Schlußwort im Nürnberger Prozeß: Hans Fritzsche

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Hohes Gericht! Die Hauptvertreter der Anklage wiederholten in ihren abschließenden Reden einige Anschuldigungen gegen mich, obwohl sie nach meiner Ansicht durch die Beweisaufnahme klar widerlegt worden sind. Ich habe einige dieser Punkte zusammengestellt. Ich habe nicht die Absicht, sie zu verlesen. Wenn es den Regeln des Gerichts nicht widerspricht und wenn es dem Gericht gefällt, so bitte ich darum, diese Zusammenstellung – es handelt sich um sechs Seiten – zur Kenntnis zu nehmen; sie liegen in Übersetzung vor.

Ich möchte die große Chance des letzten Schlußworts in diesem bedeutsamen Prozeß nicht verschwenden mit der Aufzählung von Einzelheiten, die ja alle in Protokollen und Dokumenten zu finden sind. Ich muß mich dem Gesamtkomplex der Verbrechen zuwenden, da die Anklage behauptet, daß ich diesem Gesamtverbrechen durch eine Verschwörung verbunden sei.

Gegenüber diesem Vorwurf kann ich nur sagen: Ach hätte ich doch in meinen Rundfunkreden die Propaganda getrieben, die mir jetzt die Anklage vorwirft! Hätte ich doch die Lehre von der Herrenrasse vertreten! Hätte ich doch Haß gegen andere Völker gepredigt! Hätte ich doch zu Angriffskriegen, Gewalttat, Mord und Unmenschlichkeit aufgefordert! Denn, Hohes Gericht, wenn ich dies alles getan hätte, dann hätte sich das deutsche Volk von mir gewandt und hätte das System abgelehnt, für das ich sprach.

Auch wenn ich dies in versteckter Form nur getan hätte, dann würden meine Hörer das gemerkt haben, und sie hätten es abgelehnt.

Aber das Unglück liegt ja gerade in der Tatsache, daß ich alle diese Thesen nicht vertrat, nach denen Hitler mit einem kleinen Kreis von Helfershelfern insgeheim handelte, einem Kreis, der sich nach den Aussagen unter anderem der Zeugen Höß, Reinecke und Morgen langsam aus dem Nebel hebt, der ihn bis dahin verbarg.

Ich glaubte an Hitlers Versicherungen seines ehrlichen Friedenswillens. Dadurch verstärkte ich den Glauben des deutschen Volkes an sie.

Ich glaubte an die amtlichen deutschen Dementis gegen alle ausländischen Meldungen über deutsche Greueltaten. Mit meinem Glauben verstärkte ich den Glauben des deutschen Volkes an die Sauberkeit der deutschen Staatsführung. Das ist meine Schuld, nicht mehr – nicht weniger.

Die Ankläger haben die Empörung ihrer Völker zum Ausdruck gebracht über die Greueltaten, die geschahen. Nun, sie haben von Hitler nichts Gutes erwartet und sind betroffen über das Ausmaß dessen, was wirklich geschah. Aber versuchen Sie dann einmal, die Empörung derer zu begreifen, die von Hitler Gutes erwarteten und die nun sahen, wie ihr guter Glaube, ihr guter Wille und ihr Idealismus mißbraucht wurden. Ich befinde mich in dieser Lage des Getäuschten zusammen mit vielen, vielen anderen Deutschen, von denen die Anklage sagt, sie hätten das, was geschah, erkennen können aus rauchenden Schornsteinen in Konzentrationslagern oder aus dem bloßen Anblick von Häftlingen und so weiter.

Ich empfinde es als ein großes Unglück, daß die Anklage die Dinge so darstellt, als ob ganz Deutschland eine riesige Höhle des Verbrechens gewesen wäre. Es ist ein Unglück, daß die Anklage das Ausmaß der Verbrechen noch verallgemeinert, die doch schon schrecklich genug sind. Demgegenüber muß ich feststellen: Wer einmal in den Jahren des friedlichen Aufbaues an Hitler geglaubt hatte, der brauchte nur Treue, Mut und Opferbereitschaft, um ihm auch weiter zu glauben so lange, bis er durch die Entdeckung sorgfältig gehüteter Geheimnisse in ihm den Teufel erkennen konnte. Nur so ist der Kampf zu erklären, den Deutschland durch 68 Monate kämpfte. Solche Opferbereitschaft wächst nicht aus Verbrechen, sondern nur aus Idealismus und gutem Glauben, sowie aus kluger und scheinbar gerechter Organisation.

Ich bedauere die von der Anklage vorgenommene Verallgemeinerung der Verbrechen, weil sie den Berg von Haß, der in der Welt liegt, noch vergrößern muß. Aber es ist Zeit, den ewigen Kreislauf des Hasses zu unterbrechen, der bisher die Welt beherrschte. Es ist höchste Zeit, dem Wechsel von Saat, Ernte, neuer Aussaat und neuer Ernte des Hasses Einhalt zu gebieten. Schließlich ist der Mord an fünf Millionen eine grausige Warnung, und die Menschheit besitzt heute die technischen Mittel zu ihrer Selbstvernichtung. Deshalb darf meines Erachtens die Anklage an das Ende eines Hasses nicht einen neuen Haß setzen.

Ich habe vor meinem Gewissen das Recht, dies auszusprechen, denn ich habe nicht, wie die Anklage behauptet, Haß gepredigt und das Tor des Mitleids verschlossen. Ich habe vielmehr sogar mitten im härtesten Kampf immer wieder die Stimme der Menschlichkeit erhoben. Das beweist die übergroße Mehrzahl meiner Ansprachen, die man ja jederzeit gegen die Äußerungen meiner Gegner abwägen kann. Meine Ansprachen, die ja, auch wenn sie hier vor dem Gericht nicht vorgelegt werden konnten, nicht einfach aus der Welt verschwunden sein können.

Es ist nun durchaus möglich, ja vielleicht sogar verständlich, daß der Sturm der Empörung der Welt über geschehene Greueltaten die Grenzen der individuellen Verantwortung verweht. Wenn das geschieht, wenn eine kollektive Verantwortung auch Gutgläubig-Mißbrauchte treffen soll, dann, meine Herren Richter, dann machen Sie bitte mich haftbar. Ich verstecke mich, wie schon mein Verteidiger betonte, nicht hinter die Millionen Gutgläubiger und Mißbrauchter. Ich stelle mich vor diejenigen, für die meine Glaubwürdigkeit einst noch eine zusätzliche Garantie war für die Sauberkeit der Ziele des Systems. Diese meine Haftung aber gilt nur für die Gutgläubigen und nicht für die Urheber, Mittäter oder Mitwisser von Greueltaten, angefangen vom Mord bis zur Auswahl von lebenden Menschen für anatomische Sammlungen.

Zwischen diesen Verbrechern und mir gibt es nur eine einzige Verbindung: Sie haben mich nur in anderer Weise mißbraucht als diejenigen, die ihnen körperlich zum Opfer fielen.

Es mag schwer sein, das deutsche Verbrechen von dem deutschen Idealismus zu trennen. Unmöglich ist es nicht. Macht man diese Trennung, dann wird man viel Leid vermeiden für Deutschland – und für die Welt.

Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg, Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 463–465 (Zeno)


Schlußworte im Nürnberger Prozeß