Rickmers, Johann
Johann [Hans] Rickmers ( 7. Mai 1881 in Wiesbaden; 28. November 1923 in München) war ein deutscher Widerstandskämpfer gegen die Weimarer Republik und einer der sechzehn Blutzeugen des 9. November 1923.
Leben
Der Sohn eines Bremer Reedereibesitzers wurde am 7. Mai 1881 in Wiesbaden geboren. Sein Vater war lungenkrank und womöglich habe er damals zur Kur in Wiesbaden geweilt.
Hans Rickmers einem alten Helgoländer Geschlecht, dessen Name bis zum Dreißigjährigen Krieg feststand. Alle Vorfahren waren Seeleute, einfache Fischer und Schiffer. Rickmers Vater hatte eine Reismühle und eine Reederei.
Von Anfang an zeigte der junge Rickmers wenig Neigung, in die Reederei oder die Verwaltung der familieneigenen Reismühlen einzusteigen, stattdessen hatte er schon früh ein ausgeprägtes landwirtschaftliches Interesse. Bis zum Alter von etwa fünf Jahren lebte Rickmers in Hannoversch-Münden, wo sein Vater eine Tochterfabrik der Rickmerschen Reismühlen leitete.
Nach dem Besuch der Realschule durchlief er eine Ausbildung auf Gut Erpenbeck bei Lengerich in Westfalen – wohl weil es verwandtschaftliche Verbindungen ins Tecklenburger Land gab. Er diente 1902 bis 1904 beim Leibhussaren-Regiment Nr. 1 (Totenkopfhusaren), machte dann Reisen über See und wurde durch die Heirat Rittergutsbesitzer und betrieb die Landwirtschaft auf Gut Vortlage bei Lengerich. Bis heute existiert die damals gebaute Reitanlage.
Als Rittmeister eines traditionsreichen Kavallerieverbands, der Totenkopf-Husaren, nahm Rickmers als Leutnant am Ersten Weltkrieges teil. Im Osten in den Kämpfen um Kurland, Litauen, Gallizien holte er sich das Eiserne Kreuz und das Hanseatenkreuz. Von 1917 an stand er an der Westfront und erlebte den Zusammenbruch von Heer und Reich auf dem Heimmarsch nach Flandern.
Die Niederlage konnte er nicht verwinden. Nach Bayern dürfte er erst nach der Trennung von seiner Frau 1921 gekommen sein, als er zum zweiten Mal heiratete.
Der hochdekorierte Patriot trat in den „Bund Oberland“ ein, dem er bald als Führer vorstand. Er sei damals einer der „treuesten Gefolgsmänner Adolf Hitlers“ geworden, schrieb später die Bremer Zeitung, ein Organ der NSDAP. „Er, der Bremer Kaufmannssohn, ist einer der ersten Nationalsozialisten.“ Im Alpenvorland, wo er sein Landhaus in Oberalting hatte, errichtete er eine starke Stütze der NSDAP und gründete selbst viele Ortsgruppen. Hans Rickmers schloß sich dem Zuge auf dem Marsch zur Feldherrnhalle an. Rickmers Gruppe marschierte an der Spitze der vordersten 5. Kompagnie des Bundes Oberland. An der Feldherrnhalle fielen Schüße. Rittmeister Rickmers wurde von meheren Geschossen durchbohrt und gehörte zu den Schwerverwundeten. Kameraden schleppten ihn ins Krankenhaus. Fast vergnügt klang Rittmeister Johann Rickmers, als er sich aus dem Krankenhaus meldete. „Mir geht’s bis auf meinen edlen Teil sehr gut“, schrieb er Mitte November 1923 an seinen Vetter in Bremen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der 42-Jährige seit mehr als einer Woche in ärztlicher Obhut. Mit dem „edlen Teil“ meinte er sein Hinterteil, es sei durch zwei Kugeln „ziemlich durchlöchert“ worden. Als lebensbedrohlich empfand Rickmers die Schussverletzung allerdings nicht, er wähnte sich sogar schon auf dem Weg der Besserung. „Zuerst war das Liegen nur auf dem Bauche unangenehm und nun liege ich aber bereits auf allen Seiten. Ein Fortschritt!“, jubelte er in seinem Brief. „Seitdem ich fieberfrei bin, bin ich auch fidel und unser Zimmer ist mehr ein fideles Gefängnis zu nennen als Krankenstube.“ Doch der Rittmeister hatte sich zu früh gefreut. Das Problem: Nur eine Kugel trat wieder aus, die andere blieb mitsamt Textilstücken stecken. „Die Kugel hat aus meinem langen Pelz eine Menge Wolle hineingestopft, die nun zopfweise aus der Wunde wieder hervorgeholt wird“, schrieb Rickmers und witzelte über seine „Wollhamsterei“. Sechs Tage vor seinem Tod am 28. November 1923 sei die Kugel noch immer nicht entfernt gewesen. Vom Pelzmantel wurde die Wunde verunreinigt und daher verstarb Rickmers an einem Wundstarrkrampf.
Nach seinem Tod wurde Rickmers eingeäschert und zunächst in einem Obelisk in Oberaltig beigesetzt. Der zweite Mann seiner geschiedenen Frau, der neue Herr von Gut Vortlage, war ein Hitler-Sympathisant und setzte nun alles daran, den Märtyrer zurück nach Lengerich zu holen. Oder zumindest ein Stück von ihm – die zweite Frau des Rittmeisters rückte denn auch nur die Hälfte der Asche heraus. 1931 wurde die Urne feierlich auf der Toteninsel von Gut Vortlage beigesetzt. Zwei Jahre später pilgerten mehrere Tausend Teilnehmer zur Gedächtnisfeier an das Grab.
Bereits kurz nach dem Wahlsieg der NSDAP wurde auf den Geheiß des Führers an der Feldherrnhalle eine Gedenktafel angebracht, 1935 ließ Adolf Hitler auf dem Königsplatz in München zwei klassizistische Ehrentempel errichten. In denen sollten in gusseisernen Sarkophagen die irdischen Hüllen der umgekommenen Märtyrer ruhen. Als „Ewige Wacht“ war es den Toten bestimmt, auf alle Zeiten ein Beispiel für die Opferbereitschaft wahrer „Volksgenossen“ zu geben. „Hier stehen sie Wache für Deutschland und unser Volk“, erklärte Hitler. Die beiden Ehrentempeln wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auf Drängen der US-Militärregierung im Januar 1947 gesprengt. Mit den Überresten der Toten ging man pietätvoll um, sie wurden bereits im Juli 1945 umgebettet – zurück in die Grabstätten, aus denen sie zehn Jahre zuvor exhumiert worden waren. Unklar ist indessen bis heute, was aus der Urne des Rittmeisters wurde. Nach Lengerich kehrte sie jedenfalls nicht zurück.
Literatur
- André-Klaus Busch: Blutzeugen – Beiträge zur Praxis des politischen Kampfes in der Weimarer Republik, Deutsche Stimme, ISBN 978-3935102209
- Hermann Liese: Ich kämpfe, Franz Eher Verlag 1943
- Hans Weberstedt / Kurt Langner: Gedenkhalle für die Gefallenen des Dritten Reiches, Franz Eher Verlag 1938