Rationalismus

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Als Rationalismus (Latein, ratio: Vernunft) wird unter anderem eine philosophische Richtung bezeichnet, die ganz auf rationalen Denkvorgängen beruht.

Wissen (sofern es sich rational begründen läßt), logische Ableitungen und abstrakt gedachte Fakten bilden hierbei die Basis. Als Gegenteil des philosophischen Rationalismus gilt oftmals der Empirismus, der auf persönlichen, die Sinne betreffenden Erfahrungen basiert. Historisch folgte auf den Rationalismus in der europäischen Philosophie der frühen Neuzeit (René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz, Baruch de Spinoza) ein Aufschwung des Empirismus (Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes, David Hume). Nach dieser Einteilung ist die Philosophie Kants eine Hervorbringung des Spät-Rationalismus, die gleichsam völlig aus der Zeit fällt.

Epochen der Ideengeschichte

Ideengeschichte in der Form einer Bezugnahme auf Ismen zu schildern, weckt den natürlichen Argwohn des Betrachters, der sich sogleich fragt, ob denn wirklich nur solche Parteiungen wie die vorgestellten damals zu finden gewesen seien, oder ob nicht vielmehr dasjenige, was unabhängig von Parteiungen gedacht wurde, das eigentliche und wesentliche Denken einer bestimmten vergangenen Zeitspanne gewesen sei. Und tatsächlich ragen Denker auf jede nur mögliche Art heraus, die nicht recht unter Etikettierungen zu fassen ist. So war Leibniz zugleich ein bedeutender Ingenieur und Spinoza ein epochemachender Philologe. Hume war ein wichtiger Historiker und Macchiavelli Diplomat und Politiker.

Aber dennoch können Denkstile mit bestimmten Zeitwenden verbunden werden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg beispielsweise erfaßte der Deismus (also die Vorstellung, Gott sei nur Auslöser des Weltprozesses und nicht deren ständiger Erhalter) fast komplette Generationen von Hochgebildeten, Polyhistoren und Philosophen. Eine Idee, die kurz zuvor noch als kriminelle Häresie galt und kaum verbreitet war. Im Sinne solcher epochentypischen Erscheinungen kann man allerdings feststellen: In der europäischen Geistesgeschichte folgte auf den strengen Rationalismus der frühen Neuzeit (also der Vorstellung, mittels streng logischer Schlußfolgerungen jede philosophische und jede einzelwissenschaftliche Frage erfolgreich bearbeiten zu können) ab ca. dem Jahr 1700 eine zweihundertjährige Periode des Empirismus (also der Vorstellung, daß Einzelbeobachtungen oft unvorhersehbar seien, und daß Einzelbeobachtungen deshalb auch kohärente Gedankensysteme an unvorhersehbarer Stelle zum Einsturz brächten). Typischer Vertreter eines so verstandenen philosophischen Rationalismus war Spinoza, typischer Vertreter eines frühen Empirismus hingegen war der Historiker und Philosoph David Hume. Die Schule des Deutschen Idealismus (mit ihren Hauptvertretern, dem Spät-Rationalisten Immanuel Kant, mit Fichte, Schelling und Hegel) verband ihrerseits empirische mit rationalistischen Motiven und stellte, ganz und gar entgegen der Absicht ihrer Begründer, dem Marxismus Begriffe und Denkfiguren bereit, die späterhin eine fatale Wirkung entfalteten.

Rationalismus und Irrationalismus im 20. Jahrhundert

Unter philosophischer Maßgabe war das 20. Jahrhundert eine besonders dunkle, gereizte, ahnungslose Epoche, in der betriebsblinde Spzialisten und egalitäre Ideologen jedes freie Denken strukturell behindert und verkrüppelt haben. Allein wenige Außenseiter wie Emil Michel Cioran und Nicolás Gómez Dávila haben sich dem übermächtigen Trend zur Oberflächlichkeit, zur Politisierung, Expertenborniertheit und zu marktförmigen Mode-Erscheinungen erfolgreich denkerisch widersetzt. Im 20. Jahrhundert splittete sich die philosophische Tradition vollständig auf: Der Marxismus erklärte nach und nach nicht allein konservative, sondern schlechthin alle mit ihm in Gegnerschaft stehenden gesellschaftspolitischen und erkenntnistheoretischen Positionen für „irrational“ (diese Positionierung ist insbesondere mit dem jüdisch-ungarischen Marxisten Georg Lukacs verknüpft). Besonders einflußreiche Schulen der Universitäts-Philosophie — wie beispielsweise der sogenannte „Kritische Rationalismus“ eines Karl Raimund Popper oder auch die „Existenzialontologie“ eines Martin Heidegger — standen ihrerseits für längere Zeit in völliger akademischer Kommunikationslosigkeit nebeneinander (und bezichtigten sich gegenseitig der Irrationalität oder der Lebensfremdheit).

Weltanschauliche Kämpfe um Säkularismus, um (rousseauistische) Natur-Romantik, um Okkultismus, um New Age (und andere Formen religiöser Opposition) erreichten zumeist aber überhaupt nicht die Schwelle der akademischen Wahrnehmung. Diese spirituellen Themen fehlen deshalb in lexikalischen Darstellungen zur europäischen Ideengeschichte und Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts oft vollständig.[1] „Rational“ ist eben keineswegs das Urvertrauen in ein „Vernunftwesen Mensch“; rational zu sein — also im eigentlichen Wortsinne „vernünftig“ — kann ebensogut (oder mit mehr Recht) die gegenteilige Auffassung beanspruchen, wonach Menschen vorrangig irrational handelnde und vorrangig irrational urteilende Wesen seien. Eine Einschätzung, die bestimmte Verhaltensmaßregeln und Vorkehrungen zwingend erforderlich erscheinen läßt, welche aus der entgegenstehenden vernunftoptimistischen Perspektive entbehrlich oder sogar unverständlih erscheinen müssen.

