Quelle / Bericht des Landrats Rißmann 1919

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Der Bericht des Landrats Rißmann aus dem Jahre 1919 belegt die gewaltsame Machtübernahme der Polen in der Stadt Neutomischel.

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Quelle
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Rackau bei Buckow, Kr. Züllichau, Januar 1919

In der Nacht vom 2. zum 3. Januar d. Js. morgens gegen 3 Uhr rückten von Osten her (zunächst hauptsächlich von Opalenitza, Kr. Grätz, kommend) zahlreiche bewaffnete Polen (sicherem Vernehmen nach 300) mit Gewehren, Handgranaten und Maschinengewehren ausgerüstet in Neutomischel ein und besetzten sofort die Stadt nebst dem Landratsamt, welches sie umstellten, sowie das Bezirkskommando, Rathaus, Distriktsamt, Post und sonstige öffentliche Gebäude. Fast sämtliche Polen waren entlassene deutsche Soldaten in deutschen Uniformen, aber mit weißroter Armbinde, einige mich mit ebensolchem Mützenband und weißem Adler als Kokarde versehen. Ihr Führer war ein gewisser Klemczak aus Opalenitza, der bis dahin der Führer des Opalenitzaer polnischen Arbeiter- und Soldatenrats gewesen ist.

Klemczak erklärte sich alsbald zum Stadtkommandanten von Neutomischel und brachte bereits einen dahin lautenden fertigen Stempel mit!!

Binnen kurzem erhielt Klemczak Verstärkung aus dem nördlichen Teile des Kreises Neutomischel. Dieses waren Leute, die das Kreisausschussmitglied Majoratsbesitzer von Łącki aus Posadowo gesammelt, mit der deutschen Militärverwaltung entwendeten Waffen bewaffnet und auf eigenen Fuhrwerken in schnellster Gangart herangebracht hatte. Diese polnischen Leute stammten aus Neustadt im Kreise Neutomischel und umliegenden Dörfern, wie ich durch Befragen der Leute feststellte.

Einige der zuerst angekommenen Leute, die sich vornehmlich in nächster Umgebung des Klemczak aufhielten, waren bereits einige Tage vorher unbewaffnet in den Straßen von Neutomischel gewesen.

Klemczak ließ zunächst den Bezirkskommandeur Major Schotte verhaften, setzte ihn indessen bald wieder in Freiheit. Dann erließ er einen „Befehl“ betr. Abgabe aller Waffen und ernannte den Justizrat Bartecki aus Neutomischel zu seinem Beirat. Im Laufe des Nachmittags erschien er dann mit seinen Bewaffneten bei mir und teilte mir mit, daß ich auf Beschluss eines „Ausschusses”, bestehend aus ihm selbst, dem Herrn von Łącki -Posadowo und einem gewissen Rittmeister Zenkteler aus Buk, aufgefordert würde, Neutomischel binnen 24 Stunden zu verlassen, widrigenfalls ich mir alles weitere selbst zuzuschreiben hätte. Ich erklärte dem Klemczak, daß dieser „Ausschuss” keinerlei Recht zu einer solchen Maßnahme besäße, daß ich ihn als eine mir vorgesetzte Behörde nicht anerkennen könne. Auf meine Frage, aus welchem Grunde ein solcher Beschluß erfolgt sei, erklärte mir Klemczak, daß dieses geschehen sei, weil ich, wie sie erfahren hätten, den „Heimatschutz“ von ihrem Heranrücken benachrichtigt und um Hilfe gebeten hätte. Ich erklärte darauf, daß ich in Befolgung einer Bekanntmachung der Preußischen Regierung vom 10. Dezember v. Js., den Absonderungsbestrebungen der Polen entgegenzutreten, also nur im Auftrage meiner vorgesetzten Dienststellen gehandelt habe. Außerdem wies ich darauf hin, daß er doch den geringsten Anforderungen an Recht und Billigkeit nur entspräche, daß ich vor einer solchen Beschlußfassung selbst erst mal gehört würde. Klemczak sagte mir darauf, er könne nichts mehr dazu tun, ich könne mich ja beschweren. Jedenfalls bliebe es bei der Frist von 24 Stunden. Sofort eine Beschwerde anzubringen bzw. mit den drei Herren, zu sprechen, war mir indessen nicht mehr möglich, da die beiden anderen Herren, wie ich hörte, Neutomischel bereits wieder im Kraftwagen, verlassen haben sollten. Bei dieser Sachlage fügte ich mich der Gewalt und verließ, da jeder Eisenbahnzugverkehr in westlicher Richtung aufgehört hatte, mit eigenem Fuhrwerk am Nachmittag des 4. Januar Neutomischel und gelangte nach zwei Tagen, auf Umwegen durch den Kreis Meseritz nach hier, wo ich, nur eine Tagereise von meinem Kreise entfernt, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten beschloß und um nach einer zu erhoffenden baldigen Befreiung des Kreises schnellstens dorthin zurückkehren zu können.

