Tischbein, Johann Heinrich (der Ältere)

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Johann Heinrich Tischbein der Ältere, der „Kasseler Tischbein“, um 1760; er gehört zu den talentiertesten und einflußreichsten Mitgliedern der Malerfamilie Tischbein. Zusammen mit dem Bildhauer Johann August Nahl der Ältere (1710-1781) und dem Architekten Simon Louis du Ry (1726-1799) war es wesentlich sein Verdienst, daß die Residenzstadt Kassel in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem Kunstzentrum von überregionaler Bedeutung wurde.

Johann Heinrich Tischbein der Ältere (Lebensrune.png 14. Oktober[1] 1722 in Haina; Todesrune.png 22. August 1789 in Kassel) war ein deutscher Maler.

Leben und Wirken

Allgemeine Deutsche Biographie

Johann Heinrich Tischbein der Ältere - Selbstporträt.jpg
Johann Heinrich Tischbein der Ältere (1722-1789). Ausstellung, 25. November 1989 bis 11. Februar 1990, Neue Galerie, Staatliche und Städtische Kunstsammlungen Kassel.jpg
Tischbein: Johann Heinrich T., geboren am 3. October 1722 in Haina, † am 22. August 1789 in Kassel. Nicht weniger als fünf Söhne unter den neun Kindern des Hospitalbäckers Johann Heinrich Tischbein zu Haina in Oberhessen widmeten sich der Malerei, und mit entschiedenem Erfolge der Träger des obigen Namens, der Erste genannt, zum Unterschied von seinem Neffen, Joh. Heinr. dem Zweiten, einem gleichfalls hervorragendem Künstler. Joh. Heinr. zeigte schon früh bedeutende Anlagen für die Malerei und erhielt seinen ersten Unterricht von dem Maler Fries in Kassel. In seinem 14. Jahre malte er das Porträt des Kochs des Grafen Stadion, Vaters des deutschen Gesandten in Stockholm und London, und bei einem großen Diner, welches der Graf gab, wurde dies Gemälde den Gästen gezeigt. Alle waren überrascht von der Aehnlichkeit, und das Porträt machte das Glück des jungen Künstlers. Graf Stadion, der die bedeutende Begabung des Jünglings erkannte, versah ihn mit den Mitteln sein Talent auszubilden. Nach damaliger Ansicht konnte dies nur in Paris geschehen, wo die berühmtesten Maler lebten. Unter diesen, einer der gefeiertsten, war van Loo, dessen Gemälde im Salon von 1737 Glück machten und von dem Diderot sagte, „er sei, wenn auch ein großer Künstler, doch kein Genie“. Zu ihm kam der junge T. und blieb einige Jahre. Dann wurde er Schüler von Boucher und studirte eifrig die Arbeiten von Watteau, dem er besonders die Drapirung der Figuren abzusehen sich bestrebte.
Die Einflüsse, unter welchen T. zu dieser Zeit in Paris arbeitete, bestimmten vollkommen die Richtung seiner Kunst, er wurde in dieser ganz und gar Franzose. In seltenem Maaße eignete er sich das Gefällige und Anmuthige der französischen Malweise an, mit Glück das reizvolle Colorit seiner Pariser Vorbilder. Freilich gingen auch die Schwächen und Fehler jener Epoche des Kunstverfalls auf ihn über, die innere Wahrheit, die echte Empfindung fehlen. Es sollte eben alles schön sein auf Kosten des Charakteristischen. – Nach 13jährigem Aufenthalt in Paris ging T. nach Italien und besuchte Bologna, Florenz und schließlich Rom, wo ihm aber das Klima so wenig zusagte, daß er die ewige Stadt bald verließ und nach Venedig ging, hier trat er in das Atelier des damals hochberühmten Piazetta. Bald erkannte indeß dieser Künstler die Ebenbürtigkeit seines Schülers und war großherzig genug, ihm dies selbst zuzugestehen.
