Geheimes Zusatzprotokoll

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Das geheime Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt kam auf Betreiben Stalins zustande. Es sah eine Aufteilung der Interessensphären zugunsten der Sowjetunion ungefähr durch die Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San begrenzt vor. Der deutsche Außenminister Ribbentrop erfuhr erst am Tage der geplanten Unterzeichnung des Abkommens vom tatsächlichen Inhalt dieses geheimen Zusatzprotokolls. Auf Grund der drängenden Zeit und der prekären Lage in der sich Deutschland durch die Kriegsvorbereitungen Polens befand, mußte er auf Anweisung des Führers dieses Protokoll unterzeichnen, um das gesamte Abkommen mit der Sowjetunion nicht zu gefährden.

Hitler vor die Wahl gestellt, mit Stalins Rückendeckung seine Handlungsfreiheit in der Danzig-Frage zu erhalten, oder ohne Stalin auf Danzig, die exterritorialen Transitwege und den Schutz der deutschen Minderheit in Polen zu verzichten, akzeptiert die Interessensphären-Grenzen, die der Russe fordert.[1]

Entgegen der fälschlichen Darstellung im Sinne der gegenwärtigen politischen Korrektheit wurde also keine "Aufteilung" Polens vereinbart, sondern eine Einteilung des gesamten Osteuropäischen Gebietes in Interessenzonen, wobei die Initiative dafür von Stalin ausging.

Der deutsche Außenminister sagte dazu später vor dem Nürnberger Tribunal:[2]

„(...) Als ich 1939 nach Moskau zu Marschall Stalin kam, besprach er mit mir nicht die Möglichkeiten einer friedlichen Beilegung des deutsch-polnischen Konfliktes im Rahmen des Briand-Kellogg-Paktes, sondern er ließ durchblicken, wenn er zur Hälfte Polens und den baltischen Ländern nicht noch Litauen mit dem Hafen Libau bekäme, könne ich wohl gleich wieder zurückfliegen.“

Dies war die erste sowjetische Erpressung, Deutschlands Zwangslage ausnutzend. Weitere Erpressungen sollten folgen, bis zur Unannehmbarkeit, die letztlich zum Russlandfeldzug führte:

Nachdem Hitler den immer anmaßender werdenden sowjetischen Forderungen auf territoriale Zugeständnisse in Europa entgegengetreten war, führte die UdSSR im Sommer 1940 die Kriegswirtschaft ein. (...)[3]

Der Wortlaut

Aus Anlaß der Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken haben die unterzeichneten Bevollmächtigten der beiden Teile in streng vertraulicher Aussprache die Frage der Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa erörtert. Diese Aussprache hat zu folgendem Ergebnis geführt:
1. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung in den zu den baltischen Staaten (Finnland, Estland, Lettland, Litauen) gehörenden Gebieten bildet die nördliche Grenze Litauens zugleich die Grenze der Interessensphäre Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wird das Interesse Litauens am Wilnaer Gebiet beiderseits anerkannt.
2. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung der zum polnischen Staate gehörenden Gebiete werden die Interessensphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch die Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San abgegrenzt.
Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen lassen, und wie dieser Staat abzugrenzen wäre, kann endgültig erst im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden.
In jedem Falle werden beide Regierungen diese Frage im Wege einer freundschaftlichen Verständigung lösen.
3. Hinsichtlich des Südostens Europas wird von sowjetischer Seite das Interesse an Bessarabien betont. Von deutscher Seite wird das völlige Desinteressement an diesen Gebieten erklärt.
4. Dieses Protokoll wird von beiden Seiten streng geheim behandelt werden.

Moskau, den 23. August 1939

Für die
Deutsche Reichsregierung
v. Ribbentrop


In Vollmacht
der Regierung der UdSSR
W. Molotow

Erläuterung

Bei Abgrenzung der Interessensphären gemäß Geheimem Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes hatte die sowjetrussische Regierung dem Reichsminister des Auswärtigen Joachim von Ribbentrop erklärt, daß sie mit Ausnahme der sich damals in einem Zustand der Zersetzung befindlichen Gebiete des ehemaligen polnischen Staates nicht die Absicht habe, die in ihrer Interessensphäre liegenden Staaten zu besetzen, zu bolschewisieren oder zu annektieren. Die Betrachtung der nun folgenden Ereignisse zeigte jedoch, daß die Politik der Sowjetunion in Wahrheit beabsichtigte, die militärische Macht Moskaus in dem Raum zwischen Eismeer und Schwarzem Meer überall, wo es ihr möglich erschien, nach Westen vorzuschieben und die Bolschewisierung weiter nach Europa hineinzutragen. Dementsprechend bedeuteten beispielsweise der sowjetische Überfall auf Finnland vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940 und der Angriff auf das östliche Staatsgebiet Rumäniens mit der Besetzung Bessarabiens am 28. Juni 1940 eine zunehmende, für die Reichsregierung nicht hinnehmbare Bedrohung deutscher Interessen. Spätestens als Stalin entsprechend seinem Vertrag mit Churchill (→ Churchill-Stalin-Pakt) bis zum Sommer 1941 in äußerst umfangreichem Maße russische Streitkräfte sowie erhebliche Mengen an militärischem Material entlang der deutschen Ostgrenze angesammelt hatte und zudem von seiten der Sowjettruppen zunehmende Grenzverletzungen festgestellt worden waren, war die Erfordernis des vorbeugend motivierten Barbarossa-Feldzuges unumgänglich geworden.[4][5]

Gerd Schultze-Rhonhof stellte später folgendes unmißverständlich fest:

Das Geheime Zusatzprotokoll spricht nur von Interessensphären. Es bringt nicht zum Ausdruck, daß die Sowjetunion nun Finnland und die Baltenstaaten einkassieren darf.[6]

Verweise

Fußnoten