Ideen von 1914

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Der Begriff Ideen von 1914 beschreibt eine Stimmungslage unter national gesinnten Intellektuellen in Deutschland zur Zeit des Ersten Weltkrieges, die publizistisch auf den Ausbruch des Krieges reagierten. Die Ideen von 1914 umfassten verschiedene Vorstellungen über die politische Neugestaltung Deutschlands, die im hegelschen Sinn des Wortes auf eine Aufhebung der Ideen von 1789, d.h. der Ideale der Französischen Revolution, gerichtet waren. Der Erste Weltkrieg wirkte in Deutschland wie auch in anderen beteiligten Ländern als Katalysator nationalpolitischer Sinndeutungen und Zukunftsentwürfe. Die Ideen von 1914 befürworteten antiliberale, antidemokratische, korporatistische Konzeptionen von Staat und Volk, oft ohne diese Stimmungslagen zu konkretisieren.

Geschichte, Umfang und Wirkung

In den Ideen von 1914 fand das im 19. und 20. Jahrhunderte gepflegte Selbstverständnis der Deutschen, eine Sonderkultur darzustellen, als ideologische Fundierung der deutschen Kriegsanstrengungen einen Höhepunkt. Die "Ideen von 1914" waren eine Ausformulierung einer national-romantischen, antiwestlichen Sonderwegsideologie durch eine intellektuelle Elite, die auf Eigenheiten des „deutschen Wesens“ in Kultur, Gesellschaft und Politik berief. Dazu gehörte das Gegensatzpaar von Kultur und Zivilisation, sowie Gemeinschaft und Gesellschaft. Während die anderen europäischen Staaten Zivilisationen verkörperten, stehe Deutschland für eine Kultur. Zivilisation sei etwas „Welsches“ (Romanisches). Dem politischen Ideal einer Gesellschaft wurde das organische Konzept der Gemeinschaft entgegengehalten. Im Zeichen der innenpolitischen Burgfriedenspolitik wurde versucht, alle Bevölkerungsteile in eine nationale Einheitsfront zu integrieren und den durch den Krieg geschaffenen Zusammenhalt (→ Kriegssozialismus) für eine dauerhafte Solidarisierung innerhalb der Volksgemeinschaft zu nutzen. An England wurde ein vermeintlicher Krämergeist kritisiert; Sombart schuf mit seinem gleichnamigen Werk das Gegensatzpaar von Händler und Helden. Die Ideen von 1914 waren dabei keineswegs propagandistische Artefakte, sondern entstanden aus einem lebendigen Zusammenhang einer intellektuellen Sinngebung des Krieges. 3000 Hochschullehrer unterzeichneten die den Krieg rechtfertigende Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches vom 16. Oktober 1914. Ein Großteil dieser Gelehrten wurde auch publizistisch aktiv. Die deutschen Publizisten reagierten zugleich auf alliierte Schuldvorwürfe, die Deutschen seien „Hunnen“, Barbaren und Militartisten. Auf beiden Seiten gab es Stimmen, die den Ersten Weltkrieg als geistig von Friedrich Nietzsche vorbereiteten Krieg sahen.

Die Westmächte verkauften ihren Kampf als einen Kreuzzug für Demokratie und Freiheit gegen Autokratie und Militarismus. Die deutschen Ideen von 1914, richteten sich propagandistisch gegen englische „Krämerseelen“, „gallische Oberflächlichkeit“ und „slawisches Barbarentum“.

Prägung des Begriffs

Die Ideen von 1914 wurden schon während der ersten Kriegstage von Historikern, Philosophen, Kulturschaffenden usw. geprägt. Es sollte eine Sinnstiftung des Krieges stattfinden, eine Metaphysik mit dem "Deutschtum" als Kern wurde geschaffen, die sich explizit gegen den englischen Liberalismus und die französische Demokratie wandte. Der Prozess der Prägung nahm dabei einerseits Elemente der Demokratiekritik des 19. Jahrhunderts, andererseits auch aktuelle Diskussionen auf. [1] Steffen Bruendel nennt als "Erfinder" der Ideen von 1914 den Nationalökonom Johann Plenge. Durch ihre Polyvalenz boten die Ideen von 1914 Anschlussmöglichkeiten nach rechts wie links. Bruendel zufolge seien die Ideen von 1914 bisher vor allem in moralisierender Weise als irrationale, präfaschistische Verirrungen abqualifiziert worden, deren „begrifflich rekonstruierbaren rationalen Kern“ es nun werturteilsfrei herauszuarbeiten gelte.