Nach kurzem Aufenthalt in Italien kehrte T. in die Heimath zurück und verheirathete sich (1755) mit der Tochter des Secretärs der französischen Gesandtschaft in Kassel, Marie Sophie Robert. Nach vier Jahren starb die Frau, und einige Jahre später wurde deren Schwester Marianne Pernette Tischbein’s zweite Gemahlin. Wenn auch die damaligen Zustände in Deutschland wenig geeignet waren, um einem Künstler wie T. einen bestimmenden Einfluß auf die Entwicklung deutscher Kunst zu gestatten, so galt er doch als einer der besten Maler des 18. Jahrhunderte, und zahlreich waren die nach seiner Art sich bildenden Künstler. Maaßgebend für die Beurtheilung der Werke der Malerei war die Pariser Kritik, und als der strenge Diderot die im Salon von 1761 ausgestellten Gemälde von T. rückhaltlos gelobt hatte, war der Ruhm des Künstlers entschieden. Hundert Jahre später füllte ein deutscher Kritiker – Waagen – ein strengeres aber gewiß richtigeres Urtheil über T. Als Historienmaler nimmt T. bei der Nachwelt keine sehr hohe Stelle ein; seine Compositionen sind nicht frei von akademischer Gespreiztheit, die Zeichnung – wenn auch correct – entbehrt des charakteristischen und an die Natur erinnernden Gepräges. Weit Bedeutenderes schuf T. als Porträtmaler, und man kann den Enthusiasmus begreifen, den namentlich seine Frauenbildnisse erregten. Da war alles vorhanden was die Welt des Puders, der Schminke und der Schönpflästerchen in Entzücken versetzen mußte. Ueber dem blühenden Colorit, den meisterhaft gemalten Stoffen und Spitzen, über dem bezaubernden Lächeln und den funkelnden Augen dieser coquetten Schönheiten übersah man den Mangel des Charakteristischen, der Wahrheit und Natur, von der freilich in diesen Kreisen nicht viel die Rede war. Hat man sich einmal mit der Auffassung der Menschen, wie sie T. beliebte, befreundet, so wird man hingerissen von den glänzenden Eigenschaften des Meisters, von seiner brillanten Technik und seinem reizvollen Colorit. Die prachtvolle Sammlung Tischbein’scher Frauenporträts im Schloß Wilhelmsthal bei Kassel bietet wohl in dieser Beziehung das Beste und Schönste, was wir von dem Meister besitzen. Die Zeit war noch nicht wiedergekommen, wo man den großen Meistern der Malerei vergangener Jahrhunderte wieder gerecht wurde, Namen wie Dürer und Holbein, wie van Dyck und Velasquez waren der damaligen Welt wenig geläufig, und am allerwenigsten hielt man in den vornehmen Kreisen von deutscher Kunst. T. hatte einen zweiten, aber ebenfalls vergeblichen Versuch gemacht sich in Rom niederzulassen und hatte sich im J. 1760 in Mainz eingefunden, um einige Porträts zu malen. Graf Stadion, sein treuer Beschützer, befand sich in Frankfurt mit dem Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen.
Beide waren große Kunstfreunde und eifrige Sammler von Gemälden und ihre Unterhaltung hatte gewöhnlich die Kunst zum Gegenstand. Der Graf zeigte dem Fürsten das Bildniß einer Dame aus Mainz. „Das ist“, sagte er, „das Werk eines Unterthanen Ihrer Hoheit, den ich habe reisen und studiren lassen; nun ist er ein zu großer Künstler für mich geworden und ich würde ihn gern Eurer Hoheit überlassen, damit er sich noch in seiner Kunst vervollkommnen könnte.“ Der Landgraf wollte nicht glauben, daß das Bild von einem Deutschen gemalt sei. „Kein Hesse“, wiederholte er, „ist im Stande so zu malen, das Bild hat ein Franzose gemalt.“ – T. befand sich in Mainz, der Graf schrieb ihm sofort nach Frankfurt zu kommen und Pinsel und Farben nicht zu vergessen. Trotz eines furchtbaren Zahnschmerzes kam der Künstler dieser Aufforderung nach. Nachdem ihn der Graf von dem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt, theilte er ihm mit, daß er am nächsten Morgen das Porträt des Landgrafen anfangen und sehr schnell beenden müsse, da der Herr bald abreise. Vergebens suchte T. sich zu entschuldigen, er sei krank und könne vor Schmerz kaum die Augen aufmachen. „Das kann sein“, meinte der Graf, „aber Sie dürfen sich dennoch nicht weigern, ich weiß, Sie können es und überdies muß das Porträt morgen schon fertig sein. Ihr Glück, T., hängt davon ab und meine Ehre; der Landgraf würde mich für einen Aufschneider halten, denn er will absolut nicht glauben, daß Sie der Maler dieses Frauenporträts sind.“ T. mußte nachgeben und brachte trotz der peinigendsten Schmerzen eines seiner besten Bilder hervor. Der Landgraf, der im höchsten Grade erstaunt und zufrieden war, ernannte T. zum Hofmaler. Im J. 1806 befand sich dies Bild noch im Cabinet Wilhelm’s VIII., wo es wie ein kostbares Juwel bewahrt wurde.
Im J. 1776, nachdem der Landgraf eine Akademie der bildenden Künste gegründet, ernannte er T. zum Director und später zum Professor und Rath. – Unter den religiösen Gemälden des Meisters ist besonders zu erwähnen das große Altarbild in der Michaeliskirche zu Hamburg. Zahlreich sind seine Historienbilder, deren bedeutendstes, „Die Hermannsschlacht“, sich im Schlosse zu Pyrmont befindet. Vorzugsweise war es aber die griechische Mythologie, der er die Gegenstände zu seinen Bildern entnahm. Auch mit dem Grabstichel war T. vertraut und reproducirte damit viele seiner Gemälde.
Johann Anton T., jüngerer Bruder des Vorigen, starb 1784 als Zeichenlehrer am Hamburger Johanneum.
