Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel ( 4. Oktober 1633 in Hitzacker; 27. März 1714 in Salzdahlum bei Wolfenbüttel) war Herzog zu Braunschweig und Lüneburg und Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, der sich auch schriftstellerisch betätigte.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Anton Ulrich war der zweite (überlebende) Sohn von Herzog August dem Jüngeren und Dorothea Prinzessin von Anhalt-Zerbst. Ersten Unterricht bekam er, wie auch die übrigen der jüngeren Fürstenkinder, von Justus Georg Schottelius und Sigmund von Birken. Die Stiefmutter Sophie Elisabeth von Mecklenburg förderte die künstlerische Ausbildung der Herzogskinder sehr. Schon als Schüler und später als Student verfaßte der Fürst erste eigene Lieder und Dichtungen, womit er gemeinsam mit seiner ebenfalls literarisch begabten Schwester Sibylle Ursula besonders hervortrat. Er studierte an der Universität Helmstedt und wurde in Theologie promoviert. Zu seinem Wirken heißt es:[1]
- Anton Ulrich Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (...), geb. 4. Oktober 1633 in Hitzacker, erhielt eine sorgfältige wissenschaftliche Ausbildung; Schottelius und Sigmund von Birken gehören zu seinen Lehrern. Seit 1685 war er Mitregent seines Bruders Rudolf August, seit dessen am 26. Januar 1704 erfolgtem Tode regierender Herzog. Er starb den 27. März 1714 in dem von ihm erbauten Prachtschlosse Salzdahlum bei Wolfenbüttel. Neben geistlichen Liedern, Singspielen und und Opern verfaßte er, ein Nachahmer Bucholtzens und der Schlesier, die historischen Helden- und Liebesromane: „Die durchlauchtige Syrerin Aramena“ (1669-73) in 5 Bänden; „Die römische Octavia“ (Band I-VI 1685-1707, Band VII 1762).
Deutsche Biographie
- A. war viel gereist, weltklug, willenskräftig, prunkliebend und galt als einer der angesehensten Fürsten der Zeit. 1667 wurde er Statthalter, 1685 Mitregent seines älteren Bruders Herzog Rudolf August und 1704 alleiniger Regent des Herzogtums. 1709 trat er geheim, am 11.4.1710 in Bamberg öffentlich zur katholischen Kirche über. Als Regent lebte er in dem von ihm 1694-95 errichteten Lustschloß Salzdahlum, dessen Gemäldegalerie z. T. im Braunschweiger Landesmuseum aufging. Der begabte Jüngling erhielt eine sorgfältige, moderne Erziehung im Sinne der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ durch den großen Sprachgelehrten →J. G. Schottel und den Dichter →S. von Birken; hinzu kam eifrige Pflege der Musik am Wolfenbüttler Hof. So schrieb er geistliche Oden sowie zehn Opern, welche meist vom Hofkapellmeister →J. J. Löwe, einem Schüler von H. Schütz, komponiert wurden. Sie haben meist heroischen Charakter, wie „Iphigenie in Aulis“ (1661) oder die beste: „Daniel“ (1663). Je eine Oper nahm er in seine beiden Romane auf. Auch sie haben heroische Haltung und zeigen im Sinne des christlichen Stoizismus eine gläubige Beständigkeit der Hauptpersonen in den mannigfach verschlungenen Wegen und jähen Schicksalschlägen. Diese enthüllen sich schließlich als gütige Vorsehung, die Heldentum und Edelmut zum Sieg führt. Gemäß der Staatsauffassung des absolutistischen Gottesgedankens besteht die Geschichte im Verknoten der Schicksale von Herrschern. Deren Gesinnung und Entscheidung bestimmen das Los ihrer Staaten und Völker. Wie die Hauptpersonen in schwieriger Lage sich vorbildlich verhalten, wird herausgearbeitet. Die „Aramena“ (5 Bände, 1669–73) behandelt die Umgliederung des babylonisch-assyrischen Reiches zur Zeit der alttestamentlichen Patriarchen. „Octavia“ (6 Bände, 1677–85, 2. Ausgabe 1712), die junge Gattin Neros, erlebt dessen Untergang, verknüpft mit der parthischen und medischen Staatsgeschichte. Das wird in einer höfisch stilisierten Kunstprosa voll würdevollem Schwung vorgetragen, in Briefen und Reden überdacht und beleuchtet. Mit Herrscherblick ordnet der Herzog das Gewebe des Geschehens und dirigiert die Fülle der Nebenpersonen. Die Gesellschaftskultur des deutschen Barocks fand darin ein Leit- und Wunschbild, nicht einen Spiegel der Wirklichkeit, obschon manche Episoden deutlich an Vorkommnisse der Wirklichkeit erinnerten. So enthält die Geschichte der Prinzessin Solane das berühmte Abenteuer der Gräfin →Aurora von Königsmarck. Bot Grimmelshausen im „Abenteuerlichen Simplizissimus“ (1669) Sicht und Deutung des Lebens vom Volke her, so zeigte die gleichzeitig erscheinende „Durchlauchtige Syrerin Aramena“ die Perspektive der höfischen Welt. Das Ansehen dieser Romane war groß. Noch Goethe läßt in „Wilhelm Meisters Lehrjahren“ die Schöne Seele sagen: „Aber die 'Römische Octavia' behielt vor allen den Preis.“[2]
Hofmohren
Der Herzog schätze seine Mohren überaus, dies zeugt auch die Geschichte von Anton Wilhelm Amo, den er als Knabe aus der Sklaverei befreite und der später, gefördert durch den neuen Herzog August Wilhelm, Philosoph und Rechtswissenschaftler wurde. Herzog Anton Ulrich schrieb schon 1681 in einem Singballett:
- Hier aus Africa die Mohren
- Sind gebohren
- Wo sich schwellt des Nilus Fluth
- Ihr Gesicht ist von der Sonnen
- Zwar entbronnen
- Dennoch ist das Herze gut. […]
- Bey Entrée der Mohren:
- Wie braun und schwartz wir sind an Farb und an Geblüth
- So sind wir doch schneeweiß an Hertz und an Gemüth;
- Es liegt nicht jederzeit an euserlichem Schein
- Die Muscheln schließen auch die weißen Perlen ein.
