Karpatendeutsche

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Siedlungsgebiete der Karpatendeutschen

Als Karpatendeutsche bezeichnet man die Deutschen in den Karpathen auf dem Gebiet der heutigen Slowakei sowie im östlichen Karpatenbogen, der heute territorial zur Ukraine gehörenden Karpatoukraine.

Karpatendeutsche in der Slowakei

Manfred Grisebach (Herausgeber): „Deutsches Blut im Karpatenraum. Jahrbuch des Deutschen Ausland-Instituts zur Wanderungsforschung und Sippenkunde“, mit 7 Karten und 35 Bildern, 6. Band 1941/42, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart und Berlin 1942

Deutsche Siedler haben die Slowakei vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, vor allem jedoch nach dem Mongoleneinfall von 1241, besiedelt. Im Gebiet von Preßburg gab es wohl auch schon etwas früher Deutsche. Sie haben vor allem ältere slowakische Städte, Markt- und Bergbausiedlungen besiedelt und wurden meist von den Königen als Spezialisten (Handwerker, Bergleute) angeworben. Die drei Hauptsiedlungsgebiete waren Preßburg und Umgebung und einige Sprachinseln in der Zips und das Hauerland. Ungefähr bis zum 15. Jahrhundert bestand die Führungsschicht aller slowakischen Städte fast ausschließlich aus Deutschen. Die Deutschen (zum Teil eigentlich Altösterreicher) in der Stadt Preßburg bildeten bei der Volkszählung im Sommer 1919 noch die größte Gruppe: 36 % der Bürger waren Deutsche, 33 % Slowaken und 29 % Ungarn.

Etwa vom 12. Jahrhundert (der Südwesten schon seit 907) bis 1918 war die heutige Slowakei Teil des ungarischen Staates bzw. später der ungarischen Hälfte der k.u.k.-Monarchie. Preßburg war 250 Jahre lang sogar Krönungsstadt der ungarischen Könige. Die Karpatendeutschen waren genauso wie viele Slowaken in der zweiten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einem starken Magyarisierungsdruck ausgesetzt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges plädierten die meisten Karpatendeutschen für den Verbleib der Slowakei bei Ungarn, danach für eine slowakische Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei. Ihre Zahl lag in der Zwischenkriegszeit bei etwa 130.000.

Allerdings waren die meisten Karpatendeutschen bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus der Slowakei nach Deutschland geflohen oder wurden von den deutschen Behörden evakuiert. Dies war nicht zuletzt eine Reaktion auf den slowakischen Nationalaufstand im Spätsommer 1944, bei dessen Niederschlagung von den Partisanen Grausamkeiten an Deutschen verübt worden waren.

Vertreibung

Aus der Zips wurden die meisten Deutschen zwischen Mitte November 1944 und dem 21. Januar 1945 dank einer Initiative Adalbert Wanhoffs und der Vorbereitungen des Bischöflichen Amtes der deutschen evangelischen Kirche vor der heranrückenden Roten Armee nach Deutschland oder in das Sudetenland evakuiert. Die Preßburger Deutschen wurden im Januar und Februar 1945 nach langen Verzögerungen evakuiert, jene des Hauerlandes flüchteten Ende März 1945 aus ihren Orten. Die Rote Armee erreichte Preßburg am 4. April 1945.

Nach dem Kriegsende (8. Mai 1945) kehrte zunächst etwa ein Drittel der evakuierten und geflüchteten Deutschen nach Hause in die Slowakei zurück, verlor jedoch ab 2. August 1945 – zusammen mit den Sudetendeutschen in der Tschechei und den Ungarn in der Südslowakei – aufgrund des Beneš-Dekrets Nr. 33 die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit und wurde in Sammellagern interniert. 1946/47 wurden schließlich etwa 33.000 Deutsche aus der Slowakei vertrieben, während ca. 20.000 Personen infolge besonderer Umstände in der Slowakei bleiben konnten. Von rund 128.000 Deutschen in der Slowakei im Jahre 1938 blieben also 1947 etwa 20.000 (16 %). Während der Vertreibung kamen ca. 23.000 Karpaten-Deutsche ums Leben.

Massaker von Prerau

Das größte Massaker an Karpatendeutschen fand in Prerau statt. Am 18./19. Juni 1945 wurden im mährischen Prerau alle 265 Insassen eines Zuges – karpatendeutsche Flüchtlinge – am dortigen Bahnhof von slowakischen Soldaten unter dem Kommando von Karol Pazura ermordet.

