Jugendbewegung

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Wandervogelgruppe aus Berlin (um 1930)

Die Jugendbewegung (auch Deutsche Jugendbewegung, Historische Jugendbewegung) ist ein bezeichnender Begriff für eine Bewegung vor allem junger Menschen, die im Wilhelminischen Zeitalter aus der Enge der Gesellschaft ausbrachen. Dies gelang nur, ausgelöst durch den Wandervogel – Bund für Schülerfahrten, weil sie mit dem Einverständnis oder der Duldung von Lehrern und Eltern schnell sehr groß wurde. Sie erstreckte sich, zeitlich gesehen, etwa von 1896 bis etwa 1933/34 in drei auszumachenden „Wellen“. Die Betrachtung dieses Phänomens ist äußerst vielschichtig und läßt immer wieder neue Deutungen zu.

„Wie bindungssuchend und opferbereit die Jugendbewegung trotz ihres Unabhängigkeitsanspruchs war, zeigte sich im Herbst 1914 bei Langemarck, als blutjunge Studenten und Wandervögel mit dem Lied der Deutschen auf den Lippen gegen die britischen Stellungen anrannten und tausendfach den Heldentod fanden. Wer die Geschichte und Ideale der Jugendbewegung nicht kennt, der weiß nichts von der deutschen Seele.“Jürgen Gansel in „Jung, deutsch und frei“

Die drei Wellen

Zeltlager der Jugend des Großdeutschen Bundes im Grunewald, Berlin 1933
  • Die erste Welle begann bereits 1897 mit dem Wandervogel, der offiziell 1901 als Ausschuß für Schülerfahrten gegründet wurde. Unabhängig davon startete 1905 mit dem Hamburger Wanderverein der zweite Ast der Bewegung. Die Bewegung war eher formlos und rein emotional. Die sinngebenden Bemühungen führten zu Aufspaltungen, ohne sich wirklich von den anderen abzuheben. Bündische oder revolutionäre Gedanken waren nicht vorhanden. Gegen Ende kam die Älterenfrage auf, also was man mit den Jungen machen sollte, wenn sie aus Altersgründen auszuscheiden hatten. Dies sind die ersten Ansätze für die zweite Welle. Die erste Welle wurde vom Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 erdrückt, und der Übergang zur zweiten Welle fand schleichend statt.
  • Die zweite Welle begann endgültig mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918. Die bündischen Gedanken und die Idee des Lebensbundes kamen auf und gaben der Jugendbewegung neuen Schub. Nun stießen die Pfadfinder dazu, die man genaugenommen ebenfalls als Welle bezeichnen müßte. Pfadfinder und die anderen durchdrangen und befruchteten sich gegenseitig. Allerdings ebbte die Bewegung langsam zu einem netten Freizeitvergnügen ab und blieb in der Bürgerlichkeit stecken. Einige Gruppen versuchten das Steuer herumzureißen. Das gelang nur wenigen – allen voran der dj.1.11, diese lösten die dritte Welle aus.
  • Die dritte Welle, die sich ab etwa 1928 bemerkbar machte, wurde im wesentlichen von der trucht (teut), dem Grauen Corps (fred), dem öjk und, allen voran, der dj.1.11 (tusk) ausgelöst, die mit frischen, neuen, manchmal auch radikalen Ideen und Mitteln die Jugendbewegung noch einmal hochrissen und zu neuer, kurzer Blüte brachten. Von der Jugendbewegung war bis 1945 nichts mehr übrig. Aus den jämmerlichen Resten formten sich neue Bünde, denen zum Teil phantastischste Sachen glückten, einige Bünde und Einzelpersonen sind oder fühlen sich immer wieder bewegt, aber die Jugendbewegung endete bereits 1945.

Zitat

„Diese neuerwachte Kraft ist durch niemand veranlaßt worden, sondern sie ist an vielen Stellen gleichzeitig durchgebrochen. Wie die Blutbuche nicht gezüchtet und gepflanzt wurde, sondern im gleichen Jahr an verschiedenen Stellen Deutschlands gleichzeitig entstand, so ist die seelische Beunruhigung der besten deutschen Knaben gleichzeitig aus dem Ungewollten her erfolgt. Sie war mehr als die Unruhe der Übergangsjahre und sie war mehr als die Bindung an irgendein Ideal oder ein Vorbild. Nein, es geht einfach nicht an, daß die Generation unserer Väter behauptet, sie hätte das auch erlebt. Sicher hat sie Romantik, Flegeljahre, Liebesgefühle, Willensdurchbrüche und was alles mehr die jugendliche Brust erschüttert, auch gehabt. Dies war aber eine natürliche Erscheinung und hat nichts gemein mit der Tiefe der Gewalt und der zersprengenden Ahnung, die die Besten einer Generation gleichzeitig überfiel und sie beinahe wie Irre in die Herbstwälder trieb, wo sie im Halbdunkel der Feuer vor dem aufwühlenden Dämon Ruhe fanden, wie durch die beschwörende Wirkung eines Symbols.“Fred Schmid, Führer des Grauen Korps in „Aufstand der Jugend“