Wie „aufgeklärt“ ist das Neue Testament?

Der bis heute unter Europäern gänzlich unabgeschlossene Streit um die Göttlichkeit des Neuen Testaments (also um die Grundfrage, ob es ein sogenanntes „aufgeklärtes Christentum“ überhaupt geben könne und was darunter eigentlich zu verstehen sei), begleitet den raschen Niedergang der europäischen Zivilisation seit 1945. Die einzigen seither verbliebenen echt-konservativen Traditionsbestände sind zumeist aufs Engste so fest verquickt mit christlichen Institutionen und mit christlich verstandenen Bildungsbeständen, daß jede Kritik an faktisch kulturkreisfremden Aussagen des Neuen Testaments (etwa den quälenden Schuldbegriff des NT betreffend) umstandslos und ununterscheidbar in die Agenda einer liberalen und marxistischen Religionsfeindschaft hineinfließt.

Anders gesagt: Wenn staatsnahe Kirchenchristen und Universitätstheologen heute die Homosexuellen-„Ehe“ propagieren und das Heilsmonopol ihrer klassisch-biblischen Mission ausdrücklich aufgeben, dann tun sie dies mit Verweis auf „rationale“ und „moderne“ Einsicht. Sie verfahren so, ungeachtet des Umstands, daß ja die gesamte Redeform ihres Auftretens gänzlich archaisch, autoritätsbezogen, orientalisch und priesterlich ist – sie also genau keine „Wahl“ haben, was sie zu lehren belieben und genau keine „Reform“ an Glaubensaussagen „rational“ vorgenommen werden kann, die substanziell der freien Verfügung von Konsumenten und allfälligen Kritikern entzogen ist. Das Wesen rituellen Sprechens und das Wesen der überzeitlichen dogmatischen Festlegung ist es ja eben, keine verhandelbaren Größen, sondern nicht-verhandelbare Mysterien zu tradieren und zu schützen.

Theologen an Universitäten, linke Religionspädagogen und amtskirchliche Prediger agieren somit völlig irrational (im Sinne der faktischen Rolle ihrer traditionell festgelegten Botschaft), vermeinen selbst jedoch, die höchste Rationalität der bisherigen Menschheitsgeschichte zu verkörpern; darin zeigt sich eine infantile Auffassung von Vergangenheit, die dem in ihre Hände gelegten religiösen Erbe auf krasseste Weise Hohn spricht. Religiöse Opposition bei Europäern nimmt – auch aus diesen Gründen des habituellen Widerspruchs bei den Glaubenskündern und des fundamentalen Streits der vielen modernen „Ausleger“ jener in Wahrheit sittlich einmütigen Bibelüberlieferung – heute jede beliebige (und geradewegs exotische) Form an: Auf Esoterik-Messen goutieren Europäer oftmals spirituell alles und jedes, wenn es nur in keiner erkennbaren Beziehung zum Neuen Testament steht.

„Verschwörungstheorie“

Als eigentliches Feld eines modischen „Irrationalismus“ bezeichnet die politische Publizistik unserer Zeit (also die etablierten Vertreter dessen, was heute als „Rationalität“ oder als „Rationalismus“ gilt) das von ihr so bezeichnete „Verschwörungsdenken“. Damit sind — nach der anfänglich thematisch begrenzten Kritik an den regierungsamtlichen Vertuschungen zu „9/11“ — inzwischen fast alle Diskussionen und überhaupt jede Widerrede gemeint, die das tägliche Regierungshandeln der „westlichen“ Industrienationen nicht in beteuernden Tonfall als „fortschrittlich“, als „humanistisch“, als „demokratisch“ und als „alternativlos“ qualifiziert (sondern es etwa dumm, verbrecherisch und betriebsblind nennt).

Zitate

  • Eine Mutter hatte ihren Kindern, zu ihrer Bildung und Besserung, Aesop's Fabeln zu lesen gegeben. Aber sehr bald brachten sie ihr das Buch zurück, wobei der älteste sich, gar altklug, also vernehmen ließ: »Das ist kein Buch für uns! ist viel zu kindisch und zu dumm. Daß Füchse, Wölfe und Raben reden könnten, lassen wir uns nicht mehr aufbinden: über solche Possen sind wir längst hinaus« – Wer erkennt nicht in diesen hoffnungsvollen Knaben die künftigen erleuchteten Rationalisten?“ — Arthur Schopenhauer[2]

Literatur

  • James Webb: Das Zeitalter des Irrationalen. Politik, Kultur & Okkultismus im 20. Jahrhundert. Marix, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-86539-152-0. Mit einem Vorwort von Marco Frenschkowski: James Webb und die Epistemologie des Irrationalen, S. 7-27 [Englischsprachige Originalausgabe: The Occult Establishment. Open Court, La Salle IL 1976, ISBN 0-912050-56-X]

Verweise

Fußnoten

  1. Allein der sogenannte „Vulgär-Materialist“ Ludwig Büchner (Bruder des Dichters Georg Büchner) findet mit gewisser Regelmäßigkeit in solchen lexikalischen Darstellungen Erwähnung. Dies gilt auch für die periphere Erwähnung des Radikal-Voluntaristen Max Stirner, der faktisch jedoch sehr großen Einfluß ausübte auf das Werk von Friedrich Nietzsche
  2. Parerga und Paralipomena II, Zweiter Teilband, § 395