Familie
Anton Ulrich heiratete am 17. August 1656 Elisabeth Juliane von Holstein-Norburg (1634–1704), Tochter von Friedrich von Schleswig-Holstein-Norburg. Das Paar hatte 13 Kinder, von denen sechs noch vor dem ersten Geburtstag starben:
- August Friedrich (1657–1676), gefallen, Erbprinz
- Elisabeth Eleonore (1658–1729), ab 1675 verheiratet mit Johann Georg von Mecklenburg (1629–1675), in zweiter Ehe 1681 mit Bernhard I. von Sachsen-Meiningen
- Anna Sophie (1659–1742), ab 1677 verheiratet mit Karl Gustav von Baden-Durlach
- Leopold August (1661–1662), Erbprinz
- August Wilhelm (1662–1731)
- August Heinrich (1663–1664)
- August Karl (/ 1664)
- August Franz (1665–1666)
- Augusta Dorothea (1666–1751), ab 1684 verheiratet mit Anton Günther II. von Schwarzburg-Sondershausen
- Amalia Antonia (/ 1668)
- Henriette Christine (1669–1753), Äbtissin von Gandersheim
- Ludwig Rudolf (1671–1735), ab 1690 verheiratet mit Christine Luise von Oettingen-Oettingen
- Sibylle Rosalia (1672–1673)
Werke (Auswahl)
- Des Trojanischen Paridis Urtheil/ Von dem Goldenen Apffel der Eridis (Netzbuch)
- Amelinde, Oder: Dy Triumphirende Seele (Netzbuch)
- Andromeda : ein Königliches Fräulein aus Aethiopien (Netzbuch)
- Ballet Der Diana, Oder: Ergetzliche Lust der Diana (Netzbuch)
- Ballet Der Gestirne, Oder: Annehmliche Aufführung der sieben Planeten und etlicher vornehmen Gestirne (Netzbuch)
- Ballet Der Natur / Oder: Fürstliche Frühlings-Lust (Netzbuch)
- Ballet Des Tages / Oder: Aufblühende Frühlings-Freude (Netzbuch)
- Davids und Jonathans Treuer Liebe Beständigkeit (Netzbuch)
- Der Hoffman Daniel : Wie er bey dem Könige Dario gedienet (Netzbuch)
- Die Verstörte Irmenseul; oder Das Bekehrte Sachsenland (Netzbuch)
- Frühlings-Ballet, Oder: Dy Vermählung des Phoebus mit der Flora (Netzbuch)
- Iphigenia, ein Königliches Fräulein/ Agamemnonis, der Mycenen und Argiver Königes Tochter (Netzbuch)
- Masquerade Der Hercinie: Oder Lustiger Aufzug deß Hartz-Waldes (Netzbuch)
- Orpheus aus Thracien/ Der Calliope un deß Apollinis Sohn (Netzbuch)
- Regier-Kunst-Schatten / Oder: Vorstellung etlicher Beschaffenheiten, welche einem Potentaten vorträglich oder nachtheilig seyn können (Netzbuch)
- Selimena : Ein Singe-Spiel Auf dem Fürstlichen Beylager Des ... Adolf Wilhelms (Netzbuch)
- Abschiedsschreiben Herzog Anton Ulrichs zu Braunschweig an seine Enkelin, die Römische Kayserin Elisabeth, Gemahlin K. Carls VI. vom 22. Merz 1714 (Netzbuch)
- Die durchleuchtige Syrerin Aramena (HTML-Version) auf Zeno.org
- Octavia. Römische Geschichte: Der hochlöblichen Nymfen-Gesellschaft (Band 1 PDF-Datei, Viertes Buch des Ersten Theils)
- Frohlockendes Blanckenburg (PDF-Datei)
Literatur
- Ferdinand Sonnenburg: „Herzog Anton Ulrich von Braunschweig als Dichter“, 1896 (Netzbuch und einzelne Seiten als PDF-Dateien speicherbar) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- „Des Herzogs Anton Ulrich zu Braunschweig und Lüneburg geistliche Lieder“, 1856 (PDF-Datei)
- Wilhelm Hoeck: „Anton Ulrich und Elisabeth Christine von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel. Eine durch archivalische Dokumente begründete Darstellung ihres Übertritts zur römischen Kirche“ (1845) (PDF-Datei)