Johann Jakob T., ein jüngerer Bruder von Joh. Heinr., geboren in Haina 1724, † in Lübeck 1791, empfing den ersten Unterricht in der Malerei in Kassel und wandte sich ausschließlich der Landschaftsmalerei zu. Berghem und Wouvermann wurden seine Vorbilder, und nachdem er sich mit dem Maler Philipp Hackert – dem italienischen Hackert, wie er genannt wurde – befreundet hatte, malten sie gemeinschaftlich, indem T. die Staffage ihrer in kleinem Maaßstabe ausgeführten Bilder, Figuren und Thiere, Hackert den landschaftlichen Theil übernahm. T. lebte längere Zeit in Hamburg.
Anton Wilhelm T., der jüngste der Brüder und Söhne des Hospitalbäckers in Haina, geboren 1734, † in Hanau 1804, war Schüler seines Bruders Valentin. Er lebte abwechselnd in Holland und am Rhein, am längsten in Mainz.
Johann Heinrich T. II., genannt der Jüngere, geboren 1742, † in Kassel 1808, war ein Sohn des Joh. Konrad T. und Schüler seines Onkels Joh. Heinrich d. Aelteren. Er malte Landschaft und Thiere und ließ sich nach längerem Aufenthalt in Holland in Kassel nieder. Hier wurde er 1775 zum Inspector der Gemäldegalerie des Landgrafen ernannt, welche sein Onkel und Meister geordnet hatte. Eine vortreffliche Landschaft von ihm in der vom König Maximilian Joseph gegründeten Sammlung im alten Schlosse von Nürnberg. T. war auch ein tüchtiger Kupferstecher.
Johann Heinrich Wilhelm T. I., geboren am 15. Februar 1751 in Haina, † am 26. Juli 1829 in Eutin, zweiter Sohn des Johann Konrad T. Das Talent dieses bedeutenden Malers und ausgezeichneten Menschen entwickelte sich früh, Dank der liebevollen Unterweisung seines Vaters, der in dem Knaben die Liebe zur Natur zu wecken verstand und seine ersten Versuche im Zeichnen und Malen aufmerksam verfolgte. Im großväterlichen Hause zu Haina war es besonders die alte Mutter, welche, selbst eine ausgezeichnete Stickerin, dem Enkel das nöthige Material zur Arbeit verschaffte. In seinem 15. Jahre brachte ihn der Vater nach Kassel und von da nach Hamburg zu seinem Onkel Jakob. Hier fing er an Porträts zu malen, doch so wenig kunstsinnig waren damals die Bewohner der alten Hansestadt, daß selbst ein Maler wie Denner dort nicht aufkommen konnte. T. wandte sich dann nach Bremen, wo er mehr Glück hatte und zahlreiche Porträts zu malen bekam. Noch förderlicher und wichtiger für ihn war aber die Bekanntschaft des Hauptmanns Wilmans, der einen überaus bildenden Einfluß auf den jungen Künstler ausübte. Der Aufenthalt in Bremen hatte ihm die Mittel verschafft eine Reise nach Holland zu machen (1772–73), um die niederländischen Meister zu studiren. Im folgenden Jahre finden wir ihn in Hannover, und hier war es Winckelmann, der die Begeisterung für Homer und die antike Welt in T. weckte. Er wandte sich nun fast ausschließlich der Geschichtsmalerei zu, ging wieder nach Kassel, wo er zwei Jahre lang gemeinschaftlich mit seinem Onkel Johann Heinrich d. Aelteren arbeitete. Besonders förderlich war ihm hier das Studium der prachtvollen Sammlung von niederländischen Gemälden im Cabinet des Landgrafen Wilhelm VIII., welche dieser Fürst während seines Aufenthaltes in Holland als Gouverneur des Landes gesammelt hatte und welche die Grundlage der heute so berühmten Kasseler Gemäldegalerie bildeten.
Inzwischen hatte sich der Ruf Tischbein’s als Porträtmaler immer mehr ausgebreitet, besonders als er die Bildnisse des Prinzen und der Prinzessin von Württemberg gemalt hatte. Eine Kunstreise, die er im nächsten Jahre (1777) nach Dresden und Berlin unternahm, machte ihn zum ersten Male bekannt mit den Meisterwerken der italienischen Schule. Ueber alles fesselten ihn die Gemälde des Correggio. In Berlin wurde T. mit Porträtaufträgen dergestalt überhäuft, daß er seinen jüngsten Bruder Jakob kommen ließ, um ihm zu helfen. Ueber Tischbein’s Art zu arbeiten und über seine Erfolge am preußischen Hofe möge eine Stelle aus seiner Selbstbiographie „Aus meinem Leben“ interessante Auskunft geben:
„Einige Wochen hielt ich mich in Dresden auf und besuchte täglich die Gallerie. Dann reiste ich nach Berlin, übergab meinen Empfehlungsbrief und eröffnete meinen Antrag an Ihre Hoheit die Prinzessin Ferdinand. Diese hatte die Gnade, mich schon am folgenden Tage ihr Bildniß für ihre geliebte Schwester malen zu lassen. Sie führte mir ihre Kinder zu, die Prinzessin Louise, die Prinzen Heinrich und Louis; auch stellte sie mich ihrem Gemahl, dem Prinzen Ferdinand, vor. Nachdem ich Alle gesehen hatte, entwarf ich meine Composition und das Bild wurde angefangen. Ich wohnte bei ihr im Schlosse zu Friedrichsfelde, ging aber oft in die Stadt, wo ich mehrere Porträts aufnahm, unter Andern das vom Minister Finkenstein, welches