeben wurde. Am 17.1.1946 wird Hans Götze einen Tag vor seinem 15. Geburtstag von deutschen Hilfspolizisten, die von KPD-Mitgliedern einen „Geheimtip“ erhielten, festgenommen und zum Rathaus von Greußen gebracht. Dort wurde er nachts von sowjetischen Offizieren und Angestellten des NKWD verhört und später in das Gefängnis von Sondershausen, einer Stadt im Norden von Greußen, gebracht. Hier fanden weitere Verhöre statt. Kurt Weiß, der ebenfalls aus Greußen stammt und denselben Anschuldigungen unterlag, berichtet folgendes über die Verhöre:
- „Die meiste Zeit habe ich am Boden gelegen und die [sowjetischen Offiziere] haben auf mich eingedroschen und immer wieder gerufen: ‚Du lugen‘. Sie sagten nicht ,Du lügen‘, sondern ‚Du lugen‘. ‚Schto prawda, schto prawda‘ – was ist die Wahrheit, wollten sie von mir wissen. In der dritten Nacht bin ich schon nicht mehr in der Lage gewesen, irgendwie zu denken. Ich habe einfach nur gedacht: Es muß ein Ende haben. Ich sollte sagen: Ich bin ein Werwolf. Und dann hab ich einfach unterschrieben, weil ich einfach meine Ruhe haben wollte.“
Wie Kurt Weiß wurden viele der Jugendlichen erpreßt eine Tat zuzugeben, für die sie nie die Verantwortung trugen. Weiß berichtet weiterhin, daß er nicht viel gefragt wurde. Es ging allein um die Frage, ob er ein „Werwolf“ sei. Viele unterschrieben aber auch, da sie sahen, in welcher Form Mithäftlinge von den sowjetischen Offizieren behandelt wurden. So auch Hans Götze, in dessen Zelle ein 45–50 Jahre alter Häftling mit eingewiesen wurde und von den Offizieren innerhalb von 14 Tagen bei den Verhören zu Tode geschlagen wurde. Aus Angst vor solch ähnlichen Verhören unterschrieb nun auch er die Aussage, daß er ein „Werwolf“ sei.
Nach den Verhören fand ein Gerichtsprozeß statt, der durch das sowjetische Militärtribunal (SMT) geleitet und von Zeugenaussagen Greußener Bürger gestützt wurde. Alle der „Greußener Jungs“ widerriefen die Behauptung „Werwölfe Hitlers“ zu sein. Dennoch wurden sie zu 15 Jahren Haft verurteilt, einer von ihnen sogar zum Tode. Viele der Verurteilten versuchten nun Kontakt zu ihren Eltern aufzunehmen, die vom Schicksal ihrer Kinder noch nichts erfahren hatten. Dies geschah dann auch mit Hilfe von Luftzeichen in Form von Druckbuchstaben.
Im November 1946 wurde Hans Götze zusammen mit vielen anderen Häftlingen in das Speziallager Nr.7 nach Sachsenhausen gebracht. Die Überlebensbedingungen in diesem Lager waren katastrophal: So bekam jeder Häftling zum Beispiel neben Suppe nur 300 g Brot.
Anläßlich des ersten Parteitags der SED wurden sie dann freigelassen. Von den 38 Jugendlichen kehrten nur 14 wieder nach Hause zurück.