Die meisten der 265 Karpatendeutschen, die sich am 18. Juni 1945 im Zug am Bahnhof in Prerau befanden, stammten aus der Ober- und Unterzips. Sie waren kurz vor Kriegsende nach Nord-Böhmen evakuiert worden und wollten nun in ihre Heimat zurückkehren. Während der Zug hielt, lief ein Militärtransport mit tschechoslowakischen Soldaten in den Bahnhof von Prerau ein. Die Soldaten befanden sich von einer „Siegesfeier“ in Prag auf dem Heimweg.

Am Nachmittag zwang der Nachrichtenoffizier Karol Pazur mit seinen Soldaten die 265 wehrlosen Zivilisten dazu, den Zug zu verlassen. 30 slowakische Soldaten konnten rekrutiert werden, um in der Nähe des Bahnhofs, an der sogenannten Schwedenschanze, ein Massengrab im Ausmaß von 17 mal zwei Metern und einer Tiefe von zwei Metern auszuheben.

Kurz nach Mitternacht wurden dann die Karpatendeutschen am 19. Juni in Viererreihen vom Bahnhof weggebracht. Sie mußten sich bis zur Unterwäsche ausziehen, alle persönlichen Wertgegenstände abliefern und wurden dann mit Genickschüssen ermordet. Neben den 71 Männern und 120 Frauen fielen 74 Kinder diesem Verbrechen zum Opfer. Das jüngste Opfer war ein erst acht Monate alter Säugling, das älteste Opfer war ein 80 Jahre alter Mann. Anschließend plünderten die Soldaten die noch im Zug befindlichen Wertgegenstände der Heimkehrer vollständig.

Massaker von Glaserhau

Das Massaker von Glaserhau ist in eine Reihe von Massaker an der Karpatendeutschen Zivilbevölkerung der Slowakei im September 1944 einzuordnen. Ähnliche Massaker fanden in Hochwies, Rosenberg, Schemnitz, Neusohl, Krickerhau und Deutsch-Proben statt. Sie bildeten den Auftakt der Fluchtbewegung der Karpatendeutschen aus der Slowakei.

Nach der Entstehung der Zweiten slowakischen Republik haben sich slowakische Bürgerrechtler, insbesondere Josf Stricz, um eine juristische Aufarbeitung des Massenmordes bemüht. Ende der 90er Jahre wurden polizeiliche Ermittlungen aufgenommen, die jedoch ohne Verfahren eingestellt wurden, da der festgestellte Hauptverantwortliche Leonid Nikolajewitsch Slawkin mittlerweile schon verstorben war.

Verbrechen im Hauerland

Der Autor Wolfgang Venohr hatte im November 1968 in Preßburg ein Gespräch mit einem Herrn J. Spitzer, einem ehemaligen jüdischen Partisanenführer. Dieser berichtete ihm:

„Es kam zu schrecklichen Exzessen und grausamen Ausschreitungen gegen die Volksdeutschen in Krickerhau, Deutsch-Proben, Oberstuben und anderswo. Bei Kremnitz wurde ein ganzer Panzergraben mit den Leichen ermordeter Deutscher angefüllt.

Es sei in der Anfangszeit üblich gewesen, sich aus den Internierungslagern bei Sklabina und Slovenská Lupca, wenn man Lust hatte, ein paar Deutsche herauszugreifen und sie umzulegen. Sie überzogen wochenlang die ganze Mittel-Slowakei mit einem engmaschigen Netz des Terrors und Schreckens.“

Die Geschehnisse in den Orten der Kremnitzer und Deutsch-Probener Sprachinsel sowie den angrenzenden Streusiedlungen wurden in einem Buch mit dem Titel „Schicksal Hauerland“ dokumentiert. Mitautor ist Broisl Groß aus Schmiedshau. Darin ist die Gesamtzahl der Opfer dieser schrecklichen Zeit mit fast 1.200 angegeben.

Kein Ort des Hauerlandes blieb vom Treiben dieser verbrecherischen Banden verschont.

Begonnen hat es in der Stadt Rosenberg im Waagtal, wo sich die Banditen schon vor dem eigentlichen Beginn frei und ungehindert bewegen konnten. Unterstützt wurden sie von einer Gruppe slowakischer Soldaten. Sie machten Jagd auf Deutsche, wobei auch einige Slowaken in ihre Fänge gerieten. 146 Personen wurden auf LKW geladen und in Liptovská Osada gnadenlos erschossen. Das war am 27. August 1944.

