Helmholtz, Hermann von

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Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hermann von Helmholtz, 1861 Hofrat, 1865 Geheimer Rat III. Klasse, 1868 Geheimer Rat II. Klasse und 1891 Geheimer Regierungs-Rat

Hermann Ludwig Ferdinand Helmholtz, seit 1883 von Helmholtz (Lebensrune.png 31. August 1821 in Potsdam; Todesrune.png 8. September 1894 in Charlottenburg), war ein deutscher Physiologe und Physiker. Als Universalgelehrter war er einer der vielseitigsten Naturwissenschaftler seiner Zeit und wurde auch Reichskanzler der Physik genannt. Seit 1995 ist die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, ein Verbund großer außeruniversitärer Forschungszentren, nach Hermann von Helmholtz benannt.

Wirken

Helmholtz, Hermann von.jpg

Zu seinem Wirken heißt es:

„Hermann Helmholtz hat seinen Aufstieg zum Führertum unter den physikalischen Forschern nicht ohne manchen Umweg vollziehen können. Zwar bestand schon die helle Sehnsucht des Knaben nach den reinen Naturwissenschaften. Doch hat er zuerst Medizin studiert, ehe er dann den Weg zur Physik fand. Schon immer hatte er freilich die medizinische Tätigkeit mit rein physikalischen Forschungen zu verknüpfen gewusst: die medizinische Lehre vom Auge lässt ihn die physikalischen Gesetze der Optik behandeln – er hat dabei den Augenspiegel erfunden; die medizinischen Untersuchungen der Nerven verknüpft er mit physikalischen Forschungen über Geschwindigkeiten von Nervenreizen; der medizinischen Lehre vom Ohr fügt er physikalische Versuche über den Schall zu. Überall schlägt er so Brücken in die Physik hinüber, die er dann auch sogleich mit seinem Entdeckergeiste erfüllt, als er sich ungehindert ihr widmen kann. Unvergleichliche Forschungen lassen ihn da das noch völlig dunkle Gebiet der Elektrizität erschließen. Als er zum erstenmal die Natur der elektrischen Schwingungen untersucht, greift er Probleme an, deren Lösungen geradenwegs zur Funktechnik führt, also zum echtesten Kind der neuen Zeit.“[1]

Kurzchronologie

  • 1838 Beginn des Medizin-Studiums; Wintersemester 1838/39 Eleve des Königlich Medizinisches-Chirurgisches Friedrich-Wilhelms-Instituts Berlin
    • Die Ausbildung an der „Pépinière“ (so benannt bis 1818) dauerte vier Jahre. Für Studenten wie Helmholtz, die sich verpflichteten, danach für acht Jahre Dienst als Militärchirurgen zu tun (so genannte „Eleven“), erfolgte die Ausbildung auf Staatskosten mit zusätzlichem Sold. Damit gab es erstmals auch für Kinder aus weniger begütertem Hause die Möglichkeit einer chirurgischen Ausbildung
    • Juni 1842 mündliche medizinische Examen am Friedrich-Wilhelms-Institut Berlin
  • Oktober 1842 bis Februar 1843 Unterchirurg an der Charite Berlin
  • 2. November 1842 Promotion zum Doktor der Medizin
  • Oktober 1843 bis September 1848 Sanitätsoffizier und Eskadron-Chirurg im 1. Leib-Husaren in Potsdam
  • 1845 lernte den Physiker Heinrich Magnus kennen
    • Zur Gruppe um Magnus gehörten die Mediziner Ernst Magnus und Emil Du Bois-Reymond, der Leutnant der Artillerie Werner von Siemens und der Mechaniker Johann Halske. Sie waren 1845 die Initiatoren zur Gründung der „Physikalischen Gesellschaft zu Berlin“ sowie der Zeitschrift „Fortschritte der Physik“. Helmholtz gelangte durch Untersuchungen zur Gärung, Fäulnis und der Wärmeproduktion von Lebewesen zur Formulierung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie.
  • Februar 1846 Staatsprüfung als Arzt und Wundarzt am Friedrich-Wilhelms-Institut Berlin
  • 9. Januar 1847 Approbation als praktischer Arzt in Berlin
  • 2. September 1848 Anatomielehrer an der Berliner Akademie der Künste
    • Lehrer der Anatomie an der Kunstakademie und Gehilfe der Anatomisch-Zootomischen Sammlung Berlin
  • 1849 bis 1855 Ruf als Professor an die Universität Königsberg
    • 3. Juni 1849 etatmäßiger außerordentlicher Professor für Physiologie und Pathologie Königsberg; seit 1852 ordentlicher Professor
    • Dort widmete er sich den Sinnesorganen Auge und Ohr und entwickelte den Augenspiegel zur Betrachtung des Augenhintergrundes.
  • 1853 Ruf nach Kiel abgelehnt
  • 27. März 1855 Durch Vermittlung von Alexander von Humboldt übernahm er als ordentlicher Professor den Lehrstuhl für Physiologie und Anatomie in Bonn.
  • 1857 Ruf nach Heidelberg abgelehnt
  • 17. April 1858 ordentlicher Professor und Direktor des Physiologischen Instituts in Heidelberg
    • 1862 Prorektor in Heidelberg
    • 1865/66 Mitglied des Engeren Senats der Universität Heidelberg
    • 1860 und erneut 1865/66 Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
  • 1865 Ruf nach Wien
  • 1868 erneuter Ruf nach Bonn
  • 1870 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
  • Februar 1871 einen Ruf nach Cambridge (Großbritannien) abgelehnt
  • Ostern 1871 ordentlicher Professor für Physik an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, der heutigen Humboldt-Universität als Nachfolger von Heinrich Gustav Magnus
    • Der Ruf der Berliner Universität erfolgte auf den Lehrstuhl für Physik, weil Helmholtz sich in den letzten Jahren mehr mit Physik als mit Physiologie befaßt hatte.
    • Als Schüler hatte er eigentlich nur den ihm kongenialen Heinrich Hertz von 1879-83, der auch 1880 bei ihm promovierte. „Wir hatten das Gefühl, daß er sich selber mindestens ebenso langweilte wie wir“, berichtete Max Planck.
  • 1882/83 Zu seinen herausragenden Leistungen gehören drei Abhandlungen über die „Thermodynamik chemischer Vorgänge“.
    • Hier wandte er die Hauptsätze der Thermodynamik auf die Elektrochemie an und führte den Begriff der Freien Energie ein. Durch die Freie Energie läßt sich voraussagen, ob eine chemische Reaktion nach Gesetzen der Thermodynamik möglich ist. Die vielen Neuerungen in der Elektrotechnik und der Messung von Strommengen verlangten eine einheitliche Normung. Helmholtz galt schon damals als einer der größten, vielseitigsten Denker und Forscher in Deutschland.
  • 4. April 1888 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin (die heutige Physikalisch-Technische Bundesanstalt)
    • Er war 1882, neben Wilhelm Foerster und Werner von Siemens, einer der Initiatoren für die Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und ab 1888 ihr erster Präsident.

