Ha’avara-Abkommen

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Jüdische Auswanderung.jpg

Ha’avara-Abkommen (auch Hoofien-Abkommen nach Sigmund Hoofien, dem damaligen Direktor der Anglo-Palestine Bank) war der Name einer Vereinbarung, geschlossen am 25. August 1933 nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft, um die Auswanderung der Juden aus dem Dritten Reich nach Palästina zu erleichtern und gleichzeitig den deutschen Export zu fördern, insbesondere den damals befürchteten internationalen Handelsboykott zu durchbrechen. Das Ha’avara-Abkommen blieb bis zum 3. September 1939 (Kriegseintritt Englands) in Kraft.

Die britische Verwaltung Palästinas verlangte von den einwanderungswilligen Juden den Nachweis finanzieller Mittel. Nach den deutschen Devisenbestimmungen von 1931 wurden aber von Auslandsüberweisungen hohe Abschläge einbehalten. Das Ha’avara-Abkommen erlaubte nun den Betroffenen, einen Teil ihres Besitzes in Form von Waren nach Palästina zu transferieren. Jüdische Auswanderer zahlten Geld (der Mindestbetrag lag bei 1.000 Pfund Sterling) auf ein deutsches Konto ein. Mit diesem Geld wurden deutsche Waren für den Export nach Palästina bezahlt, während der Importeur den Gegenwert auf ein Konto in Palästina einzahlte. Bei der Ankunft in Palästina erhielten die Auswanderer aus diesem Konto die Summe in palästinensischen Pfund erstattet.

Der Vertrag wurde von etwa 50.000 bis 60.000 Juden genutzt, geschätzte 140 Mio. Reichsmark wurden transferiert. Mit Kriegsbeginn 1939 war der Devisentransfer (obwohl formal zulässig bis 1941) nicht mehr möglich.

Das Rublee-Wohlthat-Abkommen hingegen wird allgemein totgeschwiegen. Es betraf die Mehrzahl der auswandernden Juden, all jene, die nicht nach Palästina gingen, sondern in ein anderes europäisches oder überseeisches Land. Das waren ca. zwei Drittel aller Auswanderungen. Leider war das Abkommen nur acht Monate lang in Geltung, dann brach der Krieg aus, und die geregelte Auswanderung fand ihr Ende. Wenn wir es hier erwähnen, so deshalb, weil es die Absichten der deutschen Regierung klarmacht, der damals nichts ferner lag, als die „Vernichtung der Juden“.[1]

In Palästina und im Ausland wurde das Ha’avara-Abkommen einzelner jüdischer Organisationen mit dem nationalsozialistischen Deutschland heftig kritisiert. Retrospektiv hat Hitler mit dem Abkommen direkt zur Entstehung des Staates Israel beigetragen.

Begriff

Das Wort „Haavara“ (sprich: Ha-avara, mit Betonung auf der letzten Silbe) ist neu-hebräisch und bedeutet „der Transfer” bzw. „die Überführung“, in diesem Fall die Überführung von Vermögen und Waren. Unter diesem hebräischen Namen ging das Abkommen in die deutschen Akten ein.[2]

Geschichte

Wegbereitend für das Ha’avara-Abkommen waren das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 sowie die Balfour-Deklaration von 1917. Das Interesse an einer neuen Vereinbarung, die es den Juden erlauben würde, zumindest mit einem Teil ihres Besitzes (auf dem Umweg über deutsche Exporte) nach Palästina auszuwandern, war nicht nur bei den deutschen und den palästinensischen Zionisten, sondern auch im Auswärtigen Amt, im Wirtschaftsministerium und bei der Reichsbank ziemlich groß. Die Transferidee war keineswegs neu: Bereits im Februar 1933 traten die ersten Abgesandten aus Palästina, Vertreter der Zitrus-Pflanzengesellschaft „Hanotaia Ltd.“, an die deutsche Regierung heran und versuchten herauszufinden, wie man die beiderseitigen Interessen – von deutscher Seite: Auswanderung, von jüdisch-palästinensischer Seite: Einwanderung – vereinbaren könnte. Die jüdische Seite versuchte, möglichst vorteilhafte Auswanderungsbedingungen zu erreichen, die dann Palästina zugute kommen sollten. Die deutschen Behörden waren mit den jüdischen Vorschlägen weitgehend einverstanden, und es kam schon im Mai 1933 zu den ersten wirtschaftspolitischen Abschlüssen, die dann im Laufe des Jahres zum Ha’avara-Abkommen führten.