ich 13 Male für seine Freunde copiren mußte. Ein Mal auch malte ich ihn in ganzer Figur, in Lebensgröße, in seiner Ordenskleidung als Johanniter. So häuften sich die Arbeiten immer mehr und ich hatte sogar das Glück, Ihre Majestät die Königin zu malen, welche gleichfalls gegen mich äußerte, daß sie ihr Portrait gerade von mir zu haben wünsche, weil sie gehört habe, daß ich so schnell male, denn das lange Sitzen wäre ihr unangenehm. Es schien mir übrigens als spräche sie gern über die Kunst und ich sann vorher darauf, wie ich sie während des Sitzens unterhalten wollte, damit sie nicht Langeweile hätte. Als Alles bereit war trat die Königin herein und setzte sich wie ich es wünschte. Ich fing sogleich beim Arbeiten eine Erzählung an über die Malerei, wobei sie mit Gefallen zuhörte und wenn ich es nöthig fand, daß sie den Mund bewegte, that ich eine Frage, worauf sie etwas erwidern mußte. So waren rasch ¾ Stunden vergangen und ich stand auf und dankte für die gehabte Geduld. Die Königin glaubte, daß sie sich anders setzen müsse und war sehr verwundert, als ich erwiderte, daß ich schon fertig sei. Mehrere Damen des Hofes kamen nun herbei und jauchzten über die große Aehnlichkeit des Bildes; ein alter Bedienter trat auch herein und als er es sah, fing er an zu weinen und sagte, ‚unsere gute Preußenmutter wie sie leibt und lebt‘. Ich mußte noch einige Copien davon machen. Das Original schickte die Königin an die Mutter des Kronprinzen. Als diese denselben Abend Assemblee bei sich hatte, stand zufällig eine Dame mit dem Rücken gegen die Wand gekehrt, wo das Bild kurz vorher, etwas niedrig aufgehängt war; indem sie sich nun eben umdrehte, glaubte sie die Königin selbst zu sehen und wollte sich entschuldigen, daß sie nicht auf die Seite getreten sei. Diese Täuschung der Dame machte großes Aufsehen in der Assemblee. Vielleicht that sie auch nur so, um der Prinzessin über das Geschenk der Königin ein angenehmes Compliment zu machen. Genug, mir brachte es großen Vortheil, denn es sprach sich in der Stadt herum, und ich bekam so viel Bestellungen, daß ich oft drei Portraits an einem Tag machte. Ich gewann nun auch immer mehr Fertigkeit, in weniger Zeit die Hauptzüge und das Charakteristische eines Gesichts aufzufassen, so daß ich oftmals den Kopf, den ich portraitiren sollte, nicht einmal mit Kreide vorzeichnete, sondern gleich mit Pinsel und Farben anfing.“ Im J. 1778 finden wir den Künstler wieder in Kassel, wo er zum Mitglied der Akademie ernannt wurde und auf drei Jahre nach Italien geschickt wurde. Eines seiner berühmtesten Porträts aus dieser Zeit ist das der Schauspielerin Döbbelin als Ariadne. In Rom fesselten ihn besonders die Werke Raphael’s und die Antiken, an welchen, wie er hervorhebt, ihn hauptsächlich die Hände und Füße zum eingehendsten Studium veranlaßten.
Noch vor Ablauf der 3jährigen Studienzeit verließ T. Italien und begab sich zunächst nach Zürich. Dem Aufenthalt in dieser Stadt verdanken wir unter anderm die Porträts des Dichters Bodmer, von Lavater, Geßner, von Füßli und Hirzel und außer diesen beendete er seinen „Götz von Berlichingen“, eine Bestellung des Herzogs von Weimar. In Zürich erhielt er einen Brief vom Rath Merk in Darmstadt, welcher ihm mittheilte, daß der Herzog von Gotha auf den Wunsch Goethe’s, ihm vorschlüge auf seine, des Herzogs Kosten nach Rom zurückzukehren, was T. mit Freuden annahm. Zum zweiten Mal befand er sich in Rom im Jahr 1782. Seine Hauptwerke, die hier entstanden, waren „Brutus und seine Söhne“, „Sophonisbe“, „Paris und Hektor“ und „Helena“. Eines seiner größten Bilder aus dieser Zeit war außerdem: „Konradin von Schwaben, Schach spielend mit seinem Vetter Friedrich von Oesterreich, erhält die Nachricht von seinem Todesurtheil“. Die interessanteste Episode aus dem Leben unseres Künstlers war aber die Bekanntschaft mit dem großen französischen Maler David, der eben mit seinem Gemälde: Der Schwur der Horatier beschäftigt war, welches bei seinem Erscheinen im Salon von 1785 in Paris einen beispiellosen Erfolg hatte und dem Künstler den Namen des Wiederherstellers der Malerei einbrachte. Um den Erfolg dieses Bildes zu begreifen muß man die damalige Zeitströmung und die Geschmacksrichtung ins Auge fassen. Die Revolution stand vor der Thüre, es gährte auf allen Gebieten des Lebens, von Grund aus sollten alle Verhältnisse umgestaltet werden und nur in der antiken römischen Welt sahen die Franzosen ein würdiges Vorbild. Dieser Stimmung gab das Meisterwerk einen unvergleichlichen Ausdruck; man hatte kein Auge für den theatralischen Aufbau und die innere Kälte der Composition, man sah nur die todesmuthigen Römer und in ihnen sich selbst.
