Kardinal
Kardinal ist ein religiöser Titel der römisch-katholischen Kirche, der von deren Oberhaupt, dem Papst, verliehen wird. Er berechtigt den Träger – bis zu einer festgelegten Altersgrenze – zur Papstwahl und verpflichtet ihn zur besonderen Mitverantwortung an der Gesamtleitung seiner Kirche.
Die Verleihung nennt man Kreierung, die kirchen-protokollarisch genaue Anrede eines Kardinals lautet „(Eure) Eminenz“. Es gibt Kardinäle, die in der römischen Kurie die Funktionen von Ministern – wie in weltlichen Regierungen – innehaben. Diese werden Kurienkardinäle genannt, zu denen z. B. der Kardinalstaatssekretär, der Kardinalgroßpönitentiar und die Kardinalpräfekten gehören.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft des Begriffs
Der Ausdruck Kardinal kommt zum einen vom lateinischen cardinalis „wichtig, vorzüglich“. Zum anderen bezieht er sich ursprünglich auf einen an einer römischen Hauptkirche (cardo) – auch außerhalb Roms – angestellten Geistlichen (in cardinatus cardinalis), dem eine Kirche oder Diakonie als Titelkirche (tituli cardinales) in Rom anvertraut ist.
Kardinäle sind die nach dem Papst höchsten Würdenträger, diese Kardinalswürde wird auch als Kardinalat bezeichnet. Das Amt geht auf die Zeit der Alten Kirche zurück. Die Funktion als Kardinal kann traditionell mit einem kirchlichen Amt verbunden sein, z. B. Kardinalstaatssekretär. Ferner bedeutet das Kardinalat die Aufnahme in den stadtrömischen Klerus und in den kirchlichen Adelsstand.
Der volle Titel lautet: Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalis („Kardinal der Heiligen Römischen Kirche“), was in offiziellen kirchlichen Schreiben und Urkunden meist mit S. R. E. Cardinalis abgekürzt wird.
Kirchenrechtliche Bestimmung
In der Wahl der Personen ist der Papst frei. Seit dem 15. April 1962 werden in der Regel nur Bischöfe zu Kardinälen ernannt. In der gegenwärtigen Praxis gibt es Ausnahmen, z. B. wenn Priester aufgrund besonderer Verdienste zu Kardinälen ernannt werden. Diese müssen sich nach dem Kirchenrecht zu Bischöfen weihen lassen. Der Papst kann jedoch auf Wunsch des angehenden Kardinals von dieser Verpflichtung befreien. Auffällig ist, daß Priester aus dem Jesuitenorden seit 1994 auf die Bischofsweihe vor ihrer Erhebung in das Kardinalat verzichten und dies immer gewährt wurde. Der letzte Kardinal ohne Priesterweihe war der deutschstämmige Theodolfo Mertel (1806–1899). Nach aktuellem Kirchenrecht ist dies jedoch nicht mehr möglich.
Der Papst ist nicht verpflichtet, den Namen des von ihm ernannten Kardinals bekanntzugeben, in solchen Fällen spricht man von einem Kardinal „in pectore“. Die Bekanntgabe unterbleibt bedarfsweise und aus taktischen Erwägungen und betrifft Länder, in denen Christen in der Minderheit sind oder unter Verfolgungsdruck leiden.
Die Kardinalserhebung einer Person geschieht durch ein Dekret des Papstes, das vor dem Kardinalskollegium verkündet wird. In jüngerer Zeit erfolgt sie durchweg in einem öffentlichen, außerordentlichen Konsistorium. Von da an haben die betreffenden Personen alle Rechte und Pflichten eines Kardinals.
Man unterscheidet drei Klassen (ordines):
- Kardinalbischöfe
- Kardinalpriester
- Kardinaldiakone
Die Kardinäle bilden das Kardinalskollegium der römisch-katholischen Kirche unter der Leitung des Kardinaldekans; dieses Amt wird seit Mai 2005 von Angelo Kardinal Sodano bekleidet. Die Kardinäle sind die unmittelbaren Gehilfen des Papstes in der Leitung der Gesamtorganisation. Die wahlberechtigten Kardinäle wählen während der Vakanz des „Apostolischen Stuhles“ in einer besonderen Versammlung (Konklave) den neuen Papst. Wahlberechtigt sind seit einer 1968 erlassenen Regelung alle Kardinäle, die am Tag vor der Vakanz das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Höchstzahl der wahlberechtigten Kardinäle darf offiziell nicht mehr als 120 betragen, ist aber de facto variabel.
Die Kardinalswürde kann mit Erlaubnis des Papstes niedergelegt oder von ihm auch aberkannt werden.
