Deutscher Presserat

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Beispiel einer Verbrechensmeldung nach den Wünschen des Deutschen Presserats: Die FAZ vermeldet, „ein Vater“ „soll getötet haben“. Die ausgelöste Assoziation ist: Ein Deutscher wurde zum Mörder. Die Tatsache ist: Pakistani Sohail A., ein seit 2012 von den Behörden im Land gehaltener abgelehnter Asylant, hatte seiner Zweijährigen die Kehle durchgeschnitten, was sofort – auch bei der Zeitung – bekannt war (Anrißtext von der Startseite der FAZ, 24.10.2017)

Der Deutsche Presserat ist eine Organisation der großen deutschen Verleger- und Journalistenverbände Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV), Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ), Deutscher Journalisten-Verband (DJV) sowie Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Gegründet wurde der Presserat am 20. November 1956 nach dem Vorbild des britischen „Press Council“, um ein geplantes Bundespressegesetz zu verhindern. Die Geschäftsstelle hatte ihren Sitz in Bonn; im Juni 2009 zog sie nach Berlin um.[1]

Organisation

Die beiden Hauptorgane des Presserats sind der Trägerverein und das Plenum. Die Aufgabe des Trägervereins ist das Eintreten für die Medien- und Pressefreiheit und die Wahrung des Ansehens der deutschen Presse. Der Trägerverein besteht aus acht Mitgliedern, darunter jeweils zwei aus den vier Mitgliedsverbänden. Vorsitzender des Trägervereins ist Hermann Neusser, Verleger und Herausgeber des Bonner General-Anzeigers. Stellvertretende Vorsitzende des Trägervereins ist Ulrike Maercks-Franzen, Bundesgeschäftsführerin der dju. Das Plenum fungiert als freiwilliges Selbstkontrollorgan der deutschen Presse. Es kümmert sich um die Beseitigung von Missständen im Pressewesen und tritt für den ungehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen ein. Das Plenum setzt sich aus 30 Mitgliedern zusammen, darunter jeweils acht Mitglieder von VDZ und DJU und sieben von BDVZ und DJV. Vorsitzender des Plenums ist Fred von Bismarck, Verlagsleiter beim Spiegel-Verlag. Seine Stellvertreterin ist Sigrun Müller-Gerbes, Redakteurin bei der Neuen Westfälischen.

Das Jahresbudget beträgt derzeit (2007) rund 700.000 Euro, worin rund 180.000 Euro Bundeszuschüsse enthalten sind.

Pressekodex

Der Deutsche Presserat hat die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) ausgearbeitet, eine Art Ehrenkodex für Medienvertreter, der 1973 erstmals veröffentlicht und am 3. Dezember 2008 letztmals überarbeitet wurde. Am 12. Dezember 1973 wurde er an Bundespräsident Gustav Heinemann überreicht. Es gehört zur Tradition des Pressekodex, dass auch jede Änderung dem amtierenden Bundespräsidenten übergeben wird. Verstößt ein Presseunternehmen gegen einen oder mehrere dieser publizistischen Grundsätze, ist es jedem Menschen möglich, eine Beschwerde beim Presserat einzureichen. In seinen Sitzungen entscheidet das Gremium, ob die Beschwerde begründet ist. Es hat dann die Möglichkeit, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Hinweis
ergeht an die betreffende Redaktion bei geringeren Verstößen gegen den Kodex, nicht-öffentlich
Missbilligung
ergeht für schwerere Verstöße gegen den Kodex, nicht-öffentlich. Nach § 15 Beschwerdeordnung besteht keine Pflicht, Missbilligungen in den betroffenen Publikationsorganen abzudrucken. Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine solche redaktionelle Entscheidung.
Rüge
härtestes Sanktionsmittel: Öffentliche Rügen muss das Medium abdrucken. Nicht-öffentliche Rügen werden ausgesprochen bei schwerwiegenden Verstößen, wenn sich eine weitere Veröffentlichung aus Gründen des Opferschutzes verbietet.

2003 sprach der Presserat 20 öffentliche und sechs nicht-öffentliche Rügen sowie 49 Missbilligungen und 55 Hinweise aus. 2004 waren es 27 öffentliche und sieben nicht-öffentliche Rügen, 37 Missbilligungen und 40 Hinweise. 2005 erteilte der Presserat 25 öffentliche und vier nicht-öffentliche Rügen.[2] Im Jahr 2008 waren es 15 öffentliche und drei nicht-öffentliche Rügen; der Presserat sprach 52 Missbilligungen und Hinweise aus. In 116 Fällen war die Beschwerde nach Feststellung des Beschwerdeaussschusses unbegründet.[3]

Berichterstattung über Straftaten

Auszug aus dem Presse-Kodex: Richtlinie 12.1 - Berichterstattung über Straftaten:[4]

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.“

Pfeil 2 siehe auch.pngSiehe auch: Ausländerkriminalität

Weltnetz

Um sich über das Weltnetz beschweren zu können, ist ab Januar 2009 der Deutsche Presserat auch für journalistische Weltnetz-Angebote zuständig. Im Weltnetz sollten dieselben Standards gelten wie für gedruckte Veröffentlichungen - die Ausweitung des Presse-Kodex auf den Weltnetz-Bereich könne die Glaubwürdigkeit des neuen Mediums stärken. Voraussetzung sei aber, dass die Anbieter sich zu dem Kodex bekennen und eine entsprechende Erklärung abgeben.[5]

Politische Arbeit

Politisches Ziel des Deutschen Presserates ist es, durch freiwillige Selbstkontrolle eine Kontrolle der gedruckten Medien durch staatliche Aufsichtsstellen zu verhindern. Dieses Prinzip formuliert der Geschäftsführer des Presserates, Lutz Tillmanns, so:

Schreibfeder.png

Wie erfolgreich der Presserat ist, läßt sich auch an der Zurückhaltung des Gesetzgebers ablesen, Gesetze zu erlassen, die die Grenzen journalistischer Arbeit definieren.

– Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserates, Zitiert nach [6]


1952 legte der Bundesinnenminister Robert Lehr einen Gesetzentwurf für ein Bundespressegesetz vor, das die Einrichtung von „Landespresseausschüssen“ vorsah.[7] Der Gesetzentwurf war ein politisches Druckmittel Lehrs, um die Verleger und Journalisten davon zu überzeugen, dass für eine „innere Sauberkeit“ (Lehr) eine Selbstkontrolle der deutschen Presse notwendig sei. Da eine staatliche Kontrolle für die Journalisten und Verleger nicht hinnehmbar war, kam es dann am 20. November 1956 nach dem Vorbild des britischen „Press Councils“ zur Gründung des Deutschen Presserates. Zur Gründung waren zehn Verleger und Journalisten an der Organisation beteiligt.

1958 wurde der Presserat gegen einen Entwurf für eine Strafrechtsnovelle aktiv, der Gefängnisstrafe für jemanden vorsah, der das Privatleben eines ausländischen Staatsoberhauptes öffentlich herabwürdigend darstellt und so internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland stört. Hintergrund der geplanten Novelle war die Darstellung der Scheidung der Prinzessin Soraya von Schah Mohammad Reza Pahlavi, über die ausführlich in den deutschen Boulevardzeitungen berichtet wurde. Der Gesetzentwurf wurde nicht verabschiedet.

In den 1960er und 1970er Jahren trieb der Presserat eine Vereinheitlichung der Landespressegesetze voran. Nach der Spiegel-Affäre erreichte der Presserat eine Reform des Strafgesetzbuches, in der der dehnbare Straftatbestand des Landesverrates präzisiert wurde. In der Diskussion um die Deutsche Notstandsgesetze 1968 wandte er Einschränkungen der Pressefreiheit ab. In die Diskussion um die Medienkonzentration griff der Deutsche Presserat durch die Beisteuerung von Sachinformationen ein. Seit 1976 zahlt die Bundesrepublik regelmäßig Zuschüsse an den Presserat.

1986 wurde ein Trägerverein für den Presserat gegründet.

Da sich der Deutsche Presserat gegen die Vorratsdatenspeicherung stellt, ist er Mitunterzeichner der gemeinsamen Erklärung des AK Vorrat (Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung) zu dem entsprechenden Gesetzesentwurf.

Gerügte Medien und Wirksamkeit

Seit 1986 vom DPR für die Form der Berichterstattung gerügten Medien.

Als 1977 Günter Wallraff umstrittene Arbeitsmethoden der Bildzeitung aufdeckte, rügte der Presserat die Zeitung insgesamt sechs Mal. Auch Wallraff selbst wurde gerügt, da verdeckte Ermittlungen gegen den Pressekodex verstießen. Die Debatte über den Umgang mit Wallraffs Recherche und deren Ergebnissen führte zu einer starken Spaltung zwischen Verleger- und Journalistenvertretern im Presserat. Als 1981 der Express den Abdruck einer Rüge verweigerte, stellte der Presserat seine Arbeit ein, bis 1985 die Verlage eine Selbstverpflichtung zum Abdruck der Rügen abgaben.

Die Maßnahmen des Deutschen Presserats bewerten die Medien und die Beschwerdeführern in der Wirksamkeit unterschiedlich, da die Sanktionen kaum Konsequenzen für das Blatt haben. Kritiker bezeichnen den Presserat deshalb als „zahnlosen Tiger“.[8] Die Bildzeitung behielt ihre Form der Berichterstattung trotz einer Vielzahl von vom Presserat ausgesprochenen Rügen bei.

Modernisierung

Seit längerer Zeit wird im Presserat eine Modernisierung überlegt, denn bisher ist der Presserat auf Druckmedien und Druckmedien mit Weltnetzpräsenz beschränkt. Zu den Überlegungen gehören ein besonderer Onlinekodex, die Regulierung der von Nutzern eingestellten Formate wie Weltnetztagebuch (Weltnetzforen, Blogs), Videos und Audiodateien (Podcasts). Dies wäre in Deutschland die bisher erste Anerkennung von beispielsweise Weltnetzschreibern (Bloggern) als journalistische Anbieter.

Siehe auch

Eine vergleichbare Institution, die sich mit der Beurteilung von Werbung beschäftigt, ist der Deutsche Werberat.

Verweise

Fußnoten

  1. Mitteilung des BDZV vom 22. Juni 2009
  2. http://www.presserat.de/Pressemitteilung_anzei.pm+M5c4d00c962d.0.html
  3. Presseratsstatistik 2008
  4. Pressekodex in der Fassung vom 3. Dezember 2008: Richtlinien zu Ziffer 12
  5. Deutschlandradio Kultur, 4. Dezember 2008: Presserat künftig auch für Online-Medien zuständig
  6. Stefan Niggemeier: Zur Sache, Kätzchen. faz.net, 22. Januar 2006.
  7. Gernot Facius: Beschweren erwünscht. welt.de, 16. November 2006.
  8. Stefan Niggemeier: Zur Sache, Kätzchen. faz.net, 22. Januar 2006.
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