Tod (Nachruf)

Hermann von Helmholtz’ Grab (Berlin, Neuer Friedhof Wannsee)
„Bevor wir in die heutige Tagesordnung eintreten, geziemt es uns, eine schmerzliche Pflicht zu erfüllen, einen Verlust zu beklagen, welcher während der Ferienzeit des Vereines die Wissenschaft und das gesammte sie verehrende Menschenthum auf das Schwerste betroffen hat, einen Verlust, der unseren bescheidenen Verein innig und nahe berührt. Am 8. September d. J.’s ging das Forscher- und Denkerdasein Hermann von Helmholtz’ zu Ende; am Abend eines durch glänzendste wissenschaftliche Thaten und durch entsprechende äußere Erfolge gekennzeichneten Lebens, aber dennoch zu frühe für alle, welche bewundernd zu den von Helmholtz errungenen wissenschaftlichen Fortschritten emporschauten, und dem Gedanken nicht Raum geben mochten, daß die Naturgesetze, deren Erforschung die Aufgabe jenes großen Lebens bildeten, ihm leider auch eine Grenze setzen mußten. […]
Auch im Leben des großen Gelehrten ist die Heidelberger Zeit wohl die blühendste und früchtereichste. Namentlich führte er hier in unerreichter Weise seine Bearbeitung der physikalischen Physiologie des Ohres und Auges zu Ende, während er gleichzeitig wieder, mit wunderbarer Vielseitigkeit, rein physikalische und erkenntnisstheoretische Probleme zu lösen begann. […]
Dem großen Todten, dessen wissenschaftliche Leistungen, als leuchtende Thaten geistiger Größe und unermüdlichen Strebens nach Wahrheit und Gesetz, glänzen werden für alle Zeiten, folgt unsere Bewunderung und Dankbarkeit über das Grab hinaus, dauernd und unauslöschlich! Meine Herren! Erheben Sie sich von Ihren Sitzen als ein geringes Zeichen dafür, daß der Verein stets und dankerfüllt seines größten und ruhmreichsten Vorstehers gedenken wird.“ — Prof. Dr. Otto Bütschli, Vorsitzender des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg, bei der ersten Sitzung des Wintersemesters am 2. November 1894[2]