Unter den Opfern war auch der verdiente Landsmann Ernst Hochberger, er war Leiter des Karpatendeutschen Kulturwerkes in Karlsruhe und ist Verfasser etlicher Reise- und Kunstführer durch die Slowakei.

Außer den schon erwähnten Verbrechen von Glaserhau und Prerau fanden im Hauerland noch weitere Massaker statt.

Einige Beispiele:

  • Deutsch-Proben – 30 Tote
  • Krickerhau – mehr als 80 Tote
  • Hochwies und Paulisch – zusammen 85 Tote
  • Kuneschhau – 69 Tote
  • KZ Sklabina – 130 Tote
  • KZ Deutsch Lipsch – 32 Tote

Es gab keinen Ort mit deutscher Bevölkerung, in dem nicht Raub, Verschleppung und Mord stattgefunden hätten - in kleinerem Umfang auch in der Unterzips.

Konzentrationslager Schloß Slovenská Ľupča

Außer den Verschleppungsorten entlang des Gran-Tales war das Schloß in Slovenská Lupča die Haupt-Internierungsstätte für „schwere Fälle“ in der Art eines Gefängnisses. Vom Beginn des Aufstandes bis zu seiner Niederschlagung nach sieben Wochen wurden nahezu sechshundert Männer, Frauen, Kinder, ja sogar Säuglinge, im Schloß in unmenschlicher Weise gefangengehalten. Der größte Teil der Internierten waren Deutsche, davon allein über 100 Gefangene aus Krickerhau, daneben Slowaken, die der Hlinka-Partei angehörten, aber auch Tschechen, Ungarn sogar Ukrainer. Die Inhaftierten wurden einzeln, in kleinen Gruppen oder in großen Schüben, wie es Herr Anton K. aus Krickerhau selbst erlebte, auf das Schloß gebracht:

„In der dritten Septemberwoche wurde ich mit vielen Männern aus den Marter-Kellern des Arbeiterheimes herausgeholt, um nach Slovenska Lupca gebracht zu werden. Wie eine Viehherde, die zum Schlachthof geführt wird, schleppten sich annähernd 70 ausgemergelte Gestalten durch den Heimatort auf der Hauptstraße über Neuhau ins 16 km entfernte Heiligenkreuz.
Nach einer schlimmen Nacht in einer Scheune wurden wir in Viehwaggons verladen und nach Slovenska Lupca gebracht. Im Schloß erfolgte die Einweisung in einen Saal, in dem mehr als 100 Männer in drangvoller Enge auf dünner Strohschicht vegetierten!“

Die Insassen waren anfangs dauernd terroristischen Eingriffen und Mißhandlungen durch den berüchtigten jüdischen Lagerleiter Staudinger und seine Peiniger ausgesetzt. Nachts verschwanden immer einige der Gefangenen, wohin wußte niemand. Die Übrigen zitterten, da sie nie wissen konnten, wann sie abgeholt wurden.[1]

Todesmarsch nach Prag

Das Schicksal der tausenden karpatendeutschen Evakuierten, die im innerböhmischen Raum vom Zusammenbruch überrascht wurden, war besonders hart. Neben den Drang­salierungen durch Rotarmisten waren sie der Willkür und den Haßgefühlen der tschechischen Aufständischen, aber auch der Behörden und der Zivilbe­völkerung ausgeliefert. Die sogenannten „Revolutionsgardisten“ (durchweg Verbrechergesindel) glaubten, an den wehrlosen Opfern, die ihnen der Zufall in die Hand gegeben hatte, Mut und Nationalstolz unter Beweis stellen zu müssen. Auch der aufgeputschte Mob fiel über sie her, mißhandelte sie und beraubte sie oft ihrer letzten Habe. Ihr blinder Haß gegen alles Deutsche brach wie eine Springflut hervor und ließ keine menschlichen Regungen und Gefühle aufkommen. Und wenn sie bei wenigen noch vorhanden waren, durften sie diese nicht zeigen, wenn sie ihr eigenes Leben nicht in Gefahr bringen wollten. Umso bewunderungswer­ter war die Haltung einzelner Tschechen, die auch in dieser Welt des Hasses und der Mordlust versuchten, den Deutschen nach Möglichkeit zu helfen. Die Not steigerte sich durch Ausschreitungen aller Art und den Entzug der persönlichen Freiheit, durch Zwangsarbeit und durch Internierung.