T. wollte vor allen Dingen eine aufrichtige Kritik hören und wünschte seinen Konradin von competenten Richtern beurtheilt zu sehen, und sein höchster Ehrgeiz war, den großen Franzosen zu einem Besuche in seinem Atelier zu bewegen. „Ich wohnte“, erzählt er, „nicht weit von David, und sah ihn täglich auf seinem Wege nach seinem Atelier vorüber gehen. So ging ich denn eines Tages ihm einen nachbarlichen Besuch zu machen und ihn höflich zu bitten, mir seine Meinung über mein Bild zu sagen. Er weigerte sich zuerst. Ich habe keine Zeit, sagte er. Alle Tage werde ich um die gleiche Gefälligkeit von jungen Künstlern angegangen, und immer ist es nicht der Mühe werth. Ich ließ nicht nach mit Bitten, er möge es doch aus Freundschaft für meinen Vetter Friedrich, seinen Schüler, thun. Endlich, nachdem er seinen Kaffee getrunken, zog er sich langsam an und begleitete mich. Sobald ich die Thür meines Ateliers geöffnet hatte, blieb er wie angewurzelt stehen und rief aus: das macht Ihnen schwerlich Ihr Vetter Friedrich nach und selbst nicht Ihr Landsmann Raphael Mengs. Wie kommt es denn, daß ich noch nie von Ihnen gehört habe? Es ist meine erste größere Composition, erwiderte ich. Ich gehe bald wieder nach Paris, sagte David, und bitte Sie, den jungen Malern von der französischen Akademie zu erlauben, Ihr Bild zu sehen. Jetzt aber gehen Sie mit in mein Atelier und sagen mir Ihre ehrliche Meinung über meine Horatier. Wir gingen sofort. Beim Anblick der düstern und kriegerischen Gestalten der drei Brüder, denen der Vater zum Schwur die Waffen entgegenhält, überlief es mich eiskalt. Lange stand ich sprachlos davor. David versicherte mich wiederholt seiner ganzen Freundschaft. Sagen Sie mir offen was Sie denken. Das will ich, antwortete ich. Nun, wenn Sie die weibliche Gruppe ebenso ausführen wie die männliche, so wird Ihrem Bild Niemand den ersten Rang streitig machen. Mein Bild ist fertig und ich rühre es nicht mehr an. Man sieht aber die Untermalung, die Frauengruppe braucht etwas mehr Licht! Ich mache nichts mehr daran, mein Bild bleibt wie es ist. Ich schwieg.
Der Ruhm Tischbein’s, den David auf diese Weise bestätigt hatte, verbreitete sich nun reißend schnell. Der russische Staatsrath v. Wiessen in Rom wünschte den Konradin für die Kaiserin Katharina zu erwerben. Der Künstler verweigerte es und gab als Grund an, daß die Dankbarkeit gegen den Herzog von Gotha, der ihm den Aufenthalt in Rom ermöglichte, ihm die Pflicht auferlege, das Gemälde diesem Fürsten anzubieten. Er war nicht zu bewegen, von dieser Auffassung abzugehen. Als das Bild in Gotha angekommen war, ließ es der Herzog in seinem Arbeitscabinet aufstellen, das nur er betrat. Das war ein grausamer Schlag für den armen T. als er es erfuhr, nachdem er zwei Jahre ohne irgend welche Nachricht über seine Sendung geblieben. Nicht nur die Gelegenheit, auf einmal seiner Sorgen enthoben zu sein, war ihm entgangen, er hatte auch, was für die empfindliche Seele eines wahren Künstlers das schlimmste war, den Schmerz, um den wohlverdienten Ruhm gekommen zu sein. Seine pecuniären Mittel waren geschmälert und um weitere Arbeiten unternehmen zu können, glaubte er sich berechtigt, einen größern Betrag für seinen Unterhalt fordern zu dürfen. Die Antwort ließ nicht auf sich warten. „Da T. nicht zufrieden ist mit dem was ich ihm gebe, so halte ich mich fernerer Verpflichtungen gegen ihn für überhoben“.
