Gegenaufklärung

Aus Metapedia
Wechseln zu: Navigation, Suche

Artikel aus dem staatspolitischen Handbuch


Quelle Folgender Text stammt aus dem Staatspolitischen Handbuch, Band 1: Begriffe.

Gegenaufklärung wird gewöhnlich als pejorativer Begriff benutzt, um jene rechte Intelligenz zu bezeichnen, der man vorwirft, gegen die Ideen der Aufklärung zu stehen. Dieser Vorwurf reicht bis in die Zeit der Aufklärung selbst zurück und betraf neben den »Obskurantisten« – also den Verteidigern der kirchlichen Lehre – vor allem die antiphilosophes, die auf dem Boden der Rationalität das aufklärerische Denken beziehungsweise dessen Implikationen kritisierten.

Gewisse Vorformen dieser G. findet man schon im Rahmen der schottischen Aufklärung, etwa bei David Hume, und auch der Gründervater des Konservatismus, Edmund Burke, war von entsprechenden Vorstellungen beeinflußt. Im Grunde lassen sich aber alle eher skeptischen Geister der Aufklärung in dem Zusammenhang nennen, die radikale Veränderungen des Bestehenden für aussichtslos oder fatal hielten.

Kennzeichnend für die Argumentation der G. war, daß ihre Anhänger die natürliche Güte des Menschen ebenso bestritten wie seine durchgängige Vernunftbestimmtheit, kein Zutrauen in die Machbarkeit von Gesellschaft und Geschichte hatten, sondern immer mit den Auswirkungen von Irrationalität und Zufall rechneten. Dabei bediente man sich aber eben nicht des Verweises auf die Bibel oder die christliche Dogmatik, sondern der Bezugnahme auf die menschliche Überlegung und Erfahrung. Die Überlieferung spielte nur insofern eine Rolle, als die G. besonders offen war für die Lehren der Geschichte, während die Aufklärung jede historische Erfahrung ignorierte.

Obwohl es sich bei den Gegenaufklärern um Intellektuelle handelte, teilten sie den allgemeinen Widerwillen der Konservativen gegen »Ideokratien« (Fritz Valjavec). Das erklärt hinreichend, warum entsprechende Denkmotive für die Rechte immer weiter eine Rolle gespielt haben: Von den Gegnern der Französischen Revolution (etwa Rivarol oder Georges Sorel) über die realistische Schule der Gesellschaftswissenschaft (etwa Max Weber, Werner Sombart oder Vilfredo Pareto) bis zu den »Anti-Soziologen« der »Zweiten Aufklärung« im 20. Jahrhundert (etwa Helmut Schelsky oder Arnold Gehlen).

Was alle Befürworter der G. über die Zeit hinweg verbindet, ist zweierlei: die Annahme einer zersetzenden Wirkung der Aufklärung und deren strukturelle Unehrlichkeit: Diese führe gerade nicht zu einer Herrschaft der Vernunft, sondern zur Herrschaft der Ideologen, nicht zu einem Mehr an Freiheit, sondern zu besonders subtilen Formen der Manipulation, nicht zum Ende der Institution, sondern zu deren Mißbrauch, nicht zu Unmittelbarkeit im Umgang der Menschen, sondern zur Allmacht der Intrige.

Zitate

  • Wie hätte diese Nation, die hochmütigste und unbeständigste der Welt, der trügerischsten und furchtbarsten aller Verlockungen widerstehen können? Unsere Philosophen haben sie aus dem Kelch der Souveränität berauscht. Wieviel Vernunft, wieviel Zeit wird erforderlich sein, um sie zu ernüchtern.“ — Antoine de Rivarol

Siehe auch

Literatur

  • Jochen Schmidt (Hg.): Aufklärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur. Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989, ISBN 3-534-10251-7
  • Kurt Wais: Das antiphilosophische Weltbild des französischen Sturm und Drang 1760-1789, Neue Forschung. Arbeiten zur Geistesgeschichte der germanischen und romanischen Völker, Bd. 24, Berlin 1934
  • Fritz Valjavec: Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815, München 1951
  • Christoph Weiß / Wolfgang Albrecht (Hgg): Von »Obscuranten« und »Eudämonisten«. Gegenaufklärerische, konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert«, Literatur im historischen Kontext, Bd. 1, St. Ingbert 1997