Ford, Henry II
Henry Ford II ( 4. September 1917 in Detroit/MI; 29. September 1987 ebenda), Sohn von Edsel Ford und Enkel von Henry Ford, war der Präsident der Ford Motor Company von 1945 bis 1960. Unter seiner Führung wurde das Unternehmen 1956 in eine börsennotierte Aktiengesellschaft umgewandelt, während zuvor (seit 1919) sämtliche Anteile stets in Familienbesitz waren.
Werdegang
Henry Ford, röm.-kath., war ein Sohn von Edsel Bryant Ford und der Enkel des Gründers der Ford-Werke, Henry Ford I (* 1863; † 1947). Seine Schulbildung erhielt er an der Detroit University School und an der Hotchkiss School in Lakeville, Conn. Anschließend studierte er ab 1936 an der Yale University zunächst Ingenieurwesen, dann Soziologie, engagierte sich in dieser Zeit aber mehr in studentischen Clubs als in der akademischen Arbeit. 1940 verließ er die Universität ohne Abschlußexamen, nachdem entdeckt worden war, daß seine Diplomarbeit von einem Geisterschreiber verfaßt worden war; die Möglichkeit, über ein anderes Thema zu schreiben, hatte er ausgeschlagen.
Bereits 1938 hatte er einen Posten im Familienunternehmen übernommen, zeigte jedoch zunächst wenig Neigung für unternehmerische Aufgaben. Von 1941-1943 leistete er Wehrdienst im Küstendienst der US-Navy, zuletzt im Rang eines Leutnants. Als sein Vater Edsel Ford, der als einziger Sohn Henry Fords I die Leitung des Riesenunternehmens und seiner Kriegsproduktion in den Händen gehabt hatte, 1943 starb, kehrte Henry Ford II in den Betrieb zurück und übernahm die Aufsicht über die Fordsche Rüstungsproduktion. Im Dezember 1943 wurde er Vicepresident, vier Monate später Executive Vicepresident des Unternehmens. Für zwei Jahre übernahm der alte Henry Ford damals noch einmal die Gesamtleitung des Werkes, bis — nach längerem Familienzwist — sein Enkel 1945 mit 27 Jahren Präsident und chief executive officer des Unternehmens wurde.[1] Wie es hieß, fand sich Henry Ford II erst auf Drängen des damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt bereit, die Konzerngeschäfte zu übernehmen.
Die Aufgabe, die Henry Ford II damit übernahm, war keineswegs leicht, denn die Geschäfte gingen nach Kriegsende schlecht. 1921 hatte Ford noch 61 % des amerikanischen Automarktes beherrscht. Dann wurde der Konzern von General Motors und Chrysler überflügelt. 1927 besaß Ford nur noch 15 % der Marktanteile. Der Anteil stieg noch einmal durch das Modell V 8 auf 40 %, fiel aber bereits 1941 wieder auf 18 %. Die Gewinne waren von 80 Mio. Dollar (1920) auf 6 Mio. Dollar (1941) zusammengeschrumpft.
Durch vorbildliche Reformen sorgte Henry Ford II zunächst einmal für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Arbeitern und Werksleitung. Er verstand es, außer seinen beiden Brüdern Benson und William als Direktoren weitere fähige Manager zu gewinnen, und modernisierte mit ihnen die ganze Werkstruktur. Neue, attraktive Modelle wurden geschaffen. Der starke Nachholbedarf Amerikas nach dem Krieg kam Ford bei der Wiedereroberung des Marktes sehr zustatten; dann kam während der Jahre 1950-1952 das große Rüstungsgeschäft für Korea. Bald stand die Gesellschaft wieder mit an vorderster Stelle der amerikanischen Kraftfahrzeugproduktion.