Die Ha’avara sah folgende Regelung vor: Juden, die nach Palästina auswandern wollten, konnten ihr Vermögen auf eines oder mehrere Konten von zwei bestimmten jüdischen Banken in Deutschland einzahlen. Sie konnten es auch dann einzahlen, wenn sie zunächst noch in Deutschland bleiben wollten, die Ausreise also nur in Erwägung gezogen, aber noch nicht fest geplant war. Über dieses Geld konnten sie zunächst zugunsten von bereits in Palästina ansässigen jüdischen Siedlern frei verfügen. Sie konnten aber auch das Geld in Palästina anlegen. Sie konnten sogar ihre eigene, später vielleicht einmal anfallende Krankenversicherung bis zu zehn Jahre im voraus davon bezahlen. Damit erhielten die Juden im Deutschen Reich Rechte, die den deutschen Reichsbürgern verwehrt waren. Werner Feilchenfeld schreibt:

„Die Vorbereitung einer Heimstätte in Palästina für in Deutschland noch [...] verbliebene Personen stellte eine im Rahmen der deutschen Devisenbeschaffung ungewöhnliche Durchbrechung des Verbots der Vermögensanlage von Deutschen im Ausland dar.“[3]

In das Ha’avara-Abkommen wurde, in Zusammenarbeit mit einem Reisebüro in Tel Aviv, auch ein Reisekreditabkommen eingebaut, mit dessen Hilfe die Juden vor ihrer Auswanderung eine Erkundungsreise nach Palästina unternehmen und sich im Land über Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten orientieren konnten. Sie zahlten dafür ihre Kosten in Reichsmark ein und bekamen in Palästina Gutscheine für alle anfallenden Ausgaben.[4] Auch das war eine Ausnahmeregelung, da zur Zeit der Devisenbewirtschaftung Auslandsreisen für Deutsche normalerweise nicht möglich waren. (Die Gruppenreisen mit der KdF wurden auf dem Weg des Clearing verrechnet.)

Wenn es soweit war, daß sie auswandern wollten, bekamen sie von der Deutschen Bank, zum jeweiligen Marktwert, das notwendige sogenannte Vorzeigegeld von 1.000,- Palästina-Pfund (entsprach dem englischen Pfund Sterling) in Devisen ausbezahlt. Die Zuteilung von Devisen stellte unter den damaligen Devisenbestimmungen eine ausgesprochene Ausnahme dar, deren nur die auswandernden Juden teilhaftig wurden, betonte der israelische Historiker Avraham Barkai in seiner Studie „Vom Boykott zur ‚Entjudung‘“.[5] Das Geld mußten sie bei der Einreise in Palästina vorweisen. In einer vor einigen Jahren erschienenen Arbeit wird das so dargestellt, als hätten sie mit den 1.000,- Pfund das Einreisevisum bezahlen müssen.[6] Das ist kompletter Unsinn. Das Geld gehörte ihnen und sie sollten damit nur beweisen, daß sie imstande waren, sich selbst zu ernähren und eine neue Existenz aufzubauen und somit nicht der jüdischen Gemeinschaft in Palästina zur Last fallen würden.

Der Rest ihres Geldes blieb zu ihrer Verfügung auf ihrem Ha’avara-Konto. Bei der Auswanderung konnten sie ihren gesamten Hausrat mitnehmen, dazu Maschinen und Geräte für die Berufsausübung bzw. die Gründung einer neuen Existenz und was sie sonst zu ihrem normalen Leben brauchten. Die für die deutschen Staatsbürger damals geltende „Reichsfluchtsteuer“ – das war eine von Reichskanzler Heinrich Brüning 1931 eingeführte Abgabe, die jeder deutsche Bürger zu leisten hatte, der Deutschland für immer verlassen wollte – mußten die über die Ha’avara auswandernden Juden nicht bezahlen.

