Ganzheit

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Artikel aus dem staatspolitischen Handbuch


Quelle Folgender Text stammt aus dem Staatspolitischen Handbuch, Band 1: Begriffe.

Ganzheit spielt im konservativen Denken seit jeher eine wichtige Rolle. Das hängt mit der Kritik des – analytischen, also jede Ganzheit zerlegenden – Rationalismus zusammen, ist aber auch auf ältere Denktraditionen, etwa die Philosophien Platons, des Aristoteles oder Thomas von Aquins, zurückzuführen, die einen Vorrang des Ganzen gegenüber den Teilen behaupteten. Außerdem besteht eine enge Verknüpfung mit dem „Organismus“-Begriff, der durch den Idealismus eingeführt, von Klassik und Romantik übernommen wurde. Regelmäßig findet sich der Verweis auf den Organismus der Pflanze als Beispiel für die Ganzheit schlechthin.

Der Ausgangspunkt von Ganzheitslehren im strengeren Sinn ist „Wesensschau“ (Othmar Spann), die nur dem dazu Begabten Einblick in die Wirklichkeit ermöglicht, die hinter den Erscheinungen steht und diese auf das Ganze zurückführt. Es spielt dabei die Intuition eine entscheidende Rolle, die sonst unsichtbare Ursprünge, Zusammenhänge, Ähnlichkeiten und komplexe Ergänzungen in bezug auf die ihnen gemeinsame „Wesenheit“ wahrnimmt. Diese „Mitte“ (Hans Sedlmayr) bestimmt alle Ausdrucksformen des Ganzen, wenn es sich in seinen Teilen auswirkt. Es ist zu entdecken, aber nicht zu erfinden und nicht zu machen, es kann sich organisch entfalten, erfährt dabei aber keine qualitative Veränderung, es ist, wie Goethe gesagt hat, „das Eine“, das sich vielfach offenbart“.

Eine derartige, zuerst in der Romantik deutlich formulierte, Auffassung der Realität hatte nicht nur Konsequenzen für die Philosophie, sondern auch für die Rechtslehre, die Geschichtsschreibung, die Volks- und Völkerkunde, die Kunstwissenschaft, die Biologie und die Psychologie. In allen diesen Disziplinen suchte man nach dem „organischen“ Zusammenhang, um dessen „Seele“ zu erkennen, die die Ganzheit stiftete. Diese Methode erwies sich für die Klärung von Begriffen wie „Volksseele“, „Kulturkreis“, „Typus“ oder „Gestalt“ als außerordentlich fruchtbar.

Allerdings ist die Stärke der Ganzheitslehre eine »morphologische«, die wesentlich in der Betrachtung liegt. Es wird hier kein Herrschaftswissen vermittelt, das es ermöglichen würde, jenseits der Erfassung eine Manipulation vorzubereiten, da die immer zur Zerstörung der G. führen könnte. Das erklärt auch die Schwäche, die das Konzept im Zusammenhang mit politischen Lehren hat, die etwa einen »organischen Staat« entwarfen.

Während man längere Zeit die Vorstellung von G. als unmodern, wirklichkeitsfremd oder gefährlich betrachtete, haben sich in der neueren erzieherischen und therapeutischen Praxis immer stärker »ganzheitliche« Ansätze etablieren können. Eine wichtige Rolle spielt der »Holismus« auch für den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Philosophie, in bezug auf die Diskussion über »Netzwerke« oder »systemische« Ansätze wurde der Rekurs zuletzt modisch. Allerdings handelt es sich hier stets um gemäßigte Ganzheitslehren, die nicht notwendigerweise von einem organisierenden »Selbst« hinter den Phänomenen ausgehen und G. eher als eine Metapher verstehen, anders als das die radikale Ganzheitslehre Othmar Spanns und seiner Schule tut, die dem Konzept ganz konsequent folgte.

Zitate

  • Aus dem großen Antlitz der Welt leuchtet uns alle Zeit ein Blick entgegen, der uns sagt, daß kein Ding für sich ist, noch sein kann, sondern alles gehalten wird und Dasein empfängt von einem Größeren, es Umfassenden, derart, daß es sofort in nichts versänke, wenn es aus seinem Umfassenden herausfiele und für sich zu sein sich unterfinge. Der Mensch müßte geistig absterben, der ohne jegliche Gemeinschaft lebte, kein Tier ist ohne Genossen, kein Halm ohne Rasen; und wären selbst ein Stein außer dem Elementarreich, die Erde außer dem Himmelsgebäude denkbar? Alles, was ist, besteht als Glied eines Ganzen!“ - Othmar Spann

Literatur

  • Walter Becher: Der Blick aufs Ganze. Das Weltbild Othmar Spanns, München 1985;
  • Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte [1948], zuletzt Salzburg 1998;
  • Othmar Spann: Kategorienlehre [1924], Gesamtausgabe, Bd 9, Graz 1969

Siehe auch