Die Verwaltung des Landratsamtes sollte ein aus Posen herangerufener „polnischer Landrat“ übernehmen, und inzwischen der Kreissekretär führen.

Meine Absicht, alsbald mündlich in Berlin an Regierungsstelle Vortrag über die Sachlage zu halten, wurde durch die inzwischen in Berlin eingetretenen bekannten Ereignisse und die fast gänzliche Sperrung des Eisenbahnverkehrs nach dorthin verhindert.

Zur Vorgeschichte der Vorgänge im Kreise Neutomischel gestatte ich mir noch nachfolgendes vorzutragen:

Zu Beginn der Umwälzung hatte sich für den Kreis Neutomischel in der Stadt Neutomischel unter dem Vorsitze des Bezirkadjutanten und Leutnants Werner ein Soldatenrat gebildet, der alsbald zu einem Arbeiter und Soldatenrat erweitert wurde. Zeitlich später entstand in dem nördlichen mehr polnischen Teile des Kreises,in dem Städtchen Neustadt bei Pinne, ebenfalls ein A. und S. Rat. Dieser war gebildet auf Veranlassung und unter dem Vorsitze des Herrn von Łącki auf Posadowo bei Neustadt. Er bestand mit Ausnahme von ein oder zwei Personen lediglich aus Polen und verfolgte von vornherein polnische Absonderungsbestrebungen. Dieser A. und S. Rat erklärte, wie nur aus eiwandfreier und durchaus glaubwürdiger Quelle mitgeteilt wurde, sofort alle Beamten (angeblich einschließlich des Landrates) im größten Teile des Kreises für abgesetzt, gab bekannt, daß keine Steuern gezahlt zu werden brauchen, wies die öffentlichen Kassen an, ihre Tätigkeit einzustellen, und verhinderte alle weiteren Lebensmittellieferungen. Gestützt und unter Bezugnahme auf die inzwischen in allen diesen Angelegenheiten von der Regierung in Berlin ergangenen Anweisungen, gab ich durch öffentliche Bekanntmachungen im Kreisblatte sofort bekannt, dass alle diese Beschlüsse den ausdrücklichen Willen der Regierung widerliefen und daher ungültig und unwirksam seien, daß alle Beamten und Kassen noch wie vor weiter zu arbeiten hätten, daß vor allen Dingen alle Lebensmittellieferungen in der bisherigen Weise auszuführen seien, und gab allen Beamten entsprechende Anweisungen.

Nebenher hatte ich von vornherein alle mir unterstellten Beamten mündlich bzw. telefonisch angewiesen, unter allen Umständen alles zu unterlassen, was als Ausnahmebehandlung von den Polen aufgefasst werden könnte, vielmehr Polen und Deutsche in jeder Beziehung durchaus gleich zu behandeln. Die Durchführung dieser Anweisung habe ich persönlich streng überwacht. Es ist mir dann auch, wie ich hinzufügen möchte, in dieser Beziehung nie eine berechtigte Klage von polnischer Seite vorgetragen worden, dagegen mir gegenüber von polnischer Seite des Öfteren anerkannt worden, daß wahrend der Zeit meiner Kreisleitung die Polen sich über keine Ausnahmebehandlung zu beklagen gehabt hätten.

An dieser Stelle möchte ich einschalten, daß der südliche Teil des Kreises Neutomischel mit der Stadt Neutomischel ganz überwiegend deutsch ist, insbesondere ist Neutomischel mit den umliegenden Dörfern Paprotsch, Glinau, Scherlanke, Friedenwalde, Schichagora, Konkolewo, Neurose und Groß-Lipke fast rein deutsch. Der nördliche Teil des Kreises mit Neustadt ist dagegen zum größeren Teile überwiegend polnisch, wenn auch einige rein deutsche Dörfer, wie z. B. Steinbeig, dortselbst liegen.