Von den Ha’avara-Konten wurden Waren bezahlt, die palästinensische Kaufleute aus Deutschland importierten. In Palästina erhielten die Einwanderer den Gegenwert in Häusern, Grundstücken, Zitruspflanzungen oder auch das gesamte Guthaben in bar ausbezahlt. Durch Zusatzabkommen konnten auch Kaufleute aus Ägypten, Syrien und dem Irak über die Ha’avara Importe aus Deutschland finanzieren.[7]

Es gab eine Reihe von Zusatzregelungen und weiteren Erleichterungen, darunter die, daß alle Versorgungsbezüge und Renten ohne Abzüge an die ausgewanderten Juden in Palästina überwiesen wurden.[8]

Auch konnten in Palästina ansässige Juden Zahlungen an Verwandte und Freunde in Deutschland über die Ha’avara vornehmen.

„Die Unterstützungsspender zahlten den Gegenwert in palästinensischer Währung zu einem verbilligten Kurs bei der Haavara zugunsten der Unterstützten in Deutschland ein. Der Unterstützungsempfänger erhielt dann den Gegenwert in Reichsmark durch die Paltreu[9] in Berlin. Dieses System eines privaten Clearings von Unterstützungszahlungen nach Deutschland wurde von 1937 an zu einer weltweiten Organisation ausgebaut, deren Aufgabe es war, die ausländischen Unterstützungszahlungen an Juden in Deutschland aus allen Ländern durchzuführen und die anfallenden Devisen für den jüdischen Kapitaltransfer nach Palästina zu verwenden.“[10]

Von einer anderen Art des Clearings berichtete der Reichsbankrat Walther Utermöhle, der damalige Leiter der Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung im Reichswirtschaftsministerium.

„Daneben wurde ein Clearing zwischen auswandernden Juden und [...] aus dem Ausland zurückwandernden Deutschen ermöglicht. Wenn zum Beispiel ein Deutscher sein Haus oder sein Geschäft (wegen des Boykotts im Ausland) nicht verkaufen konnte und in Deutschland einen Juden fand, der ähnliche Vermögenswerte besaß, so wurde eine Tauschgenehmigung erteilt, bei der keine Seite einen ungerechtfertigten Gewinn machen konnte.“[11]

Außer den offiziellen Bestimmungen, die die Mehrzahl der Juden betraf, gab es also noch eine Unzahl von Einzelfällen, die über die Ha’avara zugunsten der Auswandernden geregelt werden konnten.

Einen sehr großen Vorteil bot die Ha’avara für minderbemittelte Juden, die von sich aus nicht in der Lage gewesen wären, die eintausend Pfund „Vorzeigegeld“ aufzubringen. Sie konnten über die Ha’avara ohne weiteres Kredite aufnehmen, die sie erst nach einer Reihe von Jahren zurückzahlen mußten.[12] Außerdem wurden die Transferkosten für diese Leute um 50 % ermäßigt. Praktisch war es dadurch jedem Juden in Deutschland möglich auszuwandern – sofern er nach Palästina wollte.

Das Ha’avara-Abkommen, bzw. die sich darin äußernde positive Grundhaltung der deutschen Regierung zur Förderung der jüdischen Auswanderung, ermutigte so manchen deutschen Verantwortlichen zu Aktionen am Rande der Legalität. Rolf Vogel, der ehemalige Bonner jüdische Korrespondent und Herausgeber der Deutschlandberichte, die der deutsch-jüdischen Verständigung gewidmet waren, berichtet in seinem Buch „Ein Stempel hat gefehlt“ folgendes:

