Skalde

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Die Skalden (altnd. skáld oder skæld = „Dichter“) waren höfische Dichter im mittelalterlichen Skandinavien, vorwiegend in Norwegen. Ihre Kunst nennt sich Skaldendichtung bzw. Skaldik, eine der genuin nordischen Kunstgattungen neben Saga-Literatur und eddischer Dichtung.

Etymologie

Die Etymologie des Wortes ist umstritten: Eine Theorie verbindet das Wort mit der Wurzel von „sagen“ und bringt es mit „schelten“ in Verbindung (mittelhochdeutsch schelte = Verfasser von Spott- und Strafgedichten),[1] auch mit dem angelsächsischen „scop“ = Dichter und isländisch „skop, skaup“ = Spott. Eine andere Theorie behauptet eine Verwandtschaft zum lateinischen Wort „scatere“ = hervorsprudeln, überquellen und zum indogermanischen „uat“ = innerlich erregt sein, dichterische Begeisterung.[2]

Geschichte

Ab etwa 800 kam die Skaldendichtung mit Bragi Boddason in Norwegen auf. Später rekrutierten sich viele Skalden an den norwegischen Höfen aus Island. Diese Fähigkeit zu dichten war sehr populär. Es sind bis 1200 mehr als 300 Namen von Skalden bekannt.[3] Sehr viele Skalden entstammten der Aristokratie. Die meisten Skalden waren Männer, aber es gab auch weibliche Skalden (skáldkonur), z. B. Jórunn skáldmær und Steinunn Refsdóttir. Den frühen Skalden wurden göttliche Inspirationen nachgesagt, Bragi Boddason wurde sogar für einen Gott gehalten.

Die gesprochen (nicht gesungen) vorgetragene Skaldendichtung[4] vermischte ab dem 10. Jahrhundert heidnische mit christlichen Elementen. Es handelte sich ursprünglich um Gelegenheitsgedichte, eine spontane, improvisierte Dichtung („free-standing verses“).[5] Ein beliebtes Stilmittel der Skalden waren die Kenningar (Singular: Kenning) genannten Umschreibungen einfacher Begriffe.

Auf dem europäischen Festland starb der Berufsstand zu Beginn des 2. Jahrtausends aus. Auf Island konnte er sich jedoch noch bis in das 13. Jahrhundert halten. Der bekannteste altisländische Skalde ist Snorri Sturluson, der mit seiner Prosa-Edda oder Snorra-Edda als Lehrbuch für Skalden diese Kunstform wiederzubeleben versuchte, die durch das Vergessen der alten Mythen, deren Inhalte zur Bildung der Kenningar nötig waren, nach der Christianisierung in Vergessenheit gerieten. Im Vordergrund seines Bemühens stand allerdings ein antiquarisches, kein heidnisch-religiöses Interesse.

Im heutigen Isländisch und Färöisch ist ein skáld bzw. skald durchaus auch ein zeitgenössischer Dichter. So ist eine isländische skáldsaga oder eine färöische skaldsøga nicht etwa eine Skalden-Sage, sondern ein Roman.

Bedeutung

Die Skaldendichtung gilt als wichtigste historische Quelle der mittelalterlichen skandinavischen Geschichte und rangiert hinsichtlich des Quellenwertes noch vor den Sagas. Bereits die Sagaverfasser waren sich dieses Quellenwertes wohl bewußt und zitierten diese als Beleg für ihre Darstellung. Snorri begründet dies in seiner Vorrede zur Heimskringla:

„... Anderes ist aufgezeichnet nach alten Skaldendichtungen oder Sagaweisen [gemeint sind genealogische Gedichte wie Ynglingatal], mit denen sich die Leute die Zeit vertrieben. Obwohl wir nun nicht genau wissen, was Wahres daran ist, so wissen wir doch sicher, daß kundige Männer aus alter Zeit diese Überlieferung für wahr gehalten haben.“

und am Ende:

„Als König Harald Schönhaar Alleinherrscher in Norwegen geworden war, wurde Island besiedelt. Beim König waren Skalden, deren Gedichte und Epen über die späteren Könige Norwegens man noch auswendig weiß. Wir legen großen Wert auf das, was in diesen Gedichten vorgetragen wurde, die vor den Häuptlingen selbst oder ihren Söhnen vorgetragen wurden, und wir halten alles für wahr, was sich in diesen Gedichten über ihre Kriegszüge und Schlachten findet. War es nämlich auch Skaldenart, die Männer besonders zu preisen, vor denen sie standen, während sie ihr Gedicht vortrugen, so würde es doch kaum einer von ihnen gewagt haben, von diesem Herrscher Taten zu erzählen, die alle, die sie hörten, ja auch der Herrscher selbst, als offenbare Phantasie oder Lüge erkennen müßten. Das wäre ja kein Preis, sondern vielmehr Hohn gewesen.“

Also ist nicht die Tendenz zu preisen das Problem der Skaldendichtung, sondern daß das Material doch sehr gering ist.