T. war außer sich über diesen Bescheid, aber wie ein echter Künstler warf er sich nun mit doppeltem Eifer auf seine Studien, namentlich die von Thieren und dem Leben des Volkes. Ende October 1786 traf Goethe in Rom ein und zog gleich in die Wohnung, in der T. zusammen mit G. Schütz und Friedrich Bury hauste. T., der ihm in Rom zum ständigen Begleiter und Führer diente, folgte ihm Ende 1787 nach Neapel. Während dann Goethe in Kniep’s Begleitung nach Sicilien reiste, blieb T. in Neapel; einflußreiche Freunde wünschten, daß er sich hier um die Stelle des Directors der Malerakademie bewerben möchte, welche damals der nicht sehr bedeutende Maler Bonito inne hatte. Eine Bekanntschaft, welche großen Einfluß auf sein ferneres künstlerisches Schaffen hatte, machte T. in Neapel: es war Sir William Hamilton, der englische Gesandte, ein ausgezeichneter Kunstkenner und seine nachmalige Gemahlin, die berüchtigte Emma Harte, ebenso verführerisch schön als geistreich; nach ihrer Verheirathung mit Hamilton (1791) der Mittelpunkt der Gesellschaft am Hofe des Königs beider Sicilien, und berühmt durch ihre mimisch-plastischen Darstellungen. „Lady Hamilton“, schreibt T., „hatte eine so charakteristische Physiognomie, daß sie die lebhaftesten Leidenschaften und Empfindungen mit der größten Wahrheit ausdrücken konnte. In jeder Stellung, sitzend, stehend, liegend, immer hätte man sie malen mögen“. T., für den sie ein unvergleichliches Modell war, benutzte ihren Kopf für verschiedene Gemälde. Aber von größerer Bedeutung war die Anregung, welche der classisch gebildete Engländer dem deutschen Maler zu neuen Compositionen gab. Hamilton hatte eine große Sammlung von antiken bemalten und gravirten Vasen, über tausend Exemplare, angelegt und veranlaßte T., nach diesen Malereien Umrisse zu den Gesängen des Homer zu entwerfen. Schon während seines Aufenthaltes in Zürich im J. 1781 hatte der Dichter Bodmer T. auf das Studium Homer’s als Fundgrube bildnerischer Stoffe hingewiesen. In Neapel erhielt diese Richtung durch die Anschauungen antiker Bildwerke reiche Nahrung. T. überzeugte sich, daß die meisten antiken Kunstwerke den Schilderungen Homer’s entnommen seien. Diesen Schöpfer der Kunst daher nicht allein durch antike Darstellungen zu illustriren, sondern gewissermaßen des ehrwürdigen Sängers Worte in Bildwerke umzusetzen, wurde jetzt die originelle Aufgabe des Künstlers. So erschien das Prachtwerk „Homer nach Antiken gezeichnet von H. W. Tischbein, mit Erläuterungen von Chr. Gottlob Heyne“ (Göttingen 1801). Dem classischen Alterthume, dessen Studium bisher fast nur auf architektonische und plastische Ueberreste beschränkt gewesen war, wurde durch die Anzahl der entdeckten Vasengemälde eine neue Seite abgewonnen, die malerische, sowie das antike Leben durch den Umfang des dargestellten Ideenkreises, der selbst das Genre der stillen Gemüthswelt und Häuslichkeit umfaßte, der modernen Anschauung erst lebensfähig und lebendig vor das Auge trat.
Unter vielen Porträts, die T. in Neapel malte, war das herrliche Bildniß von Charlotte Campbell, Tochter des Herzogs von Argyll, die damals für Englands größte Schönheit galt. Auch die reizende Prinzessin von Monaco, welche unter der Schreckensherrschaft in Frankreich guillotinirt wurde, saß ihm zu ihrem Porträt.
Als Bonito, der Director der Akademie, plötzlich starb, bat T. den König, ihm dies wichtige Amt zu übertragen, für welches man Raphael Mengs im Auge hatte, indem er seine große Liebe zur Kunst betonte und den Wunsch, den Gang der Studien in ein besseres Geleise zu bringen. Dagegen wurde heftig intriguirt und besonders hervorgehoben, daß den Deutschen bei ihrer Kälte und ihrem Phlegma das höhere Wesen der Kunst unerreichbar sei. Auf solche Behauptungen gründeten die Gegner der Tischbein’schen Candidatur ihren Plan.
Der Tag kam heran, an dem man sich auf die Kanzlei zu begeben hatte, um den Willen des Königs zu erfahren. Die Concurrenten fanden sich im Secretariat des Prinzen Belmonte ein, wo ihnen sofort die Bedingungen des Programms vorgelesen wurden. „Seine Majestät verlangt eine Probe des Talents mit dem der Maler begabt sein muß, um ohne Vorbereitung die Skizze eines historischen Gemäldes zu entwerfen, ohne irgend welche Hülfsmittel. Wer diese Bedingungen annimmt, muß sich in ein Zimmer einschließen lassen, zwischen leeren Wänden, ohne Papier, ohne Kupferstich und nur mit dem absolut nothwendigen in der Tasche. Die zu bemalende Leinwand hat 6 Fuß Länge und 3 Fuß Höhe. Jeder Bewerber bereitet seine Leinwand vor und dann wird das Sujet bekannt gegeben und endlich muß die Skizze in drei Wochen beendet sein.“ „Ich bin erstaunt, rief T. aus, daß man eine Skizze verlangt, um die Directorstelle zu erhalten. Ich hätte gewünscht ein großes Bild zu malen, über welches Jeder ein Jahr hätte nachdenken können und zeigen, was er kann; ein Gemälde mit weiblichen und männlichen Figuren, nackten und drapirten, denn solche zu malen muß der Professor der Akademie die Schüler lehren. Da man aber anderer Meinung ist, so bin ich bereit die Skizze nicht nur in drei Wochen, sondern in drei Tagen zu machen, und handelt es sich nur um einen Entwurf – darin besteht die Geschicklichkeit – so werde ich ihn in drei Stunden machen. Und endlich, damit man sicher ist, daß ich mich keiner fremden Hülfe bediene, verlange ich nicht in einem geschlossenen Zimmer zu arbeiten, denn man kann nicht wissen, was Jeder thut, sondern öffentlich in Gegenwart einer zahlreichen Gesellschaft, in Gegenwart der versammelten Mitbewerber, wenn man will, auf einem öffentlichen Platz. – Man bat meine Collegen, sich zu äußern, – sie verstummten.
