Louis Ferdinand von Preußen (1772–1806)
Friedrich Ludwig Christian Prinz von Preußen (auch: Louis Ferdinand um ihn von seinem ein Jahr jüngeren Neffen zu unterscheiden; 18. November 1772 auf Schloß Friedrichsfelde bei Berlin; gefallen 10. Oktober 1806 in Wöhlsdorf bei Saalfeld) war ein deutscher Offizier und Feldherr der Preußischen Armee, zuletzt Generalleutnant, der auch verschiedene Klavierstücke komponierte. Louis Ferdinand
Inhaltsverzeichnis
Leben
Sein Vater war Prinz Ferdinand, sein Onkel war Friedrich der Große. Die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts nennt ihn „eine geniale Natur, trefflich beanlagt, aber auch ausschweifend, unbeständig und unüberlegt.“ Im Ersten Koalitionskrieg ab 1792 war er als preußischer Offizier an der Erstürmung der Zahlbacher Schanzen vor Mainz beteiligt und wurde zum Generalmajor befördert. 1799 stieg er zum Generalleutnant auf. Neben seiner militärischen Laufbahn widmete er sich künstlerischen Studien, war Gast im Salon von Rahel Varnhagen und verfasste musikalische Kompositionen und politische Schriften. Er war ein Vertreter der „Kriegspartei“, die 1805 durch ein enges Bündnis mit dem Erzherzogtum Österreich das Königreich Preußen gegen Napoleon verteidigen wollte.
- „Für den Neffen Friedrichs d. Großen kam nur die militärische Laufbahn in Frage. 1792 nahm er im Range eines Obersten am Feldzug nach Frankreich teil und zeichnete sich 1793 bei der Belagerung von Mainz durch außerordentliche Tapferkeit aus. L. wurde gleichsam zum Ideal eines jugendlichen Helden. 1796-98 war er zur Bewachung der franz.-preuß. Demarkationslinie in Lemgo und Hoya stationiert; die geistige Isolierung versuchte L., der sich neben der Kriegswissenschaft vornehmlich der Musik widmete und großes Interesse für Philosophie und Literatur entwickelte, durch unerlaubten Aufenthalt in Hamburg zu durchbrechen. Schon früh zeigte sich L.s ungewöhnliche Ausstrahlungskraft. Durch seine äußere Gestalt, seinen inneren Adel und lebhaften Geist vermochte er Männer und Frauen an sich zu fesseln. Drückende Schulden und Liebesaffären belasteten den Prinzen, der in erotischen Angelegenheiten sehr freizügig war. L. wurde als Regimentskommandeur strafweise nach Magdeburg versetzt, weilte jedoch häufig in Berlin. Hier lernte er – unter anderem in Rahel Levins Salon – von Stein bis Gentz alle wichtigen Persönlichkeiten Berlins kennen. Mit den geistigen und politischen Strömungen seiner Zeit durchaus vertraut, war L. ein entschiedener Gegner der Franz. Revolution und Feind Napoleons. Die Größe und Unabhängigkeit Preußens im Bündnis mit Österreich bildeten das Zentrum seines politischen Denkens. 1804 warb er in Wien für ein Bündnis und versuchte in einer historisch-politischen Denkschrift Friedrich Wilhelm III. (vergebens) dafür zu gewinnen. Ende August 1806 beschwor L. mit einigen königl. Prinzen, Generalen und dem Freiherrn vom Stein in einer neuen Denkschrift den König, alle Kräfte gegen die Eroberungsabsichten Napoleons, der die preuß. Friedensliebe mißbrauche, zu mobilisieren, und forderte den Sturz der frankreichfreundlichen Gruppe um Minister Gf. Haugwitz. Dieser in der preuß. Geschichte einmalige Akt wurde vom König als Frondieren geahndet. Der Prinz mußte sich sofort zur Armee begeben. Ohne Hoffnung auf Sieg zog er in den bald ausbrechenden Krieg gegen Napoleon. Sein Soldatentod im Vorhutgefecht zwischen Saalfeld