Ein besonders hartes Geschick traf Herrn Anton B. aus Drexlerhau, der im Rahmen des Heimatschutzes zum Einsatz gekommen war und am 6. Mai 1945 in der Nähe von Prag in die Gefangenschaft der Aufständischen geriet. Er berichtet:

„In der dritten Ortschaft wurden wir in eine Schule gebracht. Dort wurden die Slowakeideutschen von den Reichsdeutschen getrennt. Schon am nächsten Tag stellten wir mit Verwunderung fest, daß nicht der Amerikaner, sondern der Russe einmarschiert war. Wieder mußten wir alle antreten. Es wurde uns mitgeteilt, daß wir nun bald nach Hause kommen würden. Nachmittags um 14 Uhr marschierten wir in Richtung Prag, etwa 500 Mann. Von tschechischen Posten einer Gemeinde wurden wir an die nächsten übergeben, bis wir in Ritschan angelangt waren. Hier kamen wir auf einen großen Sportplatz. Als wir einzeln durch die Tür hineingehen mußten, standen drinnen Russen Mann an Mann beidseitig mit Zaunlatten in der Hand und schlugen auf uns, ohne Rücksicht darauf, wie sie einen und wohin sie einen trafen. Noch vorher mußten wir auf einem großen Kleefeld antreten und Uhren sowie Stiefel abgeben, die die Russen einsammelten. Es wurde keine Rück­sicht darauf genommen, daß nun viele barfuß gehen mußten. Auf dem Sportplatz waren ungefähr 4000 Männer und Frauen – zwei Drittel davon etwa SS-Angehörige. Ich muß erwähnen, daß einige erschlagen, verge­waltigt und erschossen wurden. Ich sah selbst, wie vier Frauen, die sich nicht vergewaltigen ließen, zusammen mit einem Strick in einer Schlinge aufgehängt wurden. Sechs Männer, die sich geweigert hatten, die Uhren abzuge­ben, lagen da, Mann an Mann – umgebracht. Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, daß es uns genau so erginge, wenn wir nicht alle Befehle befolgten. Eine Frau kam mit einem Kleinkind im Kinderwagen. Der Wagen wurde umgeworfen, der Säugling zertrampelt.
Gegen zehn Uhr vormittags mußten wir zu viert antreten und in Richtung Prag weitermarschieren. Jede Reihe bekam beim Verlassen des Platzes ein Brot. Das wurde aufgeteilt und gleich gegessen, denn dies war ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es war ziemlich heiß, zu essen bekamen wir weiter nichts, zu trinken erst recht nichts, während wir unterwegs laufen, hinlegen, Sprung auf marsch marsch u.s.w. üben mußten. Fiel einer um, so bekam er den Todesschuß. Sprang einer in den Straßengraben, um sein Taschentuch naß zu machen, lag einer erschöpft da, wollte einer dem anderen helfen, war es für alle aus, denn schon ratterte ein MG. Kurz vor Prag lag mindestens alle zehn Meter einer auf dem Weg. Zum ersten Male durften wir hier zu einem Brunnen, um etwas Wasser zu erhaschen. Aber schon in etwa zehn Minuten hieß es wieder antre­ten. Die Nachzügler, die den Brunnen nicht gleich verließen, wurden sofort erschossen. Mindestens 60 Mann blieben dort liegen.
Tschechische Legionäre, die aus Rußland kamen, erschienen mit 16 oder 17 Panzern und fuhren kreuz und quer durch unsere Kolonne. Wer erwischt oder angefahren wurde, war verloren. Wieviele dort hegen blieben, kann ich nicht sagen. Jeder fühlte sich dem Tode geweiht. Als wir dann über die Moldaubrücke gingen, sprangen einige aus Verzweiflung über das Geländer in das Wasser. Nach jedem Verzweifelten wurden von der Begleitmannschaft einer oder zwei aus der Menge nachgeworfen. Keiner wußte, wann er an der Reihe sein wird.