„Zahlreich waren einzelne Hilfsaktionen jenseits der Legalität, vor allem dann, wenn die betreffenden Juden nicht nach Palästina wollten und sonst nicht zu helfen war. So kam es vor, daß Juden ihre Betriebe verkaufen mußten und den Erlös verloren, weil sie ihn nicht transferieren konnten. Um dies zu verhindern, boten die Beamten einer Reihe jüdischer Inhaber an, zunächst pro forma nicht auszuwandern, sondern für ihren alten Betrieb als Vertreter im Ausland tätig zu werden. Mit Hilfe von hohen Provisionen und Beteiligungen am Verkaufserlös konnten die jüdischen Kaufleute im Ausland dann einen Teil ihrer verlorenen Gelder in Devisen herausbekommen.
Ein anderer Transfer-Trick, der mit Wissen und Wohlwollen der Devisenbeamten zuweilen weiterhalf, war der Geldtransfer via Amtsgericht: Jemand hinterlegte beim Amtsgericht einen Umschlag mit der Verfügung ‚Mein letzter Wille‘. Der Betreffende wanderte anschließend aus und ließ nach einigen Monaten über die ausländischen Justizbehörden seinen letzten Willen – einen Umschlag mit Geld und Wertpapieren – ins Ausland nachsenden.
Ähnlich reibungslos funktionierte hin und wieder der Geldtransfer per Zeitungsannonce. Ein Jude inserierte beispielsweise von Zürich aus im ‚Völkischen Beobachter‘: ‚Vertreter gesucht.‘ In Deutschland ließ er dann mit Geld oder Aktien gefüllte Briefumschläge unter der angegebenen Chiffre an den ‚Völkischen Beobachter‘ senden, der die Briefe gesammelt nach Zürich weiterleitete.“[13]

In gewissem Umfang trug die Ha’avara zur Entwicklung des deutschen Außenhandels bei. Allerdings war dieser Punkt kaum ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung für das Abkommen, wie man das gelegentlich lesen kann.[14]

Insgesamt darf man die Folgen für die deutsche Wirtschaft nicht überschätzen. Der Warenverbrauch einer Gemeinschaft von 200.000 bis 300.000 Menschen – und mehr umfaßte der Jischuw (die jüdische Gemeinschaft Palästinas) damals nicht –, der zudem noch auf bestimmte Produkte beschränkt war, konnte kaum in der Lage sein, einem 60-Millionen-Volk wesentliche Exporthilfe zu leisten. Außerdem kamen für den Verkauf nach Palästina keine Devisen ein, sondern er wurde mit dem deutschen Geld aus den Ha’avara-Konten bezahlt. Auch Feilchenfeld betont, daß die Exportförderung durch die Ha’avara keinen eigentlichen Vorteil für Deutschland bedeutete, da „die Haavara kein Deviseneinkommen für Deutschland darstellte.“[15]

Für Palästina hingegen brachte die Haavara unermeßbare Vorteile mit sich. In der von Feilchenfeld herausgegebenen Broschüre wurde Dr. Ludwig Pinner, ehemaliges Direktionsmitglied der Ha’avara-Gesellschaft, nicht müde, das Loblied dieses Abkommens zu singen.

„Palästina war bis in den Anfang der dreißiger Jahre im wesentlichen ein Agrarland, auf primitiver Entwicklungsstufe.“[16] Erst die aus Deutschland kommenden Einwanderer haben „die wirtschaftliche Struktur und das gesellschaftliche Gepräge des Jischuw tiefgreifend verändert und einen ausschlaggebenden Beitrag zu seiner Entwicklung geleistet. Unter ihrer Beteiligung und Einwirkung hatte sich die industrielle Produktion verdoppelt, die Technik modernisiert, und die erzeugten Waren kamen allmählich in Auswahl und Qualität auf ein europäisches Niveau.[17] Die Betätigung der deutschen Juden als Industrielle und Investoren war ausschlaggebend für die Entwicklung, die die Wirtschaft des Jischuw aus dem vorindustriellen und vorkapitalistischen Stadium herausführte.“[18] Ihr Einfluß „auf die Entwicklung des jüdischen Palästina fand seinen Ausdruck jedoch nicht nur in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sphäre; er war auch bedeutungsvoll im kulturellen Bereich, auf wissenschaftlichem und künstlerischem Gebiet. Die moderne Ausstattung der Krankenhäuser, die der Transfer ermöglicht hatte, machten Palästina zu einem medizinischen Zentrum ersten Ranges.[19] Der Einsatz dieser Menschen in Forschungs- und Lehrstätten, in Wirtschaft und Verwaltung, im öffentlichen Leben und in der Verteidigungsorganisation war von unermeßlicher Bedeutung für die Vorbereitung des Jischuw auf die schicksalhaften Aufgaben, die ihm bevorstanden.“[20]