Familie

Hermann war der Sohn von August Ferdinand Julius Helmholtz und der Caroline, geb. Penne (1797-1854). Am 26. August 1849 heiratete er in Berlin-Dahlem seine Verlobte die Arzttochter Olga von Velten. Im Dezember 1859 starb seine Frau Olga, die ihn mit zwei kleinen Kindern zurückließ. Am 16. Mai 1861 heiratete Helmholtz in Heidelberg seine zweite Frau, Anna von Mohl (1834–1899). Aus beiden Ehen gingen insgesamt fünf Kinder hervor (drei Söhne und zwei Töchter). Ein Sohn aus erster Ehe war der Eisenbahnkonstrukteur Richard von Helmholtz (1852–1934). Eine Tochter aus der zweiten Ehe war Ellen von Siemens-Helmholtz (1864–1941), die Ehefrau des Industriellen Arnold von Siemens (ihr Schwiegervater war Werner von Siemens).

Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)

  • Ehrenmitglied folgender Akademien der Wissenschaften:
    • 1857 Berlin
    • 1858 München
    • 1859 Göttingen
    • 1860 Wien
  • 1858 Ritterkreuz des Königlich Niederländischen Löwenordens
  • 1860 Dr. phil. h. c. Berlin
  • 1865 St. Stanislaus Orden, II. Klasse
  • 1867 Königlich Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst
  • 1868 Kommandeurkreuz II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen
  • November 1871 Ehrenmitglied des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg
    • schon seit 14. Dezember 1858 I. Vorsteher des Vereins
  • 27. Januar 1883 durch Kaiser Wilhelm I. in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben

Schriften

  • Ueber die Theorie der zusammengesetzten Farben, physiologisch-optische Abhandlung, 1852 (PDF-Datei)
  • Ueber die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittelungen der Physik: ein populär-wissenschaftlicher Vortrag, gehalten am 7. Februar 1854, Gräfe & Unzer, Königsberg 1854 (PDF-Datei)
  • Über die akademische Freiheit der deutschen Universitäten – Rede beim Antritt des Rectorats an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin am 15. October 1877 gehalten, August Hirschwald, Berlin 1878 (PDF-Datei)
  • Schriften zur Erkenntnistheorie, kommentiert von Moritz Schlick und Paul Hertz, hrsg. von Ecke Bonk, Wien; New York: Springer 1998, ISBN 3-211-82770-6
  • Über die Erhaltung der Kraft (1847) (PDF-Datei)
  • Über Wirbelbewegungen (1858), hrsg. von A. Wangerin, 2. Aufl., Nachdruck der Ausg. Leipzig, Engelmann, Thun; Deutsch, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-8171-3001-5 (PDF-Datei)
  • Zur Geschichte des Princips der kleinsten Action, Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 14, 1887 (bei der HU Berlin: [1])
  • Abhandlungen zur Philosophie und Geometrie, Hrsg. u. eingel. von Sabine S. Gehlhaar, Cuxhaven : Junghans 1987, ISBN 3-926848-00-6
  • Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik, Vieweg, Braunschweig 1863, Nachdruck: Minerva-Verlag, Frankfurt/Main 1981, ISBN 3-8102-0715-2 (PDF-Datei)
  • Beschreibung eines Augenspiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge, Unveränd. Nachdr. d. Ausg. Leipzig, J. A. Barth, 1910, Leipzig 1968 (PDF-Datei)
  • Das Denken in der Naturwissenschaft, Unveränd. reprograf. Nachdr. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968
  • Die Tatsachen in der Wahrnehmung / Zählen und Messen erkenntnistheoretisch betrachtet, Unveränd. fotomechan. Nachdr. Wissenschaftl. Buchgesellschaft, Darmstadt 1959 (PDF-Datei)
  • Vorträge und Reden 1902 (PDF-Dateien: Band 1, Band 2)

Literatur

  • Beiträge zur Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane - Hermann von Helmholtz als Festgruss zu seinem siebzigsten Geburtstag (1891) (PDF-Datei)
  • Alois Riehl: Hermann von Helmholtz in seinem Verhältnis zu Kant (1904) (PDF-Datei)
  • Friedrich Conrat: Helmholtz' Verhältnis zur Psychologie (1903) (PDF-Datei)
  • Paul Karlson: Hermann von Helmholtz, in: Willy Andreas / Wilhelm von Scholz (Hg.): Die Großen Deutschen. Neue Deutsche Biographie. Propyläen Verlag, Berlin, 4 Bde. 1935–1937, 1 Ergänzungsbd. 1943; Dritter Band, S. 524–541

Fußnoten

  1. Karl Richard Ganzer: Das deutsche Führergesicht. 200 Bildnisse deutscher Kämpfer und Wegsucher aus zwei Jahrtausenden, Lehmanns-Verlag, München 1937.
  2. Gabriele Dörflinger: Nachrufe auf Hermann von Helmholtz, Universitätsbibliothek Heidelberg 2014