In Prag wurden wir durch die Hauptstraßen geführt, so daß sich die Bewoh­ner der Stadt an uns richtig austoben konnten. Wir wurden geschlagen, angespuckt, die Kleider wurden uns heruntergerissen u. a. m. In der Nacht kamen wir mit etwa 3.000 Mann wieder auf einen Sportplatz. Das war der Rest von den 4.000, die am Morgen losgezogen waren. Tausend Mann sind unterwegs eines elenden Todes gestorben. In der Frühe mußten sich Tschechen, Slowaken und Österreicher melden. Wir waren etwa 400 Mann und wurden in einen geschlossenen Hof gebracht. Den ganzen Tag und die ganze Nacht blieben wir dort, ohne etwas zu essen oder zu trinken zu bekommen. Die anderen Männer wurden abtransportiert, wohin weiß ich nicht. Wir mußten wieder zu viert antreten. Nun waren auch schon Flüchtlin­ge mit Wagen und Pferden da, also alles durcheinander. Wir gingen eine Ser­pentinenstraße aufwärts. Oben durften wir rasten. Hier machten uns die Posten aufmerksam, daß wir uns nicht so anstellen sollten, wie die anderen am Tage zuvor. Wir dürften ja nicht auseinander laufen, sonst erginge es uns wie jenen. Wir sollten nur in das Tal schauen, da könnten wir das Massen­grab sehen. Dann wurden wir auf den größten Sportplatz von Prag geführt, der etwa ein Kilometer lang und ebenso breit war. Hier kamen an die 24.000 Männer, Frauen, Kinder und Greise zusammen. Da trafen wir einen reichsdeutsehen SS-Sturmmann von unserer Kompanie, mei­nen Gruppenführer. Wir fragten gleich nach dem Schicksal der anderen Kameraden. Er winkte mit der Hand ab, Tränen traten ihm in die Augen, sprechen konnte er nicht viel. Aber soviel sagte er, daß von den 2.600 Mann höchstens 200 übrig geblieben sind. Er berichtete, daß auf der Anhöhe, wo wir rasteten, einige versuchten zu flüchten und auseinanderliefen. Da wur­den sie zusammengeschossen, daß sich ein Fluß aus Blut bildete. Nun wuß­ten wir Bescheid, warum sie uns geraten hatten, beisammen zu bleiben. Gleich darauf kam ein Tscheche gelaufen, der fragte, was der bei uns suche, er solle sofort verschwinden, so konnten wir uns nicht näher informieren. Er konnte aber noch sagen, daß er dabei war, wie sie die Toten in Massengrä­bern begruben.
Mit einem tschechischen Leutnant konnten wir uns anfreunden. Ihm klagten wir unser Leid, wir wären doch Slowaken und müßten ebenso leiden wie die anderen. Schließlich bekam er Mitleid und meinte, er könne uns nicht anders helfen, als uns zum Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers zu bringen. 30 Volksdeutsche waren es, die mit ihm aus dem Lager durften. Auf seinen Wunsch hin konnten wir uns Zivilkleider beschaffen, weil wir bis dahin noch teils slowakische teils SS-Uniformen trugen. Zwei Tage gingen wir so zur Arbeit. Während unserer Abwesenehit wurde das Lager den Russen überge­ben und nach Osten abtransportiert. Es waren auch viele Drexlerhauer dabei.
Drei Monate verbrachten wir in diesem Lager, das bald wieder aufgefüllt worden war. Nach einer Woche erschien ein Jude namens Spitzer aus Rosen­berg, der die Slowaken sehen wollte, die hier arbeiteten. Er war in tschechi­scher Uniform als Stabskapitän und hatte einen Zigeuner in Uniform bei sich. Als er uns nach den Namen fragte und wir ihm antworteten: Schuster, Schneider usw., sagte er, das sind ja alles Deutsche und keine Slowaken. Einzeln mußten wir nochmals vortreten. Dann stellte er fest, daß alle bis auf einen Deutsche seien. Gerade ein SS-Unterscharführer R. aus Oberstuben, der einen slowakisch klingenden Namen hatte, sei Slowake und der einzig Verläßliche.
Wir anderen wurden von ihm zum Tode verurteilt. Am meisten haben ihn die Zipser Deutschen interessiert. Wahrscheinlich wollte er an ihnen Rache üben. Nachdem er uns gesagt hatte, daß wir niemals mehr weder unsere Heimat noch unsere Familien wiedersehen werden, wußten wir, was uns bevorstand und daß dieser Jude von den Partisanen war. Er wollte uns gleich aus dem Lager mitnehmen, wahrscheinlich, um seinen Vorsatz durchzuführen. Nachdem sich dieses aber an einem Samstagnachmittag zugetragen hatte, zu einer Zeit als nur der Kommandant des Lagers und nicht der Major anwesend war, konnte der Kommandant dies nicht zulassen, und sagte ihm, er sol­le am