Landrat

Aus Metapedia
Wechseln zu: Navigation, Suche
Brandenburg:
oben: bis 2010; unten seit 2010

Ein Landrat ist zumeist ein Verwaltungsorgan (Hauptverwaltungsbeamter) an der Spitze einer kleineren Gebietskörperschaft (Kreis) mit Doppelfunktion (kommunale Selbstverwaltungsbehörde und staatliche Verwaltungsbehörde). In Preußen war der Landrat der staatliche Leiter des Verwaltungsbezirks unterster Ordnung, des Kreises.[1] In Bayern war der Landrat eine Kollektivbehörde; gegenwärtig existiert dort der Bezirkstag.

Geschichte/Gemeindeordnungen

In der Brandenburgischen Kurmark bildete sich im 16. Jahrhundert im Gegensatz zur Amtsverfassung eine Kreisverfassung heraus, die die Ritterschaft in Kreistagen unter Leitung eines ständischen Kreisdirektors tagen ließ. Die Aufgaben betrafen Polizei und Steuerverwaltung. Die Ämter des Kreisdirektors und des landesherrlichen Landkommissars wurden 1701 im Landrat zusammengefaßt. Er war nicht mehr nur Vertrauensmann des Kreistages sondern vom Landkommissar abgeleitet für die Verwaltung und Vollstreckung durch den Landesherrn verantwortlich. 1723 wurde der L. der Kriegs- und Domainenkammer untergeordnet.[2]

19. Jahrhundert

Im Zuge der Preußischen Reformen sollte die Verwaltung von Stadt und Land angeglichen werden. Um dies zu erreichen wurden 1810 die Gewerbefreiheit, 1810-12 die Steuerverfassung und 1813-16 die allgemeine Wehrpflicht mit der Aufhebung Kantonalverfassung 1814 durchgesetzt. Mit dem Gendarmerieedikt vom 30. Juli 1812 sollte ein staatlicher Kreisdirektor den L. der örtlichen Ritterschaft ersetzen. Ihm sollten sechs Kreisdeputierte (später zwei) der drei Stände und die Gendarmerie zur Verfügung stehen. Ziel war die Aufhebung der „unbegründeten Absonderung der kleinen städtischen Communen, der Städteeigenthümer, Domänenämter und ritterschaftlichen Societäten in den Communalangelegenheiten des Kreises“. Kaum angewendet, wurde das Edikt 1814 nach Adelsprotesten abgeschafft. Als Ausgleich ernannte ab Juni 1816 der Staat einen L. aus drei von den Kreisständen Vorgeschlagenen. Nach Reinhart Koselleck als Schirm des Adels zwischen Staat und sozialem Alltag fungierend. Die Wählbarkeit zum Landratsamt setzte die Mitgliedschaft in der Kreisversammlung, im Osten nur die Ritterschaft, im Westen wählten auch die beiden unteren Stände der Bürger (Stadt) und Bauern (Landgemeinden), voraus. Die 12 000 Rittergutsbesitzer (oft adlig) bestimmten weitestgehend die 332 Landräte in den 25 Regierungsbezirken der acht preußischen Provinzen inklusiver der sechs Stadtkreise Aachen, Breslau, Danzig, Köln, Königsberg und Potsdam (Stand 1864). Durch Scheinkäufe von Rittergütern versuchten die Parteien ihre Kandidaten zum L. durchzubringen. Bei zu wenig geeigneten ritterlichen Kandidaten wurden auch Grundbesitzer gewählt. Zu den Aufgaben des L. zählten (oder sollten zählen) die direkten Steuern, das polizeiliche Strafrecht von zwei Hafttagen und bis zu fünf Talern Strafe, die Bau-, Feuer- und Medizinalpolizei, das Armen- und Bettelwesen und die Aufsicht über die Gendarmerie. Dafür standen 1819 etwa 9000 Mann zur Verfügung. Mit der Reduzierung der Gendarmerie 1820 kam nur noch ein Gendarm auf 7200 Einwohner. Die Stände kamen damit ihrem Ziel näher, die Patrimonialgerichtsbarkeit weiter für sich zu sichern. Im Osten versuchten die Städte sich der Kontrolle durch den L. zu entziehen. U.a. durch direkte Unterstellung unter die Regierung. In den 1840ern wurde geklagt über die vielen Aufgaben des L. mit etatmäßig nur einen Sekretär, Schreiber und Boten. Die Boten und Exekutoren (Ausreiter) mußten Veteranen mit der Berechtigung zur Civil-Versorgung sein. Finanzielle Gaben der Kreisstände waren verboten. Ab 1840 dürfte der L. sein Büro auf dem Gut öffnen. Seine Kundschaft war über diese wandernden „Kreisstädte“ wenig erfreut.[3]

Historisch entwickelten sich in Deutschland verschiedene Möglichkeiten der Wahl/Tätigkeit eines Ls., angelehnt an die Gemeindeordnungen. Mit der Bürgermeisterverfassung wurde vom Gemeinderat der Bürgermeister/L. gewählt. Mit der Magistratsverfassung erfolgte die Beschlußfassung durch die Gemeindevertretung, die Ausführung durch eine kollegiale Verwaltungsbehörde (Magistrat) unter Leitung eines Bürgermeisters/Ls. In der dualistischen Süddeutschen Ratsverfassung war das Hauptorgan der Gemeinderat, gefolgt vom direkt gewählten Bürgermeister/L.

Gegenwart

In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde der bis 1994/96 Oberkreisdirektor (OKD) als Hauptverwaltungsbeamter durch den bis dahin ehrenamtlichen L. abgelöst. In Baden-Württemberg wird der L. noch vom Kreistag gewählt, im Land Brandenburg wurde 2010 die Direktwahl eingeführt. Der L. kann Vorsitzender des Kreistages und des Kreisausschusses sein und unterliegt der Dienstaufsicht durch den Regierungspräsidenten. Er wird in den Ländern mit unterschiedlicher Dauer von fünf bis acht Jahren gewählt. Zu seinen kommunalen Aufgaben zählen u.a. die Unterrichtung des Hauptausschusses und des Kreistags über die Geschäfte der laufenden Verwaltung, die Feststellung von Vertretungsverboten gegenüber ihm verpflichteten ehrenamtlich Tätigen oder der Vorsitz im Verwaltungsrat der landkreiseigenen Anstalten des öffentlichen Rechts. Zu den staatlichen Aufgaben können zählen die Durchführung von Landesaufgaben im Verfahren der Organleihe bei fehlenden Landesbehörden, die Kommunalaufsicht über die Städte und Gemeinden des Landkreises oder die Aufsicht über Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Literatur

  • Hintze, Otto: Der Ursprung des preußischen Landratsamts in der Mark Brandenburg. In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte (FBPG). 1915. S. 357-422.
  • Die Kreisverfassung als ritterschaftliche Schotte zwischen Regierung und Bevölkerung. In: Koselleck, Reinhart: Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848. 1989. S. 448-486.
  • Ramin/Röttger: Der direkt gewählte Landrat im Land Brandenburg - Ein Akteur neuer Qualität auf kommunaler Ebene? In: Deutsche Verwaltungspraxis (DVP). Heft 1. 2012. S. 17-24.
  • Schliesky, Utz: Die Wiedereinführung der mittelbaren Wahl von Landräten - Gutachten im Auftrag der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag. 2008.

Verweis

Fußnoten

  1. Der kleine Brockhaus 1925.
  2. Planitz, Hans: Deutsche Rechtsgeschichte.1981. 4. Aufl. S. 279.
  3. Koselleck. Kreisverfassung.