Das Geld der „Kapitalisten“, die durch die Haavara praktisch unbeschränkt nach Palästina einwandern konnten, ermöglichte auch die Arbeitereinwanderung. Dr. Georg Landauer, Leiter der deutschen Abteilung der Jewish Agency und Mitglied des „Board of Directors“ der Haavara, erklärte in einem Gespräch mit der Jüdischen Rundschau:

„Palästina als Land des Aufbaus kann neue, arbeitsuchende Einwanderer in demselben Verhältnis aufnehmen, wie durch einströmendes Kapital und Unternehmungsgeist neue Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden.“

Es bestünde aber die Furcht, daß begüterte Juden mit ihrem Kapital in andere Länder abwandern und nach Palästina nur die armen Juden kommen. Landauer warnte:

„Es kann keine Einwanderung von Arbeitnehmern ohne eine Einwanderung von Arbeitgebern stattfinden.“[21]

Widerstand gegen die Ha’avara: auf jüdischer Seite

Trotz der für die Juden und für Palästina durchaus positiven Seite des Ha’avara-Abkommens war der Widerstand dagegen auf jüdischer Seite erheblich. Das Hickhack hinter den Linien beschreibt Edwin Black ausführlich in seinem Buch „The Transfer Agreement“.[22] Die Tatsache, daß es zwischen dem Dritten Reich und der zionistischen Organisation ein Abkommen zum Vorteil Israels gegeben hat, scheint ihm unbegreiflich und unentschuldbar und er klagte die betroffenen jüdischen Stellen der „Nazi-Mittäterschaft“ an. Das ist um so weniger verständlich, als er überzeugt ist, daß alle in Deutschland zurückgebliebenen Juden dem Holocaust zum Opfer fielen.

Jüdische Organisationen in aller Welt beklagten den Bruch des Boykotts gegen Deutschland durch die eigenen Leute. Der Vorteil für die aus Deutschland auswandernden Juden galt ihnen nichts im Vergleich zum Verrat der allgemein-jüdischen Interessen.

Aber auch in Palästina selbst gab es Schwierigkeiten. Die Monopolstellung der Ha’avara bei der Einfuhr deutscher Waren erregte den Neid palästinensischer Kaufleute, die ihre eigenen Aktivitäten gefährdet sahen. Vor allem die junge jüdische Industrie in Palästina, die den Absatz eigener Waren erstrebte, meuterte gegen die Einfuhr besserer und billigerer Artikel aus Deutschland. Die Haavara mußte schließlich den Forderungen jüdischer Unternehmer nachgeben und verhängte eine Einfuhrsperre für bestimmte Waren. Sie garantierte dadurch den „Tozeret-Haarez“-Schutz (Schutz für einheimische Produkte). Gerissene Unternehmer lavierten geschickt zwischen den unterschiedlichen Möglichkeiten und nutzten sie zu ihrem Vorteil aus. Es kam vor, daß sich ein Unternehmen zunächst seinen Maschinenpark durch die Haavara beschaffte und anschließend für die damit erzeugten Waren den „Tozeret-Haarez“-Schutz in Anspruch nahm. Dadurch verringerte sich der Warenbedarf im Land und die Transfermöglichkeiten auf den Haavara-Konten lagernder Gelder.[23]

Die „Jüdische Rundschau“ beklagte einmal dieses wenig Solidarität mit den deutschen Juden zeigende Verhalten:

„Bei der Palästinawanderung von Juden aus Deutschland und auch bei der Überweisung der Gelder für die jüdischen Fonds spielt die Frage des Transfers eine finanztechnisch wichtige Rolle. Ohne Kapitaltransfer ist eine Auswanderung großen Stils unmöglich. [...] Wenn es trotzdem immer wieder in der palästinensischen Öffentlichkeit zu Diskussionen über diese Sache kommt, so dürfte dies teilweise der Unkenntnis der wirklichen Zusammenhänge, teilweise der Einwirkung von Interessenten zuzuschreiben sein, die aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen die Konkurrenz der Haavara gerne ausschalten möchten.“[24]