und Rudolstadt (Thüringen), noch vor der Schlacht von Jena und Auerstedt, war, laut Carl v. Clausewitz (1807), „sein eigenes Werk … Er wollte nicht ohne Sieg zurückkehren“. Es habe nur wenige Menschen gegeben, meinte Clausewitz, „deren ganzem Wesen die Natur den Heldencharakter so deutlich aufgeprägt“ habe. Beethoven, mit L. seit 1796 bekannt, nannte ihn den „menschlichsten Menschen“; er widmete ihm sein 3. Klavierkonzert opus 37 in c-moll. Der Prinz, Schüler von H. G. Lenz und J. L. Dussek, war ein begabter Pianist und ein Meister der Improvisierkunst. Sein kompositorisches Werk, das durch Frische und Originalität besticht, verleugnet nicht das große Vorbild Beethoven. Wegen seines frühromantischen Ausdrucks bezeichnete Robert Schumann den Prinzen als „den Romantiker der klassischen Periode“. – Strahlender Mittelpunkt des aufstrebenden Berliner Geisteslebens seiner Zeit, verkörperte L. eine ideale Verbindung zwischen Dynastie, Armee und Bürgertum. Sein leidenschaftliches Engagement für Preußens Größe in friderizianischer Tradition bildete einen Gegenpol zum nüchtern abwartenden Vorgehen Friedrich Wilhelms III.“[1]
Tod
Er fiel im Vierten Koalitionskrieg als Kommandeur der Division der Avantgarde (Vorhut) im Kampf gegen die französischen Aggressoren beim Gefecht bei Saalfeld, vier Tage vor der Schlacht bei Jena und Auerstedt.
Würdigungen
Des Prinzen Zeitgenosse Generalleutnant Friedrich August Ludwig von der Marwitz beurteilte ihn in seinen Memoiren derart:
- „Es lag Außerordentliches an ihm, und es wäre etwas Außerordentliches aus ihm geworden, wenn unser Krieg nicht durch den Frieden von Basel (wo er erst dreiundzwanzig Jahre alt war) beendigt worden wäre. Aber er kam in seine Garnison, Magdeburg, zurück, und wenn er gleich sein Regiment in der besten Verfassung erhielt, so war doch diese Beschäftigung für seinen hochstrebenden Geist viel zu geringfügig und war bei den damaligen alten Soldaten jeden Tag in wenigen Stunden abgemacht. Da seine wiederholten Bitten, die Feldzüge bei der österreichischen und 1799 bei der russischen Armee mitmachen zu dürfen, ihm jederzeit abgeschlagen wurden – und der politischen Lage wegen, in die wir uns nun einmal gestürzt hatten, wohl abgeschlagen werden müßten –, so verlebte er dreizehn Jahre eigentlich im Nichtstun und stürzte sich in Zerstreuungen. Er strengte sich an bei den ermüdendsten und gefährlichsten Jagden, bei den angreifendsten Ritten und vergnügte sich dann mit Freunden, die zahlreich zuströmten – wie in solchen Fällen immer – an der Tafel und mit den Mädchen. […] Dies alles möchte noch hingehen, aber bei dieser allseitigen Anspannung seiner Kräfte ergab er sich dem Trunk. Im Jahr 1806 trank er nichts anderes als Champagner und fing damit an, sowie er aufstand, so daß er vormittag gewiß schon mit sechs Bouteillen fertig war und den Tag über ein Dutzend nicht hinreichte. Dabei war aber auch nicht die leiseste Spur von Trunkenheit jemals an ihm zu merken, noch war seine Körperschönheit und sein blühendes Aussehen im mindesten gewichen. Wahrscheinlich würden Krankheit und Schwäche ganz plötzlich hereingebrochen sein, wenn er länger gelebt hätte.“
Theodor Fontane
- Sechs Fuß hoch aufgeschossen,
- Ein Kriegsgott anzuschaun,
- Der Liebling der Genossen,
- Der Abgott schöner Fraun,
- Blauäugig, blond verwegen
- Und in der jungen Hand
- Den alten Preußen-Degen -
- Prinz Louis Ferdinand.