Soweit die Sagas die Skaldendichtung verarbeitet haben, kommt noch hinzu, daß diese ihre eigene Lebenswirklichkeit und Gedanken über das Königtum im 12. und 13. Jahrhundert auf die von den Skalden beschriebenen Zustände übertrugen und so auch die Dichtwerke oft in ihrem gesellschaftlichen Kontext mißverstanden und mißdeuteten.

Mythologie

In den ‚Bragaroedur‘ (Bragis Gespräche mit Ögir, Strophe 57 und 58) wird folgendes über den Ursprung der Skaldenkunst berichtet:

57.Ferner sprach Ögir: Woher hat die Kunst ihren Ursprung, die ihr Skaldenkunst nennt? Bragi antwortete: Der Anfang davon war, daß die Asen Unfrieden hatten mit dem Volk, das man Wanen nennt. Nun aber traten sie zusammen, Frieden zu schließen, und der kam nun so zustande, daß sie von beiden Seiten zu einem Gefäß gingen und ihren Speichel hineinspuckten. Als sie nun schieden, wollten die Asen dieses Friedenszeichen nicht untergehen lassen. Sie nahmen es und schufen einen Mann daraus, der Kwasir heißt. Der ist so weise, daß ihn niemand um ein Ding fragen mag, worauf er nicht Bescheid zu geben weiß. Er fuhr weit umher durch die Welt, die Menschen Weisheit zu lehren. Einst aber, da er zu den Zwergen Fialar und Galar kam, die ihn eingeladen hatten, riefen sie ihn zu einer Unterre­dung beiseite, und töteten ihn. Sein Blut ließen sie in zwei Gefäße und einen Kessel rinnen: der Kessel heißt Odhrörir; aber die Gefäße Son und Bodn. Sie mischten Honig in das Blut, woraus ein so kräftiger Met entstand, daß ein jeder, der davon trinkt, ein Dichter oder ein Weiser wird. Den Asen berichteten die Zwerge, Kwasir sei in der Fülle seiner Weisheit erstickt, denn keiner war klug genug, seine Weisheit all zu erfragen.
Danach luden diese Zwerge den Riesen, der Gilling heißt, mit seinem Weibe zu sich, und baten den Gilling, mit ihnen auf die See zu rudern. Als sie aber eine Strecke vom Lande waren, ruderten die Zwerge nach den Klippen und stürzten das Schiff um. Gilling, der nicht schwimmen konnte, ertrank, worauf die Zwerge das Schiff wieder umkehrten und zurück ruderten. Sie sagten seinem Weibe von diesem Vorgang: da gehabte sie sich übel und weinte laut. Fialar fragte sie, ob es ihr Gemüt erleichtern würde, wenn sie nach der See hinaussähe, wo er umgekommen sei. Das wollte sie tun. Da sprach er mit seinem Bruder Galar, er solle hinaufsteigen über die Schwelle und, wenn sie hinausginge, einen Mühlstein auf ihren Kopf fallen lassen, weil er ihr Gejammer nicht ertragen könne. Und also tat er. Als der Riese Suttung, Gillings Brudersohn, dies erfuhr, zog er hin, ergriff die Zwerge, führte sie auf die See und setzte sie da auf eine Meeresklippe. Da baten sie Suttung, ihr Leben zu schonen, und boten ihm zur Sühne und Vaterbuße den köstlichen Met, und diese Sühne ward zwischen ihnen geschlossen. Suttung führte den Met mit sich nach Hause und verbarg ihn auf dem sogenannten Hnitberge; seine Tochter Gunnlöd setzte er zur Hüterin. Davon heißt die Skaldenkunst Kwasirs Blut, oder der Zwerge Trank, auch Odhrörirs-, oder Bodns- und Sons-Naß, und der Zwerge Fährgeld (weil ihnen dieser Met von der Klippe Erlösung und Heimkehr verschaffte), ferner Suttungs Met und Hnitbergs Lauge.
58. Da sprach Ögir: Sonderbar dünkt mich der Gebrauch, die Dichtkunst mit diesen Namen zu nennen. Aber wie kamen die Asen an Suttungs Met? Bragi antwortete: Davon wird erzählt, daß Odin auszog und an einen Ort kam, wo neun Knechte Heu mähten. Er fragte sie, ob sie ihre Sensen gewetzt haben wollten. Das bejahten sie. Da zog er einen Wetzstein aus dem Gürtel und wetzte. Die Sicheln schienen ihnen jetzt viel besser zu schneiden: da feilschten sie um den Stein; er aber sprach, wer ihn kaufen wolle, solle geben, was billig sei. Sie sagten alle, das wollten sie; aber jeder bat, den Stein ihm zu verkaufen. Da warf er ihn hoch in die Luft, und da ihn alle fangen wollten, entzweiten sie sich so, daß sie einander mit den Sicheln die Hälse zerschnitten. Da suchte Odin Nachtherberge bei dem Riesen, der Baugi hieß, dem Bruder Suttungs. Baugi beklagte seine Übeln Umstände und sagte, neun seiner Knechte hätten sich umgebracht; nun wisse er nicht, wo er Werkleute hernehmen solle. Da nannte sich Odin bei ihm Bölwerk und erbot sich, die Arbeit der neun Knechte Baugis zu übernehmen; zum Lohn verlangte er einen Trunk von Suttungs Met. Baugi sprach, er habe über den Met nicht zu gebieten, Suttung, sagte er, wolle ihn allein behalten; doch wolle er mit Bölwerk dahinfahren und versuchen, ob sie des Mets bekom­men könnten. Bölwerk verrichtete den Sommer über Neunmänner­arbeit für Baugi; im Winter aber begehrte er seinen Lohn. Da fuhren sie beide zu Suttung, und Baugi erzählte seinem Bruder, wie er den Bölwerk gedungen habe; aber Suttung verweigerte geradeheraus jeden Tropfen seines Mets. Da sagte Bölwerk zu Baugi, sie wollten eine List versuchen, ob sie an den Met kommen möchten, und Baugi wollte das geschehen lassen. Da zog Bölwerk einen Bohrer hervor, der Rati hieß, und sprach, Baugi sollte den Berg durchbohren, wenn der Bohrer scharf genug sei. Baugi tat das, sagte aber bald, der Berg sei durchgebohrt. Aber Bölwerk blies ins Bohrloch, da flogen die Splitter heraus, ihm entgegen. Daran erkannte er, daß Baugi mit Trug umgehe, und bat ihn, ganz durchzubohren. Baugi bohrte wei­ter und als Bölwerk zum andernmal hineinblies, flogen die Splitter einwärts. Da wandelte sich Bölwerk in einen Wurm und schloff in das Bohrloch. Baugi stach mit dem Bohrer nach ihm, verfehlte ihn aber. Da fuhr Bölwerk dahin, wo Gunnlöd war, und lag bei ihr drei Nächte, und sie erlaubte ihm drei Trünke von dem Met zu trinken. Und im ersten Trunk trank er den Odhrörir ganz aus, im andern leerte er den Bodn, im dritten den Son und hatte nun den Met alle. Da wandelte er sich in Adlersgestalt und flog eilends davon. Als aber Suttung den Adler fliegen sah, nahm er sein Adlerhemd und flog ihm nach. Und als die Asen Odin fliegen sahen, da setzten sie ihre Gefäße in den Hof. Und als Odin Asgard erreichte, spie er den Met in die Gefäße. Als aber Suttung ihm so nahe gekommen war, daß er ihn fast erreicht hätte, ließ er von hinten einen Teil des Metes fahren. Danach verlangt niemanden: habe sich das wer da wolle; wir nennen es der Dichterlinge Teil. Aber Suttungs Met gab Odin den Asen und denen, die da schaffen können. Darum nennen wir die Skaldenkunst Odins Fang oder Fund, oder Odins Trank und Gabe, und der Asen Getränk.[6]