Widerstand gegen die Ha’avara: auf deutscher Seite

Das Ha’avara-Abkommen fand auch bei deutschen Stellen nicht ungeteilten Beifall. Tatsächlich bedeutete es ja nicht nur eine erhebliche Belastung für den deutschen Devisenhaushalt, sondern brachte auch politische Nachteile ein. Der deutsche Generalkonsul in Jerusalem, Hans Döhle, betonte in einer Studie vom 22. März 1937, daß die deutsche Regierung durch das Ha’avara-Abkommen „all die Gesichtspunkte, welche in anderen Ländern für die Wahrung des deutschen Interesses maßgebend sind, zurückgestellt“ hat, hinter der „Förderung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland und der Seßhaftmachung der ausgewanderten Juden in Palästina“. Die Stärkung der jüdischen Wirtschaft, die wir „durch die Erleichterung der Verpflanzungsmöglichkeit deutsch-jüdischer Industrieunternehmungen nach Palästina erst ermöglicht haben“, muß sich auf dem Weltmarkt gegen uns auswirken. Döhle betonte, „die Gegnerschaft der palästinensischen Juden dem Deutschtum gegenüber tritt bei jeder Gelegenheit in Erscheinung.“[25]

Großbritannien fühlte sich durch die deutsche Wareneinfuhr in sein Mandatsgebiet benachteiligt und startete in seiner Presse Angriffe gegen Deutschland. Nach der Studie Döhles sah die Negativbilanz des Haavara-Abkommen wie folgt aus:

  1. Devisenverlust durch Warenausfuhr ohne Devisenerlös
  2. Durch Aufbau der jüdischen Wirtschaft Stärkung des antideutschen jüdischen Einflusses in Palästina
  3. Lenkung der deutschen Einfuhr nach Palästina durch die Jewish Agency ohne Berücksichtigung der deutschen Verkaufsinteressen
  4. Verärgerung der im Lande ansässigen arabischen und deutschen Kaufleute, die nur noch über die Jewish Agency mit Deutschland Geschäfte abschließen können
  5. Verärgerung der britischen Mandatsmacht, die ihre Vorrangstellung durch die deutschen Konkurrenten gefährdet sieht

Die Skepsis Döhles war berechtigt, wenn man bedenkt, daß er vor Ort täglich antideutsche Ausfälle erleben mußte und sich gleichzeitig bewußt war, wieviel das Land den deutschen Einwanderern verdankte. Palästina glich einem Tier, das die Hand beißt, die es füttert. Die feindselige Einstellung der Juden Palästinas gegen Deutschland äußerte sich auf vielen Ebenen. So wurde z. B. in einem Purim-Umzug Deutschland als giftgrüner, mit Hakenkreuzen übersäter, feuerspeiender Drache dargestellt, und ein Schild forderte den „Tozeret-Haarez“-Schutz und den Boykott gegen deutsche Waren.[26]

Trotz all dieser Bedenken entschied Adolf Hitler wiederholt, daß die Auswanderung der Juden mit allen Mitteln zu fördern sei und eine Aufhebung des Ha’avara-Abkommens nicht in Frage käme.

Der Vermögenstransfer über die Ha’avara war auch noch nach Kriegsausbruch, durch Einschaltung neutraler Länder, möglich. Erst im Dezember 1941, als die VSA in den Krieg eintraten, brachen die Verbindungen ab.