Historisches
Seit dem 4. Jahrhundert waren die Kardinäle zuerst Berater und Mitarbeiter des Papstes im Dienste Titelkirchen der Stadt Rom, d. h. der ersten Pfarreien. Kardinäle waren die Vorsteher der „tituli cardinales“, also der wichtigsten „Titelkirchen“. Bis heute ist jedem Kardinal eine Titelkirche in Rom zugeordnet. Somit gehören Kardinäle auch zum Klerus der Stadt Rom. Seit 1150 versammeln sich die Kardinäle im „sacrum collegium“, dem der Dekan vorsteht. Seit dem Jahr 1059 sind die Kardinäle die ausschließlichen Papstwähler.
Ab dem 11. Jahrhundert bildete sich auch allmählich ein strukturiertes Kardinalskollegium heraus, das auch immer mehr Einfluß auf die Kirchenführung nahm.
Die Vergabe von Kardinalshüten war insbesondere in der frühen Neuzeit ein Mittel, mit dem Päpste ihre Beziehungen zu den europäischen Fürstenhäusern pflegten und ihre freundschaftliche Beziehung zu anderen Staaten festigten. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts war es in vielen Dynastien Europas üblich, daß ein Sohn oder ein Bruder des regierenden Fürsten zum Kardinal ernannt wurde. Ein Beispiel für eine solche Kardinalsernennung ist die des spanischen Königssohnes Kardinalinfant Ferdinand im Jahre 1619. Die Familie Borghese, der der ernennende Papst Paul V. angehörte, erhielt im Gegenzug dafür einen spanischen Adelstitel. Ähnliches gilt auch für das Königreich Polen, für die Habsburger, das Königreich Portugal sowie die Lothringer. Auch die großen Adelsgeschlechter Italiens wie die Medici, die Farnese, die Gonzaga oder die d'Este waren im Kardinalskollegium vertreten. Gelegentlich empfingen diese sogenannten „dynastischen“ Kardinäle noch nicht einmal kirchliche Weihen. Ihnen stand damit die Möglichkeit offen, in den weltlichen Stand zurückzukehren, wenn dies aus dynastischen Gründen sinnvoll erschien. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert kam es insgesamt zwölfmal vor, daß Kardinäle in den weltlichen Stand zurückkehrten. Zu ihnen zählt Cesare Borgia.
Umgekehrt schlugen Fürsten ihnen genehme Personen dem Papst zur Auszeichnung mit dem Kardinalshut vor. Diese Personen waren meist dem Fürsten mehr verbunden als dem jeweiligen Papst. Die Kardinalsernennung als politisches Herrschaftsinstrument des Papstes verlor erst in der Folge des Westfälischen Friedens von 1648 ihre Bedeutung, als sich die Politik zusehends entkonfessionalisierte. Die Vertretung im Kardinalskollegium in Rom als politischer wie religiöser Machtfaktor wurde für die europäischen Herrscherhäuser zunehmend uninteressant. Bis 1870 waren die Päpste nicht nur Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch Landesherren eines Kirchenstaates, der von Bologna und Ferrara im Norden bis nach Benevent im Süden reichte. Zwischen den Kardinälen fanden sich daher auch Verwaltungsbeamte, deren Fachgebiet eher die Jurisprudenz als die Theologie war.
Während bisher immer nur Europäer Kardinäle wurden, änderte sich das im 19. Jahrhundert. 1875 nahm Pius IX. mit John McCloskey (USA) zum ersten mal einen Nicht-Europäer ins Kardinalskollegium auf. Erst seit dem 20. Jahrhundert werden regelmäßig nicht-europäische Kardinäle ernannt. Unter Pius XII. änderte sich auch die Struktur der Kardinalskreierungen: Während bisher mehrmals im Jahr wenige Kardinäle neu ernannt wurden, wird seitdem in größerem Zeitabstand eine Vielzahl von Kardinälen kreiert. Auch Geistliche, die 80 Jahre oder noch älter sind, werden jetzt oft zu Kardinälen.
Kleidung
Kardinäle tragen einen besonderen Kardinalsring und zu gewissen Anlässen einen scharlachroten („porpora“) Talar zur Chorkleidung und die Mozetta (Schulterumhang) sowie das scharlachrote Birett (Kopfbedeckung), das in einer besonderen Zeremonie vom Papst verliehen wird. Hinzu kommen das Zingulum (Gürtelband) und der Pileolus (Scheitelkäppchen) aus roter Moiré-Seide. Die rote Farbe soll die Würde des Amtes zum Ausdruck bringen und darauf hinweisen, daß die Träger dieser Würde bereit sein sollen, „sogar bis zum Vergießen des eigenen Blutes“ für den christlichen Glauben einzustehen. Außerhalb der Liturgie trägt der Kardinal eine schwarze Soutane mit roter Paspelierung (Nahtbesatz) und roten Knöpfen. Der früher übliche große Kardinalshut mit 15 zu den Seiten herabhängenden roten Quasten (fiocchi) wurde 1969 abgeschafft und erscheint heute nur noch im Wappen eines Kardinals.