- Die Generalitäten
- Kopfschütteln früh und spät,
- Sie räuspern sich und treten
- Vor Seine Majestät,
- Sie sprechen: „nicht zu dulden
- Ist dieser Lebenslauf,
- Die Mädchen und die Schulden
- Zehren den Prinzen auf.“
- Der König drauf mit Lachen:
- „Dank schön, ich wußt’ es schon;
- Es gilt ihn kirr zu machen,
- Drum: Festungs-Garnison;
- Er muß in die Provinzen
- Und nicht länger hier verziehn,
- Nach Magdeburg mit dem Prinzen
- Und nie Urlaub nach Berlin.“
- Der Prinz vernimmt die Märe,
- Saß eben bei seinem Schatz:
- „Nach Magdeburg, auf Ehre
- Das ist ein schlimmer Platz!“
- Er meldet sich am Orte
- Und es spricht der General:
- „Täglich elf Uhr zum Rapporte
- Ein für allemal!“
- O Prinz, das will nicht munden,
- Doch denkt er: „sei gescheit,
- Volle vierundzwanzig Stunden
- Sind eine hübsche Zeit,
- Relais, viermal verschnaufen,
- Auf dem Sattel Nachtquartier,
- Und kann’s ein Pferd nicht laufen
- So laufen’s ihrer vier.“
- Hinfliegt er wie die Schwalben,
- Fünf Meilen ist Station,
- Vom Braunen auf den Falben,
- Das ist die Havel schon,
- Vom Rappen auf den Schimmel,
- Nun faßt die Sehnsucht ihn,
- Drei Meilen noch - hilf Himmel,
- Prinz Louis in Berlin.
- Gegeben und genommen
- Wird einer Stunde Glück,
- Dann, flugs wie er gekommen,
- Im Fluge geht's zurück,
- Elf Uhr am andern Tage
- Hält er am alten Ort,
- Und mit dem Glockenschlage
- Da steht er zum Rapport. -
- Das war nur bloßes Reiten,
- Doch wer so reiten kann,
- Der ist in rechten Zeiten
- Auch wohl der rechte Mann;
- Schon über Thal und Hügel
- Stürmt ostwärts der Koloß, -
- Prinz Louis sitzt am Flügel
- Im Rudolstädter Schloß.
- Es blitzt der Saal von Kerzen,
- Zwölf Lichter um ihn stehn,
- Nacht ist’s in seinem Herzen,
- Und Nacht nur kann er sehn,
- Die Töne schwellen, rauschen,
- Es klingt wie Lieb und Haß,
- Die Damen stehn und lauschen
- Und was er spielt ist das:
- „Zu spät zu Kampf und Beten,
- Der Feinde Rosses-Huf
- Wird über Nacht zertreten,
- Was ein Jahrhundert schuf,
- Ich seh es fallen, enden,
- Und wie alles zusammenbricht,
- Ich kann den Tag nicht wenden,
- Aber leben will ich ihn nicht.“
- Und als das Wort verklungen,
- Rollt Donner schon der Schlacht,
- Er hat sich aufgeschwungen,
- Und sein Herze noch einmal lacht,
- Voraus den andern allen
- Er stolz zusammenbrach,
- Prinz Louis war gefallen
- Und Preußen fiel - ihm nach.[2]
Literatur
- Ernst Berner: „Kriegstagebuch des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen aus dem Jahre 1806“ in: „Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preussen“, 1905 (PDF-Datei)
- Otto Tschirch: „Prinz Louis Ferdinand als Musiker. Sein Tod, seine Bestattung und sein Andenken“ in: „Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preussen“, 1906 (PDF-Datei)
- Die Großen der Weltgeschichte, Eckstein-Halpaus G.m.b.H., Dresden o.J. (1934)