Die Abwicklung der Ha’avara in Deutschland lag in den Händen der beiden jüdischen Banken Warburg in Hamburg und Wassermann in Berlin. Bei Kriegsende befanden sich noch Beträge der Haavara auf den Konten. Sie waren von der deutschen Regierung als Feindvermögen sichergestellt worden und wurden den Eigentümern nach 1945 in voller Höhe zurückgezahlt.[27]

Siehe auch

Literatur

Verweise

Fußnoten

  1. Ingrid Weckert: Auswanderung der Juden aus dem Dritten Reich, Teil 4
  2. Runderlaß 54/33 des Reichswirtschaftsministeriums vom 28.8.1933, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA/AA), Sonderreferat W, Finanzwesen 16, Bd. 2. Der Text des Haavara-Abkommens ist abgedruckt in: Weckert, Feuerzeichen, S. 219f.
  3. Werner Feilchenfeld / Dolf Michaelis / Ludwig Pinner: Haavara-Transfer nach Palästina und Einwanderung deutscher Juden 1933–1939, Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 26, Tübingen 1972, S. 48, im folgenden zitiert als: Feilchenfeld, Seite
  4. Feilchenfeld S. 49
  5. Avraham Barkai: Vom Boykott zur „Entjudung”. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933–1943, Fischer #4368, Frankfurt 1988, S. 63
  6. Ferdinand Kroh: David kämpft. Vom jüdischen Widerstand gegen Hitler. Mit einem Nachwort von Nathan Schwalbe-Dor. rororo aktuell #5644, Hamburg 1988, S. 24. Diese Arbeit strotzt nur so vor Ungenauigkeiten und Verzerrungen. Der gesamte Komplex der Auswanderung ist voller falscher Behauptungen; z. B. S. 28: „Die Nationalsozialisten ließen sich die Vertreibung bezahlen.” Die Auswanderer nach Palästina hätten die Reichsfluchtsteuer zahlen und die Devisen zu einem Phantasiepreis tauschen müssen. Beides stimmt nicht.
  7. Feilchenfeld S. 54f.
  8. Feilchenfeld S. 49
  9. Die „Paltreu“ war eine Art Schwesternorganisation der Haavara. Ihre Aufgabe war es, Vermögenstransfer über die Haavarabestimmungen hinaus durchzuführen. Sowohl die Leitung der Haavara wie auch der Paltreu lagen in jüdischen Händen.
  10. Feilchenfeld S. 61f.
  11. Leserbrief in Deutsche Wochen-Zeitung, 16. Dezember 1977
  12. Schalom Adler-Rudel: Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime 1933–1939. Im Spiegel der Berichte der Reichsvertretung der Juden in Deutschland, mit einem Vorwort von Robert Weltsch. Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 29, Tübingen 1974, S. 102f.
  13. Rolf Vogel: Ein Stempel hat gefehlt. Dokumente zur Emigration deutscher Juden, München 1977, S. 48f.
  14. z. B. bei Francis R. Nicosia (Hitler und der Zionismus. Das 3. Reich und die Palästina-Frage 1933–1939, Leoni 1989. The Third Reich and the Palestine Question, Austin 1985; zur Lektüre zu empfehlen ist diese Originalausgabe, da die deutsche Übersetzung von sinnentstellenden Übersetzungs- und Druckfehlern nur so wimmelt.) Nicosia behauptet: „Die Furcht vor einem deutschen Warenrückgang auf den internationalen Märkten, auch auf denen des Nahen Ostens, beeinflußte die deutsche Regierung in ihrer Entscheidung, im Sommer 1933 mit zionistischen Vertretern das Haavara-Transferabkommen zu unterzeichnen.“ (S. 83)
  15. Feilchenfeld S. 29
  16. Feilchenfeld S. 99
  17. Feilchenfeld S. 107
  18. Feilchenfeld S. 102
  19. Feilchenfeld S. 106
  20. Feilchenfeld, S. 108
  21. Jüdische Rundschau, 18. Februar 1936
  22. Edwin Black: The Transfer Agreement. The untold story of the Secret Agreement Between the Third Reich and Jewish Palestine, New York/London 1984
  23. Feilchenfeld, S. 54
  24. Jüdische Rundschau, 12. November 1935
  25. in: Vogel, S. 110f.
  26. Leopold Edler von Mildenstein: Ein Nazi fährt nach Palästina, in: „Der Angriff“, 26. September – 9. Oktober 1934; hier: 1. Oktober 1934
  27. Feilchenfeld, S. 71