Zu Beginn des Jahres 1956 beschlossen Henry Ford II und seine Geschwister, 60 % der stimmberechtigten Aktien, die sich bisher ausschließlich im Familienbesitz befanden, in einer der größten einzelnen Banktransaktionen der amerikanischen Finanzgeschichte der Öffentlichkeit zum Kauf anzubieten. 10,2 Mio. Aktien wurden weit gestreut in kleinen Partien verkauft und so auch dem kleineren Sparer zugänglich gemacht. Damit verband Henry Ford II unter dem Motto „Jeder Aktionär auch ein Kunde“ eine wirksame Kundenwerbeaktion. Die aus dem Verkauf erzielten 2,7 Mrd. D-Mark flossen der philanthropischen Ford-Stiftung (gegründet 1936 von Edsel Ford) zu, der die Erben des alten Henry Ford 1947 aus Steuergründen 88 % des nichtstimmberechtigten Aktienbesitzes übertragen hatten. Aus den Mitteln der Stiftung (Grundkapital 1979: 2,2 Mrd. US-Dollar) wurden allein bis 1979 für rund 5 Mrd. Dollar Schenkungen, vor allem für Bildung, Kunst und Wissenschaft, durchgeführt, u.a. auch der Atomfriedenspreis 1956. Durch die im Familienbesitz verbliebenen 40 % der Aktien sicherte sich Henry Ford II allerdings weiterhin die Kontrolle. Bis 1960 war Henry Ford II Präsident der Ford Motor Company.[2] Im gleichen Jahr übernahm er, unter Beibehaltung seiner Funktion als „Chief Executive“ (Spitzenmanager), den Vorsitz des Verwaltungsrates. Von 1943-1956 war er Vorsitzender, anschließend Mitglied des Treuhänderrats der Ford Foundation, schied jedoch 1977 überraschend aus der Stiftung aus. Anlaß für den Austritt war offenbar Fords Unwille über die Subventionspolitik der Ford Foundation. Außerdem betonte er den Charakter der Stiftung als Teil des kapitalistischen Wirtschaftssystems, was von manchen subventionierten Institutionen, insbesondere den Universitäten, nach seiner Meinung zu wenig gewürdigt wurde.
1953 vertrat Henry Ford II die USA bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Im Sommer 1954 unternahm er eine Europareise und wurde in Bonn auch von Bundeskanzler Adenauer empfangen, desgleichen im November 1958, wo ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. Auch im März 1968 stattete er den Ford-Werken AG in Köln einen Besuch ab. Am 12. April 1970 besuchte Henry Ford II die Sowjetunion in Zusammenhang mit einem Kooperationsprojekt im Automobilbau nach dem Vorbild von Fiat und Renault, von dem er dann jedoch auf Drängen des US-Verteidigungsministeriums wieder Abstand nahm. 1971 eckte Henry Ford II in London an, als er in Zusammenhang mit der Bestreikung der britischen Ford-Tochter öffentlich erklärte, daß er erst wieder in Großbritannien investieren wolle, wenn sich die Briten durch eine „Periode der Stabilität“ von zwei bis vier Jahren seines Geldes würdig erwiesen hätten. Im Oktober 1975 weilte Henry Ford II anläßlich der Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag der deutschen Ford-Werke erneut in der Bundesrepublik und kam dabei auch mit Bundeskanzler Helmut Schmidt zusammen.