1945 bis heute

Umstritten ist, ob und inwiefern die Jugendbewegung und die bündische Jugend heute noch fortleben. Während Historiker in der Regel einen Schlußpunkt der bündischen Phase in der Eingliederung der freien Bünde in die Hitler-Jugend in den Jahren 1933/1934 sehen – oder spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges –, betrachten sich die meisten Angehörigen der heutigen Gruppen als zeitgemäße Fortsetzung der historischen Jugendbewegung und bezeichnen sich als bündisch und/oder jugendbewegt.

Vom 10. bis zum 14. Oktober 1963 fanden sich 37 Bünde mit über 3.000 Teilnehmern zum Meißnerlager 1963 zusammen, um das 50. Jubiläum des Ersten Freideutschen Jugendtages von 1913 zu feiern. Infolge des Meißnertages kam es 1966 zur Gründung des Ringes junger Bünde (RjB).

Auch das 75. Jubiläum der Meißner-Formel wurde auf dem Hohen Meißner gefeiert; vom 12. bis zum 16. Oktober 1988 kamen bis zu 5.000 Teilnehmer aus 70 Bünden zum Meißnerlager 1988 zusammen.

Geschichtlicher Abriß

1896 begann Heinrich Hoffmann, mit einem aus Schülern des Steglitzer Gymnasiums gebildeten Stenographen-Verein ungebundene Wanderungen durchzuführen. Später unterstützte ihn der Schüler Karl Fischer als Unterführer.

1901 gründete Karl Fischer aus wohlgesinnten Erwachsenen den „Wandervogel, Ausschuß für Schülerfahrten“ (A.f.S.). Die Schüler waren nur „Teilnehmer". Als Vorbild dienten die fahrenden Schüler des Mittelalters, die Vaganten. Damit kam eine gewisse sozialkritische Einstellung, verbunden mit einer Ablehnung der Gesellschaftsordnung der Erwachsenen, auf. Besondere Ziele wurden nicht angestrebt, gesungen wurden meist Studentenlieder. Der Drang nach einer geistigeren und „feineren" Richtung im Wandervogel führte zur Auflösung des „A.f.S.“ 1904; Karl Fischer gründete aber bald darauf den „Altwandervogel“ im Gegensatz zum „Wandervogel e. V.“ der „Abtrünnigen“.

1904 begann eine Periode starker äußerer Ausbreitung und vieler Spaltungen. (Altwandervogel, Wandervogel e. V., WV Deutscher Bund, Jungwandervogel mit verschiedensten Zusammenschlüssen und Wiederabtrennungen).

1905 gründete Knud Ahlborn unabhängig von Fischer den „Hamburger Wanderverein" mit eigenen Formen, der zum „2. Ast“ der Bewegung wurde. Die verschiedenen Bünde arbeiteten nun ihre Eigenarten heraus, die Frage der Zulassung der Volksschüler und Mädchen erregte die Gemüter, die lebensreformerischen Kreise gewannen an Bedeutung, das Volkslied wurde entdeckt („Zupfgeigenhansl“ von Hans Breuer), der Österreichische Wandervogel entstand.

1911 begannen die Bünde um eine innere Vertiefung und eine Selbsterkenntnis zu ringen, die mehr sein sollte als ein unbestimmtes Gefühl. Gustav Wyneken brachte die Fragen der „Jugendkultur“ in die Wandervogelbewegung.

1913 führte der Versuch, das Einigende in allen WV-Bünden auszudrücken und damit eine bestimmtere Richtung festzulegen auf dem Hohen Meissner (11.–13.10. 1913, anläßlich einer Jahrhundertfeier zur Völkerschlacht bei Leipzig, die man bewußt nicht „hurrapatriotisch“ feiern wollte), zu der bekannten Meißner Formel. Das Problem der älteren Wandervögel begann akut zu werden, die von Hans Blüher aufgerührten Fragen um den Eros und den Männerbund erregten den WV und die Öffentlichkeit.

1914 schnitt der Kriegsausbruch weitere Entwicklungen ab. Die Mehrzahl der Führer meldete sich aus edelsten Motiven zum Kriegsdienst. Während des Ersten Weltkrieges fielen etwa 7.000 Wandervögel (insbesondere während des bekannten Sturmes bei Langemarck). Es wurde versucht, das WV-Leben in der Heimat nicht zum Erliegen kommen zu lassen.