Recht und Ehrenrechte des Kardinals
Der Kardinal besitzt das Recht, in seiner eigenen Kirche begraben zu werden, er kann überall in der Welt das Bußsakrament spenden, er darf (bei Verfehlungen gegen das kirchliche Recht) nur vor das Gericht des Papstes gezogen werden und kann den Ort zur Zeugenvernehmung selbst bestimmen. Über seine Titelkirche übt er keinerlei Leitungsgewalt aus, wohl aber beratende Schirmherrschaft. Zu den Ehrenrechten gehören der sogenannte Kardinalspurpur, der in Wirklichkeit scharlachrot ist, und seit 1630 die Anrede „Eminenz“. Der Titel „Kardinal“ wird in Deutschland als Namensbestandteil zwischen Vor- und Nachname geführt.
Nachdem der Kirchenstaat 1870 in das Königreich Italien eingegliedert worden war, wurde durch die Lateranverträge vom 11. Februar 1929 die volle Souveränität des Papstes über den „Staat der Vatikanstadt“ (Città del Vaticano) anerkannt. Danach entspricht auch der Rang der Kardinäle dem von Prinzen regierender Häuser. Zwar nicht kirchenrechtlich zwingend, aber nach Kardinalstradition, werden (Erz-)Bischöfe bestimmter Diözesen regelmäßig zu Kardinälen ernannt.
Kardinal Francesco Coccopalmerio
Im Juli 2017 wurde bekannt, daß die Polizei des Vatikanstaats in der Wohnung des Kardinals Francesco Coccopalmerio eine Drogen- und Sexorgie aufgelöst hat. Organisator der homosexuellen Orgie war der 50jährige Luigi Capozzi, der Sekretär von Kardinal Francesco Coccopalmerio.[2]
Derzeitige Kardinäle aus deutschsprachigen Ländern
Bundesrepublik Deutschland
- Gerhard Ludwig Müller (* 1947), Kurienkardinal in Rom, Kardinal seit 22. Februar 2014[3]
- Friedrich Kardinal Wetter (* 1928), emeritierter Erzbischof von München und Freising (1982–2007), Kardinal seit 1985
- Walter Kardinal Kasper (* 1933), emeritierter Kurienkardinal, ehemaliger Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal seit 2001
- Paul Josef Kardinal Cordes (* 1934), emeritierter Kurienkardinal, ehemaliger Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“, Kardinal seit 2007
- Reinhard Kardinal Marx (* 1953), Erzbischof von München und Freising, Kardinal seit 2010
- Walter Kardinal Brandmüller (* 1929), Kirchenhistoriker und früherer Chefhistoriker des Vatikans, Kardinal seit 2010
- Rainer Maria Kardinal Woelki (* 1956), Erzbischof von Köln, Kardinal seit 2012
- Karl-Josef Kardinal Rauber (* 1934), emeritierter Diplomat des Heiligen Stuhls, Kardinal seit 2015
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. (* 1927) war von 1977 bis 2005 als Joseph Ratzinger ebenfalls Kardinal.
Bundesrepublik Österreich
- Christoph Kardinal Schönborn OP (* 1945), Erzbischof von Wien und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal seit 1998
Schweiz
- Henri Kardinal Schwery (* 1932), emeritierter Bischof von Sion/Sitten, Kardinal seit 1991
- Kurt Kardinal Koch (* 1950), Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Bischof von Basel (1995–2010), Kardinal seit 2010
Siehe auch
Literatur
- Alfred Mühr: Herrscher in Purpur. Die Geschichte der Kardinäle. Heyne Verlag, 1977, ISBN 9783453480360
- Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut. Kardinalskarrieren im barocken Rom. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-36277-3, online
- Arne Karsten: Künstler und Kardinäle. Vom Mäzenatentum römischer Kardinalnepoten im 17. Jahrhundert. Überarbeitete, ergänzte Ausgabe. Böhlau, Köln u.a. 2003, ISBN 3-412-11302-6 (Zugleich: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 2001)
- Christa Kramer von Reisswitz: Die Papstmacher. Die Kardinäle und das Konklave. Aktualisierte Taschenbuchausgabe. Knaur-Taschenbuch, München 2003, ISBN 3-426-77656-1 (Knaur-Taschenbücher 77656)
- Codex des kanonischen Rechtes, Lateinisch-deutsche Ausgabe mit Sachverzeichnis. Kevelaer, 5. Auflage 2001, hier: Buch II, Kapitel III, can. 351
Verweise
- Papst Franziskus trennt sich von Kardinal Müller als Leiter der Glaubenskongregation, Süddeutsche Zeitung, 30. Juni 2017