Infolge des selbständigen und die Ruhe und Ordnung aufs schwerste störenden Vorgehens des A. und S. Rates in Neustadt entstand alsbald eine tiefe Verstimmung zwischen den beiden A. und S. Räten in Neutomischel und Neustadt. Neustadt erging sich in Drohungen gegen Neutomischel und stellte Gewalttaten mit Waffengewalt in Aussicht, gegen welche sich Neutomischel durch Beschaffung von Gewehren und Maschinengewehren zu schützen suchte. Nun wurde die Vermittlung des A. und S. Rates Posen angerufen. Unter Leitung von Delegierten dieses A. und S. Rates und unter meiner Zuziehung wurden dann in Neutomischel Einigungsverhandlungen geführt, in denen Posen anerkannte, daß es für den Kreis nur einen A. und S. Rat geben dürfe, als welcher derjenige in Neutomischel, weil zuerst und in der Kreisstadt gebildet nur in Betracht kommen könne. Es kam sodann eine Einigung dahin zustande, daß die beiden A. und S. Räte in Kreis– und militärischen Angelegenheiten zusammenarbeiten sollten.

Infolge dieser Abmachung und der von der Kreisleitung getroffenen oben erwähnten Maßnahmen herrschte in der Folgezeit (ungefähr vom 20. November v. Js. ab) Ruhe und Ordnung im Kreise, alle Behörden und Kassen arbeiteten ungestört weiter, und auch die Lebensmittelablieferung seitens der polnischen Landwirte erfolgte im Großen und Ganzen ordnungsmäßig. Auch machten sich irgendwelche Gegensätze zwischen Deutschen und Polen in den nächsten Wochen kaum bemerkbar.

Dauernde Beunruhigungen herrschten nur an der Kreisgrenze nach Grätz zu, wo polnische gewalttätige Bestrebungen, wie mir berichtet wurde, leider wohl unter dem Deckmantel der polnischen A, und S. Räte in Opalenitza und Grätz sich immer drohender bemerkbar machten. Es wurde bekannt, daß in Opalenitza die Polen einen oder mehreren Deutschen Kontributionen von mehreren Tausend Mark auferlegt, Pferde ohne Bezahlung requiriert, Deutsche grundlos gefangen gesetzt und mit Erschießen bedroht hätten usw. Auch sollten sie in den Kreis Neutomischel übergegriffen haben.

Da machte plötzlich Ende Dezember v. Js. der Distriktskommissarius von Neustadt die telefonische und schriftliche Meldung, daß die Wahlvorsteher der Stimmbezirke Neustadt-Schloss, Posadowo und Zgierzynka (alles von Łąckischer Besitz) sich weigerten, Wählerlisten zur Nationalversammlung aufzustellen (wohl auf Veranlassung des Herrn von Łącki in Posadowo) und mit der Begründung, das sei nicht mehr nötig, denn am 19. Januar sei bereits alles entschieden. Gleichzeitig hatte Herr von Łącki dem Wahlkommissar in Posen mitgeteilt, er könne keine Wählerlisten aufstellen, da nach dem Wahlgesetz nur „Deutsche usw.” wahlberechtigt seien. Obwohl ich Herrn von Łącki telefonisch über die Bedeutung dieser und das Unzutreffende seiner angeblichen Annahme, dass Polen nicht wahlberechtigt seien, aufklärte, weigerte er sich doch, die Wählerliste aufzustellen, und zwar jetzt mit der Begründung, er hätte von der „Rada ludowa” in Posen dahingehende Anweisung,

Inzwischen wurde bekannt, daß die Polen allerorts in der Provinz Stellungsbefehle an gediente Soldaten polnischer Nationalität ausschrieben (Meldung des Distriktkommissars in Kuschlin).