Montag wiederkommen, wenn der Major anwesend sein werde. Ich war Augenzeuge, wie sechs junge SS-Männer etwa 18 Jahre alt, auf Befehl dieses Juden ausgezogen mit dem Koppel geschlagen wurden, bis sie bewußtlos waren. Wegen der Ruhr, die im Lager herrschte, haben die Men­schen ihre Bedürfnisse in verschiedene Gräben verrichtet. In solche Gräben wurden sie geworfen, nachdem sie erschossen worden waren. Der Jude gab dann dem Kommandanten des Lagers den Befehl, Heber Reichsdeutsche zur Arbeit zu nehmen, uns bis Montag einzusperren und uns nichts zu essen zu geben. Wir wären ja alle SS-Männer und Gestapo-Leute. Den Befehl führte dieser auch aus. Gewöhnlich kam der Major morgens um neun Uhr ins Lager. An diesem Mon­tag traf er aber schon um acht Uhr ein, weil er erfahren hatte, daß der Jude um neun Uhr kommen wollte. Er belehrte uns noch vorher und sagte: ‚Ich habe euch schon mehrmals gesagt, Ihr sollt Euch als Slowaken ausgeben und wenn der Christus selber kommt. Und wenn einer mehr haben will, soll er zu mir kommen.‘ Und nun sollten wir unsere Arbeit so wie bisher verrichten, er sei mit uns sehr zufrieden. Alles andere würde er schon machen, das sollten wir nur ihm überlassen. Natürlich waren wir sehr neugierig, was nun kommen werde. Den Juden und den Zigeuner sahen wir nicht. Gegen 9.30 Uhr hieß es vor dem Büro antreten. Auf einmal stand der Zigeuner mit einer russischen Maschinenpistole vor uns. Er frag uns verschiedenes, vor allem, wer bei der SS und Gestapo war. Kurz darauf kam ein tschechischer Leutnant in Zivil, den wir von früher kannten, aus dem Büro und sagte, wir sollten nichts verschweigen und die Wahrheit sagen. Alle Namen, Dienstgrad, Dienstzeit, wo gedient und wie nach Prag gekommen, mußten wir angeben. Dies dauerte eine Stunde, dann schickte er uns wieder auf unsere Arbeitsplätze zurück. Nach etwa einer vier­tel Stunde sahen wir Juden und Zigeuner das Lager verlassen. Der Major kam zu uns und sagte, er wolle uns helfen, wo er könne, wir sollten aber nicht versuchen auszureißen. Er werde auch alles unternehmen, daß wir nach Hause kämen. Es vergingen noch drei Monate. Viermal waren wir noch zum Verhör bestellt. Als der zweite Transport nach Hause abgehen sollte, bedauerte der Major, daß er den ersten überhaupt hatte wegfahren lassen, da diese sehr viele Schläge bekommen hatten. Wir sollten erst alles ein bißschen zur Ruhe kom­men lassen, dann könnten auch wir nach Hause. Am 9. Juli 1945 versetzte er uns nach Preßburg, von wo wir entlassen werden sollten. Hier war ich drei Moante. Nachdem ich kein Ende sah und durch Zufall die Anschrift meiner Familie erfuhr, bin ich am 9. November 1945 ausgerissen und bei den Meinen glücklich angekommen.“

Gegenwart

Heute leben nach Volkszählung nur noch weniger als 6.000 Deutsche in der Slowakei. Die Karpatendeutsche Landsmannschaft in Stuttgart arbeitet mit dem Karpatendeutschen Verein (KDV) in der Slowakei und dessen Jugendverband und mit der slowakischen Regierung zusammen und betreibt u. a. Traditionspflege. Größtes Problem der deutschen Minderheit ist die Assimilation der mittleren und jungen Generation an das slowakische Umfeld, die in den meisten Fällen so weit geht, daß Sprache und Brauchtum verlorengegangen sind. Es gibt jedoch immer noch zwei karpatendeutsche Dörfer, Hopgarten und Metzenseifen. In Hopgarten ist die Einwohnerschaft noch mehrheitlich deutschstämmig und deutschsprachig.

Der Karpatendeutsche Verein mit zirka 4.800 Mitgliedern und die slowakische Regierung schätzen, daß der Anteil der Deutschen heute bei etwa 10.000 bis 12.000 Personen liegt.

Quelle

Verweise

Fußnoten

  1. Schicksal Hauerland. Untergang des deutschen Siedlungsgebietes in der Mittelslovakei. Eine Dokumentation – redigiert von L. Wohland. Bensberg 1989 S. 89