1918 brachte der militärische und politische Zusammenbruch der Mittelmächte den WV zum Umdenken, da ihn die äußeren Umstände vor neue Probleme stellte. Dasselbe traf auch für die deutschen Pfadfinder zu, die bisher nicht als jugendbewegt bezeichnet werden konnten. Bei den Wandervögeln äußerten sich die Reformbestrebungen z. B. in der Gründung (1919/20) des Geheimbundes der „Nerommen“ durch Robert und Karl Oelbermann (der spätere Nerother Wandervogel), den Bestrebungen um den reinen „Jungenbund“ (im Gegensatz zum „Jugendbund“) und den Gesprächen um Demokratie und Adelsherrschaft.

Bei den Pfadfindern begann auf der Tagung auf Schloß Prunn die Abwendung von den alten starren Prinzipien und die Hinwendung zum „Bündischen“. Das Pfadfindertum wurde zu einer Lebensanschauung, Franz Ludwig Habbels „Stammeserziehung“ (in Anlehnung an den Engländer John Hargrave) wies einen praktischen Weg.

1926 kam es zum „Bund der Wandervögel und Pfadfinder“, der sich 1927 den Namen „Deutsche Freischar“ gab. Die aus den Nachkriegsumständen entstandenen bündischen Gruppen zeichneten sich durch straffere äußere Formen, größere innere Disziplin und klarere Zielsetzung aus, wenn die Ziele und Wege aus heutiger Sicht auch oft sehr eigenartig und nicht gut durchdacht erscheinen müssen. Das Liedgut dieser Zeit kannte viele „Pseudo-Landsknecht-Lieder“, viele Soldatenlieder und viele im soldatischen Ton gehaltene „Sehnsuchtslieder“, die fast alle in den Bünden selbst entstanden. Die Verbindung gefühlsbetonter Bewegtheit mit straffer Form und klarerer Zielsetzung ließ die bündische Bewegung weit in die Kreise der Jugendorganisationen und auch der Jugendpflege eindringen. Besonders politische und konfessionelle Organisationen wurden von ihr erfaßt (sozialistische Jugend, röm.-kath. „Quickborn“ usw.) und gerieten selbst so in Bewegung, daß sie später von ihren Stammgemeinschaften nur schwer wieder zu bändigen waren. Manche Bünde richteten sich politisch aus. Es galt nun als eher ungewöhnlich, nicht irgendwie bündisch, als bündisch zu sein.

1928 lechzte die Jugend nach Aktion, was ihnen die Bünde bisher nicht boten oder bieten konnten. So bekam Eberhard Koebel (tusk), zu jener Zeit Führer des Gaues Schwaben der „Deutschen Freischar“, seine Bedeutung als Urheber der „3. Welle“ der deutschen Jugendbewegung, der Jungenschaften. Für tusk war die Aktion alles, der junge Mensch sei der allein schöpferische, der ältere (schon ab ca. 25 Jahren!) gehört zum alten Eisen. Die Sammlung der Jugend zu dieser Lebensform müsse alle Bünde durchdringen und zu einer allgemeinen deutschen Jungenschaft werden. Als die anderen Bünde sich wehrten, schuf tusk die dj.1.11 und dehnte seinen Einfluß auf viele Bünde und Gruppen aus, ohne jedoch sein Ziel, die „Gesamtjungenschaft“, zu erreichen. Die darauf zielende „rot-graue Aktion“ wurde ein Fehlschlag.

1931 durchdrang tusk mit der dj.1.11 die Pfadfinder.

1933 traf die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus die bündische Jugend eigentlich unvorbereitet und uneinig. Wenige waren sich überhaupt über das Ausmaß im klaren, viele hofften, daß die „Reichsjugendführung“ wesentlich den Bündischen überlassen werden würde, so daß der „Großdeutsche Jungenbund“ als Einigungsbund gegründet wurde, die Führung übernahm Admiral von Trotha. Letztlich gingen die zersplitterten Gruppen weitgehend in der Hitlerjugend auf.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Blüher: Wandervogel, Geschichte einer Jugendbewegung, Berlin 1912
  • Copalle/Ahrens: Chronik der freien deutschen Jugendbewegung, Voggenreiter Verlag 1954
  • Gerhard Ziemer: Wandervogel und Freideutsche Jugend, Voggenreiter Verlag 1961 (mit wichtigem Bildband)
  • Werner Helwig: Die blaue Blume des Wandervogels, Sigbert Mohn Verlag Gütersloh 1960, Deutscher Spurbuchverlag Baunach 1998
  • Hermann Siefert: Der bündische Aufbruch 1919 - 1923, Voggenreiter Verlag 1963
  • Werner Helwig: tusk, Südmarkverlag 1962
  • Dieter Vollmer: Die deutsche Jugendbewegung, in: DGG (4/1990)
  • Eberhard Koebel - tusk, Werkausgabe. 12 Bde., hg. Arno Klönne u. a., Verlag Achim Freudenstein, Edermünde 2005