Siehe auch

Literatur

  • P. Foote / D. Wilson: The Viking Achievement. Praeger, New York 1970, Sidgewick and Jackson, London 1970, 1980, 1984. ISBN 0283354992
  • K. Gade: On the recitation of Old Norse skaldic poetry. In: Studien zum Altgermanischen. Festschrift für Heinrich Beck. Ergänzungsbd 11 zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Walter de Gruyter, Berlin-New York 1994, S. 126–151. ISBN 3-11-012978-7
  • Alexander Jóhannesson: Isländisches Etymologisches Wörterbuch. Francke, Bern 1956
  • H. Kuhn: Das Dróttkvætt. Heidelberg 1983. ISBN 3-533-03204-3
  • M. Olsen: Skalde. in: Arkiv för nordisk filologie. Capellen, Kristiania 1883 ff. (später Lund). Bd. 38
  • R. Poole: Skalde. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd 28. Walter de Gruyter, Berlin-New York 2005, S. 553–559. ISBN 3-11-018207-6
  • M. Steblin-Kamenski: On the etymology of the word „Skáld“. In: Afmælisrit Jóns Helgasonar. Festschrift hrsg. v. Jakob Benediktsson, Jon Samsonarson u. a. Heimskringla, Reykjavík 1969, S. 421–430

Fußnoten

  1. Lit.: M. Steblin-Kamenski
  2. Lit.: Olsen, S. 95
  3. Lit.: Kuhn
  4. Lit.: Gade, Foote
  5. Lit.: Poole
  6. Vgl. auch: Bragaroedur – Bragis Gespräche mit Ögir (Strophe 57 und 58)