Zu derselben Zeit — wenn ich nicht irre am 29. Dezember v. Js. — erfuhr ich, daß ein Angestellter des im Kreise Neutomischel gelegenen Bahnhofs Eichenhorst (meines Erinnern- der Bahnhofsvorsteher) bei dein A. und S. Rat in Neutomischel erschienen sei und mitgeteilt habe, daß der Bahnhof Eichenhorst plötzlich von 100 Schwerbewaffneten, anscheinend aus Opalenitza kommenden Polen besetzt worden sei, daß die deutsche Bahnhofswache dortselbst, die der A. und S. Rat Neutomischel eingesetzt hatte (es wechselten immer zwei Polen aus dem polnischen Dorfe Bukowiec mir zwei Deutschen aus dem deutschen Dombrowo ab), von diesen entfernt bzw. festgenommen, Lebensmittelzüge, nach dem Westen bestimmt, aufgehalten und Durchsuchungen vorgenommen worden seien. Der A. und S. Rat in Neutomischel, vertreten durch seinen bei ihm angestellten Leutnant Anderson, habe daraufhin zwei (!!) Leute mit Maschinengewehren nach Eichenhorst gesandt, die jedoch alsbald von den Polen nach Wegnahme eines Maschinengewehres vertrieben wurden seien. Es sei auch geschossen worden. Wer geschossen habe, darüber herrschten die widersprechendsten Gerüchte. Jedenfalls seien die beiden aus Dombrowo stammenden deutschen Mannschaften von den Polen abgeführt worden und sollten am nächsten Tage standrechtlich erschossen werden (mündlicher Bericht des Leutnants Anderson, mir erstattet am 29. Dezember v. J.). Da die ganze Angelegenheit zunächst als örtlicher Putsch der Polen aus Opalenitza aufgefaßt wurde, beschloss ich, sowohl meinen vorgesetzten Dienststellen in Posen wie auch dem dortigen A. und S. Rat Meldung zu erstatten und Aufklärung und Hilfe zu erbitten. Leider war jede Verbindung mit Posen unmöglich, da in diesen Tagen infolge der bekannten Vorgänge in Posen jeglicher Telefon- und Telegrafenverkehr mit der Stadt Posen unterbunden war. So war ich denn in Neutomischel vollständig im Unklaren, was dieses Vorgehen der Polen zu bedeuten habe, wer es veranlasse habe usw. Nunmehr versuchte ich mehrere Tage hintereinander, Herrn von Łącki in Posadowo telefonisch zu erreichen, um die Angelegenheit aufzuklären und nach Möglichkeit beizulegen. Es hieß indessen immer, Herr von Łącki sei verreist. Als ich ihn endlich erreichte, sagte er mir, er könne nichts weiter tun, die Deutschen hätten zuerst geschossen und damit die Polen provoziert. Auf meine Entgegnung, ich hätte entgegenstehende Nachrichten, abgesehen davon sei ich doch die Herausforderung zunächst von den Polen dadurch ausgegangen, daß sie ohne jede Veranlassung in den durchaus ruhigen Kreis Neutomischel eingedrungen seien, ging Herr von Łącki nicht ein.

Mittlerweile bemächtigte sich der deutschen Bevölkerung infolge dieses polnischen Vorgehens eine sehr starke Beunruhigung. Man befürchtete weitere Gewalttaten von politischer Seite, und allgemein tauchte die Frage auf, ob man jetzt noch seines Lebens und Eigentums im Kreise Neutomischel sicher sei, und welcher Schutz gegen solche Übergriffe vorhanden sei. Auch verlautete, daß die Deutschen aus dem großen deutschen Dorfe Dombrowo entschlossen seien, nötigenfalls mit Waffengewalt ihre beiden Wachmänner aus Polenhand zu befreien, eventuell auch einen Vergeltungsschlag gegen Opalenitza zu führen usw., wenn den beiden Gefangenen etwas geschähe.

Da nunmehr die bisherige Ruhe und Ordnung im Kreise durch Eingriffe von außen her aufs allerschwerste bedroht und gestört war, auch in dem das Gemeinwohl gefährdenden Vorgehen der Polen deutlich Absonderungsbestrebungen zu erkennen waren, so war für mich der Fall gegeben, in Befolgung der Anweisung und Bekanntmachung der preußischen Regierung vom 10. Dezember v. Js. (mitgeteilt durch Erlaß des Herrn Ministers des Innern vom 17.12.1918 – I b 1252) diesen Bestrebungen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten. Ich ersuchte zunächst den A. und S. Rat in Neutomischel um eine Unterredung, stellte den beiden von ihm entsandten Abgeordneten (Hannemann und Manske) die Sachlage und die drohende Gefahr nur und bat sie, von sich aus einzugreifen und die nötigen Schritte zum Schutze der Kreiseingesessenen und der Ruhe und Ordnung zu treffen. Die Herren erklärten, dazu außer Stande zu sein, waren sich der drohenden Gefahr wohl bewußt und stimmten schließlich darin überein, daß wohl nur die Bildung einer freiwilligen Schutzwache (Bürgerwehr) die Polen vor weiteren Gewalttaten und Übergriffen werde abhalten können.