Literatur

Kriegsapologetische Schriften
  • Georg Simmel: Der Krieg und die geistigen Entscheidungen, Leipzig 1917
  • Thomas Mann: Gedanken zum Kriege, 1914
  • Paul Natorp: Über den gegenwärtigen Krieg, 17. September 1914, in: Kölnische Zeitung, S.15f
  • Paul Natorp: Der Tag der Deutschen. Vier Kriegsaufsätze, Hagen 1915
  • Paul Natorp: Krieg und Friede. Drei Reden, München 1915
  • Max Scheler: Der Genius des Kriegs und der Deutsche Krieg, 1915
  • Max Scheler: Krieg und Aufbau, 1916
  • Werner Sombart: Händler und Helden, 1915
  • Rudolf Kjellen: Die Ideen von 1914: eine weltgeschichtliche Perspektive; Leipzig 1915
  • Ernst Troeltsch: Die Ideen von 1914. (Rede, gehalten vor der Deutschen Gesellschaft, in: Die neue Rundschau 27 (1916), 605-624 (auch separat Berlin 1916; Wiederabdr. in: Deutscher Geist und Westeuropa, 31-58
  • Gustav Radbruch: Zur Philosophie dieses Krieges. Eine methodologische Abhandlung, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 44 (1917), S. 139-160
Forschungsliteratur
  • Domenico Losurdo: Die Gemeinschaft, der Tod, das Abendland. Heidegger und die Kriegsideologie; Stuttgart (Metzler) 1995
  • Kurt Flasch: Die geistige Mobilmachung. Die deutschen Intellektuellen und der Erste Weltkrieg, Berlin 2000.
  • Klaus Schwabe: Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen 1969.
  • Hans Maier, Ideen von 1914 – Ideen von 1939? Zweierlei Kriegsanfänge. in: VfZ 38,4 (1990), S. 525-542
  • Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 34), München 1996;
  • Wolfgang J. Mommsen: Der Geist von 1914. Das Programm eines politischen Sonderweges der Deutschen, in: Ders., Der autoritäre Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur des deutschen Kaiserreiches, Frankfurt am Main 1992, S. 407-421.
  • Jürgen und Wolfgang von Ungern Sternberg: Der Aufruf: „An die Kulturwelt!“. Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1996
  • Barbara Beßlich: Wege in den Kulturkrieg. Zivilisationskritik in Deutschland 1890-1914. (Diss.) 2000 [exemplarisch über Th. Mann Eucken, Bahr und Plenge]
  • Ralph Rotte: Die 'Ideen von 1914'. Weltanschauliche Probleme des europäischen Friedens während der 'ersten Globalisierung'. Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, Bd. 22, Hamburg 2001
  • Steffen Bruendel: Volksgemeinschaft oder Volksstaat. Die "Ideen von 1914" und die Neuordnung Deutschlands im Ersten Weltkrieg, Berlin: Akademie Verlag 2003
Personenbezogene Forschungsliteratur
  • Peter Hoeres: Der Krieg der Philosophen: Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg, 2004
  • Raimund Neuss: Anmerkungen zu Walter Flex. Die „Ideen von 1914“ in der deutschen Literatur: Ein Fallbeispiel. Schernfeld: SH-Verlag. 1992
  • Bruhn, Nils: Vom Kulturkritiker zum "Kulturkrieger". Paul Natorps Weg in den "Krieg der Geister"; Königshausen & Neumann, 2007
  • Andreas Peschel: Friedrich Naumanns und Max Webers „Mitteleuropa“. Eine Betrachtung ihrer Konzeptionen im Kontext mit den „Ideen von 1914“ und dem Alldeutschen Verband, Dresden 2005, ISBN 3-938863-00-5

Fußnoten

  1. Maier, Ideen von 1914, S. 526f.