„Endlich lehnten sie unter allerlei Vorwänden ab und ich blieb der einzige Bewerber. Es verstrich einige Zeit, ohne daß ein Entschluß gefaßt wurde. Da erschien ein Künstler, der es mit mir aufnehmen wollte, Domenico Mondo, der intime Freund des Secretärs, welcher die Kunstangelegenheiten verwaltete. Man berief uns auf die Akademie, um zum zweiten Male die Bedingungen der Concurrenz zu hören. Acht Tage später machte uns der Secretär mit dem zu malenden Gegenstand bekannt: „Massinissa nimmt die Frau des Syphax, Königs von Numidien, Sophonisbe, die er früher geliebt, gefangen“.
„Anstatt an die Arbeit zu gehen, erstieg ich die Höhen des Posilipp, von wo man das Meer und die weite Landschaft überblickt. Hier versenkte ich mich in meinen Gegenstand und ging dann an meine Aufgabe, die ich in 14 Tagen beendete. Ich schrieb unter mein Bild: ‚che non puo quel che vuole, voglia cio che puo‘. Mein Concurrent war nach drei Wochen nicht fertig und man gestattete ihm acht Tage länger.
„Der Präsident der schönen Künste ließ die beiden Bilder in das Palais bringen, wo die ganze königliche Familie erschien, um sie zu prüfen. Da sagten mir die Secretäre: ‚Von uns allein hängt Ihre Ernennung ab. Und wenn Sie den König, die Königin, den Hof und die ganze Stadt für sich hätten, es würde Ihnen nichts nützen, wenn wir nicht wollen. Wir beherrschen den Einfluß, den wir nach Belieben geltend machen können; wenn uns die Sache nicht convenirt, lassen wir lieber die ganze Akademie fallen‘. Ich fand glücklicherweise einen ehrenhaften Ausweg aus diesen Intriguen. Ich bat Se. Majestät meinem Mitbewerber die Hälfte des Gehalts und des Amtes zu geben. Der König ging gern hierauf ein und ich gewann hierdurch auch das Wohlwollen der Neapolitaner. Der 80jährige Mondo, ein braver Mensch, war für meine Reformprojecte kein Hinderniß.“
Die politischen Ereignisse, das Zerwürfniß mit der französischen Republik unterbrachen die erfolgreiche Thätigkeit Tischbein’s. Der Hof floh nach Sicilien und am 23. Januar 1799 rückte der französische General Championnet in Neapel ein. T. wurde sehr freundlich von ihm behandelt und der kunstsinnige Franzose war entzückt von seinen Arbeiten. Bei einem Diner der Officiere, zu dem T. eingeladen war, machte ihm Pascal, der Erzpriester von Versailles, den Vorschlag, Generaldirector der schönen Künste für ganz Italien zu werden. Die Franzosen betrachteten Italien wie eine ihrer Provinzen. „Der Vorschlag erschreckte mich, schreibt T., ich sah darin eine Falle, um von mir zu erfahren, wo sich die Meisterwerke Italiens befänden. Ich vermied es zu antworten, und sprach über Homer und immer wieder von Homer, so daß Pascal schließlich glauben mußte, daß ich nichts anderes kenne, dann brachte ich die Rede auf einen gewissen da Lucca, den ich sehr lobte und so ließ man mich endlich in Ruhe“.
Im Frühling 1799 verließ T. Neapel in Gesellschaft der beiden Brüder Hackert und ging zunächst nach Kassel. Ein Versuch, in Hamburg eine Zeichnenschule zu gründen, hatte keinen Erfolg. Endlich im Jahre 1808 bot ihm der kunstsinnige Herzog Peter von Oldenburg eine sichere Existenz in Eutin an und hier konnte der alternde aber schaffenskräftige Künstler in aller Ruhe und Muße ausführen, was seiner Seele vorschwebte. Es entstand eine Reihe von reizenden Aquarellgemälden idyllischen Inhalts, wie sie schon die Seele des Jünglings erfüllt hatten. Von seinen Zeitgenossen wurden sie mit Begeisterung aufgenommen, wie denn überhaupt die damalige weicher gestimmte Zeit den Tischbein’schen Schöpfungen weit mehr als die Nachwelt entgegenkam. Man nannte den Meister den „Dichter mit der Palette“ und die Rührseligkeit der romantischen Zeit äußerte sich in übertriebener Begeisterung vor seinen Werken. Selbst Männer wie Goethe und Wieland blieben darin nicht zurück. Der erstere begleitete die Idyllenbilder mit Versen, die den Genius des großen Dichters nicht immer auf seiner Höhe zeigen. Eines der Bildchen besingt er mit den Worten:
Glücklicher Künstler! in himmlischer Luft
Bewegen sich die schönen Leiber,
Versteht er sich doch auf Rosenduft
Und appetitliche Leiber.