Am nächsten Tage machte ich gelegentlich von Telefongesprächen mit dem Grenzschutz und Herrn Hauptmann von Liliencron in Meseritz unter Hinweis auf die bisherige Ruhe im Kreise und Mitteilung des Vorgefallenen auf die drohende Gefahr aufmerksam. Herr Hauptmann von Liliencron entsandte darauf den Leutnant Kulcke nach Neutomischel mit dem Auftrage, aus den zahlreichen altgedienten deutschen Soldaten der umliegenden Dörfer Freiwillige für den Grenzschutz anzuwerben. — Inzwischen war auch die öffentliche Aufforderung seitens des Kommandierenden Generals des V. Armeekorps zur Meldung von Freiwilligen für den Grenzschutz ergangen. Dieser Aufruf ging mir mit dem Ersuchen um Veröffentlichung zu. — Der Leutnant Kulcke hatte bereits an 40 Mann für den Grenzschutz angeworben, als ich am 2. Januar abends nach 6 Uhr gebeten wurde, zu einer Sitzung des A. und S. Rats zu erscheinen. Dort traf ich neben dem A. und S. Rat den Leutnant Kulcke, sowie auch den Leutnant Anderson und den früheren Vorsitzenden, seit einiger dem A. und S. Rat nicht mehr angehörenden Leutnant Werner. Letzterer nahm alsbald das Wort und erklärte unter Zustimmung des A. und S. Rates die Einrichtung des Grenzschutzes, insbesondere die Aushebung und Anwerbung von Freiwilligen im Kreise Neutomischel für einen schweren Missgriff. Trotz der inzwischen in der Provinz eingetretenen Ereignisse meinte er, ein solcher Schutz sei gänzlich unnötig. „Solche Maßnahmen seien eine Herausforderung der Polen. Die Polen wollten ja niemand etwas tun.”

Der Leutnant Anderson teilte im wesentlichen diese Auffassung. Werner gab mich bekannt, daß er mit Herrn von Łącki gesprochen und ihn von der Bildung des Grenzschutzes und der Anwerbung benachrichtigt habe. Kurz darauf wurde er herausgerufen, um von einem Boten (es soll ein Geistlicher gewesen sein) einen Brief des Herrn von Łącki entgegenzunehmen. Bei den weiteren Verhandlungen trat nunmehr der gesamte A. und S. Rat von Neutomischel aufs schärfste gegen die Anwerbung von Freiwilligen und die Tätigkeit des Leutnants Kulcke im Kreise Neutomischel auf und erklärte, diese mit allen Mitteln hindern zu wollen! (!!). Einzelne Mitglieder äußerten sich sogar dahin, daß ihnen lieber noch das Einrücken bewaffneter Polen sei.

Da bei dieser Sachlage damit zu rechnen war, daß der Anwerbung von Leuten im Kreise Neutomischel und der Ausdehnung des Grenzschutzes auf den Kreis Neutomischel von dem nahen Bentschen aus die größten Hindernisse in den Weg gelegt werden würden, hielt ich eine weitere Tätigkeit des Leutnants Kulcke im Kreise für aussichtslos und teilte dieses in Gegenwart der Versammlung dem Hauptmann von Liliencron in Meseritz telefonisch mit. — Völlige Unklarheit herrschte darüber, was mit den beiden Gefangenen geschehen sei. Nach einer Mitteilung sollten sie nach Posen abtransportiert, nach einer anderen wieder in Opalenitza, nach einer dritten freigelassen sein. Im weiteren benachrichtigte ich noch telefonisch (zwischen 8 und 9 Uhr abends) zusammen mit dem Leutnant Anderson Herrn von Łącki von dem Aufhören der Tätigkeit des Leutnants Kulcke und ersuchte ihn im Interesse der Beruhigung der deutschen Bevölkerung mit allem seinem Einfluss dahin zu wirken, daß mit Rücksicht auf die bisherige Ruhe und Ordnung und das durchaus korrekte Verhältnis zwischen Deutschen und Polen im Kreise jedes weitere Vorgehen von polnischer Seite aus unterbliebe. Herr von Łącki beklagte, dass die Abgesandten des A. und S. Rates von Neutomischel in Eichenhorst zuerst geschossen hätten, und versprach schließlich, sein Möglichstes im Sinne meines Wunsches zu tun.

In der Nacht gegen 3 Uhr rückten indessen, wie bereits berichtet, die Polen von Opalenitza her und in den Morgenstunden die von Herrn von Łącki bewaffneten Polen aus dem nördlichen Kreisteile in Neutomischel ein. Von diesen letzteren habe ich einige (6—8) gesprochen, die zugaben, von Herrn von Łącki gesammelt zu sein, jedoch die Angabe ihre Namens ablehnten.

Am 4. Januar erfuhr ich dann noch, daß der Leutnant Anderson, derselbe, welcher das Maschinengewehr mit zwei Mann nach Eichenhorst sandte, welches alsbald in die Hände der Polen fiel, von dem Stadtkommandanten zum Distriktskommissar für den ebenfalls abgesetzten Distriktskommissar Munck ernannt worden sei (!!).

Ergänzend bemerke ich noch, daß durch den Bezirkskommandeur Major Schotte in Neutomischel inzwischen gegen die Leutnants Werner und Anderson an zuständiger Stelle eine Anklage wegen Hochverrats eingereicht ist.

Quelle: Bericht des Landrats Rißmann, 1919


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