Mit seinem eigenwilligen, bisweilen ruppigen Führungsstil sorgte Henry Ford II immer wieder für Aufsehen. So 1969, als er den vielgelobten Manager Semon Knudsen feuerte (angeblich, weil dieser nicht anklopfte, wenn er in Fords Zimmer trat). Auch die Ford-Präsidenten Ernest Breech und John Dykstra verließen das Unternehmen vorzeitig. Die Frage der Nachfolge Fords wurde erstmals 1975 akut, als er mit Angina pectoris ein Krankenhaus aufsuchen mußte. Zu dieser Zeit galt der ehrgeizige Lee A. Iacocca, seit 1970 Präsident des Unternehmens, als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Ford-Chairmans. Im April 1977 setzte Henry Ford II jedoch überraschend eine Neuordnung der Führungsspitze durch, die auf eine teilweise Entmachtung Iacoccas hinauslief. Dem neugebildeten Führungsgremium gehörte nunmehr neben Henry Ford II und Lee Iacocca noch Philip Caldwell an, bis dahin geschäftsführender Vizepräsident der Ford International Automotive Operations. Im Juni 1978 wurde mit Fords jüngerem Bruder William Clay Ford ein weiteres Mitglied in das „Office of the chief executive“ berufen und gleichzeitig Caldwell offiziell zum Stellvertreter Fords ernannt. Wenige Wochen später kam es zur spektakulären Entlassung Iacoccas, der dann im November 1978 beim Konkurrenten Chrysler eine neue Aufgabe fand, die er mit Bravour meisterte.
Im Mai 1979 kündigte Henry Ford II — beiläufig auf einer Australienreise — seinen Rückzug aus den Tagesgeschäften an.[3] Sein Nachfolger als Chief Executive (Oktober 1979) wurde Philip Caldwell, der dieses Amt bis zu seiner Pensionierung 1985 behauptete. Im Februar 1985 wurde Harold A. Poling als Präsident und Chief Operating Officer leitender Manager des Ford-Konzerns. Als Chief Executive Officer zog sich Henry Ford II 1979, als Chairman 1980 aus dem Unternehmen zurück, das letztere Amt gab er an Philip Caldwell ab. Lediglich als Vorsitzender des Ford-Finanzkomitees (seit 1979) und als Vorsitzender des Verwaltungsrates arbeitete Henry Ford II noch bis 1982 aktiv im Konzern, danach begnügte er sich mit dem Posten eines „normalen“ Verwaltungsratsmitgliedes.
Henry Ford II starb am 29. September 1987 im Alter von 70 Jahren in Detroit an einer Lungenentzündung, wahrscheinlich Folge einer Infektion mit der Legionärskrankheit. Er hinterließ ein Vermögen von angeblich rd. 100 Mio. Dollar. Obwohl seit seinem Tod weder seine eigenen Nachfahren noch die seiner Geschwister mit einem automatischen Aufrücken in Spitzenpositionen des Ford-Konzerns rechnen können, behielt der Ford-Clan mit rd. 40 % der Aktien eine gewichtige Machtposition im Unternehmen. Man sagt, daß die Familie keine Schwierigkeiten hätte, im Bedarfsfalle die Stimmenmehrheit erneut zu erwerben.
Familie
Ford, der in jüngeren Jahren als Playboy und Jet-Setter galt, war in erster Ehe mit Anne, geb. McDonnell, verheiratet, von der er im Februar 1964 nach 23jähriger Ehe geschieden wurde. Ein Jahr später, im Februar 1965, heiratete er die Italienerin Maria Christina Vettore Austin, eine ebenfalls geschiedene Frau. In Zusammenhang mit einer Romanze Fords mit dem Fotomodell Kathleen DuRoss ging auch diese Verbindung 1976 auseinander, wurde aber erst 1980 geschieden. Wie es hieß, erhielt Frau Christina eine Abfindungssumme von umgerechnet etwa 20 Mio. DM. Im Oktober 1980 heiratete Ford in dritter Ehe seine langjährige Freundin Kathleen DuRoss.
Aus der ersten Ehe Fords stammen ein Sohn, Edsel Byrant II, und zwei Töchter: Charlotte, die 1965 durch ihre Verheiratung mit dem griechischen Reeder Stavros Niarchos von sich reden machte, und Anne, die 1965 Giancarlo Uzielli heiratete. Charlotte ist inzwischen von Niarchos geschieden. Sie ist seit 1976 mit überraschendem Erfolg in der Modebranche tätig.
Nach ihm ist der Henry-Ford-Bau der FU Berlin benannt.