Im J. 1829 starb der Künstler in Eutin, 78 Jahre alt. Der kunstsinnige Fürst, welcher ihn dahin berufen, hatte den Lebensabend des greisen Malers zu einem glücklichen und sorgenfreien gestaltet. Die Thätigkeit Tischbein’s war eine ganz außerordentliche und ist nur zu erklären durch die geradezu wunderbare Schnelligkeit, mit der er arbeitete. Die gewaltige Bewegung auf dem Gebiete der bildenden Kunst im ersten Decennium dieses Jahrhunderts, welche mit dem Eklekticismus und mit dem akademischen Formelkram brach, hat er zum großen Theil anbahnen helfen. Er wies in seiner Lehrthätigkeit wieder energisch auf das Studium der Natur und der alten Meister hin und seine vielseitige Bildung arbeitete der neuen Schule wirksam vor, welche in Carstens, Overbeck und Cornelius ihre ausgezeichnetsten Vertreter fand.
T. hinterließ fünf Töchter und einen Sohn, doch keines der Kinder wurde Nachfolger in des Vaters Laufbahn.
Johann Friedrich August T., geboren 1750, † in Heidelberg 1812, war ein Sohn von Joh. Valentin T., welcher 1767 als Hofmaler in Hildburghausen starb. Als Maler gehört er der französischen Schule an, der er sein reizvolles Colorit und die Grazie in der Auffassung seiner Figuren verdankt. Er war ein liebenswürdiger Mensch und am glücklichsten im ruhigen Kreise der Familie. Frühzeitig nach Kassel geschickt um von seinem Onkel Joh. Heinrich d. Aelteren unterrichtet zu werden, wurde Friedrich einer seiner besten Schüler. Er gewann die Gunst des Fürsten von Waldeck, der ihm die Mittel gewährte in Paris die Ateliers der Künstler zu besuchen, mit deren Werken ihn sein Onkel bereits bekannt gemacht hatte. Van Loo und Boucher, der anmuthige Greuze und die berühmte Bildnißmalerin Frau Vigée-Lebrun, wurden seine Vorbilder. Von dem ernsten und herben Wesen des großen David, in dessen Atelier T. längere Zeit studirte, finden sich keine Anklänge in seinen Bildern. Der gefeierte französische Meister bestand vor allem auf strenger Zeichnung und Studium der Anatomie, die, wie der geistreiche Künstler behauptete, sehr schwer zu erlernen, aber noch schwerer zu vergessen sei. Heiterkeit und liebliches Wesen sind die charakteristischen Eigenschaften von Tischbein’s Gemälden. Viele derselben sind vortrefflich in Kupfer gestochen und bewahren in dieser Wiedergabe auch ohne den Zauber der Farbe ihren ganzen Reiz.
Im J. 1785 ging T. nach Neapel, wo ihn die königliche Familie durch zahlreiche Porträtaufträge beschäftigte. Nach langem Aufenthalt in der Fremde in sein Vaterland zurückgekehrt, ernannte ihn der Fürst von Waldeck zum Hofmaler und Rath. Kriegerische Ereignisse hielten diesen Fürsten lange Zeit von seiner Heimath fern und das mochte wol den Künstler veranlassen, zu seiner Familie nach Holland zu gehen, wo er in die Kunstgenossenschaft Pictura im Haag aufgenommen wurde. Nach einigen Jahren kam er nach Deutschland zurück und wurde vom Herzog von Anhalt-Dessau bis zum Jahre 1800 beschäftigt, als ihn der Kurfürst von Sachsen, Friedrich August III., von dem Napoleon später sagte, „das ist der ehrlichste Mann, der jemals ein Königsscepter gehalten“, zum Professor und Director der Kunstschule in Leipzig ernannte. Aus dem Jahre 1800 entstammt auch das Bildniß des Dichters Wieland, der 1813 in Weimar starb.
Aus meinem Leben, von Joh. G. Wilhelm Tischbein. Braunschweig 1861. – Aus Tischbein’s Leben und Briefwechsel, von Friedr. von Alten. Leipzig 1872. – Les Tischbein par Michel. Lyon 1880. – J. G. Tischbein, fürstlicher Rath und Hofmaler als Mensch und Künstler, von J. F. Engelschall. Nürnberg 1797.[2]

Literatur

Fußnoten

  1. vgl.: Bahlmann: „Johann Heinrich Tischbein“, S. 5
  2. Allgemeine deutsche Biographie, Bd.: 38, Thienemann - Tunicius, Leipzig, 1894; als Wikisource lesen