Massaker von Prerau
Beim Massaker von Prerau am 18./19. Juni 1945 wurden alle 267 Insassen eines Flüchtlingszuges – es handelte sich um Karpatendeutsche – am Prerauer Rangierbahnhof von tschechoslowakischen Soldaten verschleppt und an der Schwedenschanze bei Ober Moschtienitz ermordet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die meisten der 267 Karpatendeutschen, die sich am 18. Juni 1945 im Zug am Bahnhof in Prerau befanden, stammten aus der Ober- und Unterzips. Sie waren kurz vor Kriegsende nach Nordböhmen evakuiert worden und wollten nun in ihre Heimat zurückkehren. Während der Zug hielt, lief ein Militärtransport mit tschechoslowakischen Soldaten in den Bahnhof von Prerau ein. Die Soldaten befanden sich von einer Siegesfeier in Prag auf dem Heimweg.
Am Nachmittag zwang der tschechische Nachrichtenoffizier Leutnant Karol Pazúr mit seinen Soldaten die 267 wehrlosen Zivilisten dazu, den Zug zu verlassen. 30 tschechoslowakische Soldaten wurden rekrutiert, um in der Nähe des Bahnhofes an der sogenannten Schwedenschanze ein Massengrab auszuheben. Kurz nach Mitternacht wurden dann die Karpatendeutschen am 19. Juni in Viererreihen vom Bahnhof weggebracht. Sie mußten sich bis zur Unterwäsche ausziehen, alle persönlichen Wertgegenstände abliefern und wurden dann mit Genickschüssen ermordet. Neben den 71 Männern und 120 Frauen fielen 74 Kinder diesem Verbrechen zum Opfer. Das jüngste Opfer war ein erst acht Monate alter Säugling, das älteste Opfer war ein 80 Jahre alter Mann. Anschließend plünderten die Soldaten die noch im Zug befindlichen Wertgegenstände der Heimkehrer vollständig.
- „Das Massaker verübten Soldaten des 17. slowakischen Infanterieregiments aus Preßburg (Bratislava), die hierhin mit dem Zug Nr. 98717 aus Prag am 18. Juni um 6.15 Uhr früh ankamen. Gegen 9 Uhr kontaktierte Karol Pazúr den Sicherheitsreferenten des Bezirksnationalausschusses in Prerau Vladimír Vicena und verlangte von ihm die Auslieferung der festgenommenen Kollaborateure und Deutschen. Dies lehnte Vicena mit der Begründung ab, gegen die in Gewahrsam befindlichen Personen seien die Untersuchungen noch nicht ordentlich abgeschlossen. Karol Pazúr, der behauptete, er sei Offizier des OBZ, gab sich am Ende mit der Forderung nach Lebensmitteln für seine Soldaten zufrieden. Bevor Pazúr zum Bahnhof zurückkehrte, hielt neben dem Militärtransport ein Transport mit Karpatendeutschen. Einige der Soldaten erkannten bekannte Zivilisten aus der Gemeinde Dobschau (Dobšiná). Nachdem Karol Pazúr festgestellt hatte, daß die Zivilisten besser deutsch als slowakisch sprachen, ließ er von etwa zwanzig seiner Männer eine Durchsuchung des Zuges durchführen. Am Ende trieb er die Zivilisten zwischen die Gleise und allen wurden die Ausweise kontrolliert. Die Soldaten suchten nach Personen, die Angehörige der SS, der NSDAP oder der Deutschen Partei sein konnten. Karol Pazúr rief daraufhin die Namen der Zivilisten aus dem Zug nach einer Liste aus, die einer der Soldaten an der Stelle anfertigen musste. Dies dauerte so lange, bis etwa 300 Personen, einschließlich Frauen und Kinder, versammelt waren. Die leeren Waggons wurden in der Nacht von den Soldaten geplündert, in der Früh schlossen sich ihnen Zivilisten aus der Umgebung an. Während dieser Aktion behauptete Karol Pazúr gegenüber Kapitän Eugen Surovčík, daß er als Offizier der OBZ berechtigt sei, auf Deutsche zu schießen und daß unter den Festgehaltenen eine Reihe von Angehörigen der SS sei, was der Wahrheit nicht entsprach. Das Hinrichtungskommando wurde aus Soldaten der 1. Kompanie des Regiments Alexej Komanickýs zusammengestellt, die Soldaten suchte der Kompanieführer Gejza Gladič aus. Am Abend führten Soldaten die ausgesuchten Deutschen zunächst in Richtung Friedhof in Lowieschitz (Lověšice) und danach zur Ziegelei. Auf dem Örtlichen Nationalausschuß in Ober-Moschtienitz (Horní Moštěnice) verlangten sie die Unterbringung der Deutschen, aber in Anbetracht der begrenzten Kapazitäten, die nur der örtliche Bauernhof bot, wurden sie abgewiesen. Die Deutschen bekamen von den örtlichen Einwohnern Wasser, und etwa nach zwei Stunden kehrte die Kolonne zurück nach Prerau. An einem Feldweg, der zu der Anhöhe Schwedenschanze (Švédské šance) abzweigte, blieb die Kolonne wieder stehen. Etwa gegen 20 Uhr kontaktierte Karol Pazúr den Vorsitzenden des Örtlichen Nationalausschusses in Lowieschitz (Lověšice) Antonín Mikloš und teilte ihm mit, daß er den Befehl habe, etwa sechs Angehörige der SS zu erschießen. Er forderte zehn bis fünfzehn Männer mit Geräten zum Ausheben des Grabes. Der Örtliche Nationalausschuß gab ein Rundschreiben heraus, in dem dies von den Bürgern verlangt wurde. Nach einigen Aussagen aus dem Jahre 1946 wurde in dem Rundschreiben angegeben, daß diejenigen, die dies ablehnen sollten, erschossen würden. Die Gruppe dieser Männer führte der ortsansässige Bürger Oldřich Zezula. Einige Männer vermuteten, sie sollten verendete Pferde begraben. Insgesamt handelte es sich um 27 Einwohner mit Spitzhacken und Schaufeln, die das Massengrab aushoben. Das Morden begann am 19. Juni 1945 ungefähr um 1 Uhr nachts. Nach späteren Aussagen gehörten Karol Pazúr, Bedřich Smetana und František Vaculík zu den Mördern. Die meisten Opfer mußten sich vor der Hinrichtung ausziehen und ihre Sachen auf einen Haufen ablegen. Später verbrannten die Soldaten die Kleidung oder verteilten sie unter sich, Geld und persönliche Gegenstände wurden entwendet. Schriftstücke und Dokumente wurden am Ort des Mordes verbrannt. Manche Kinder wurden in das Grab noch lebend hineingeworfen und von Karol Pazúr erst dann erschossen. Insgesamt wurden 267 Personen ermordet. Im Laufe des 19. Juni kam zum Ort der Hinrichtung eine Untersuchungskommission, in der auch Offiziere des NKWD von der örtlichen Garnison der Roten Armee vertreten waren. Unterwegs machte die Kommission Halt in Lowieschitz (Lověšice), wo sie mit Karol Pazúr und etwa 20 seiner Soldaten zusammentrafen. Als die Mitglieder der Kommission Pazúr nach den Gründen für das Massaker fragten, antwortete er, daß es sich um eine militärische Angelegenheit handele. Nach einer Aussage bat ein Offizier des NKWD Pazúr, der kein Rangabzeichen hatte, sich zu legitimieren. Als dieser das tat, lächelte der Offizier kurz, salutierte und fragte nicht weiter nach. Die Kommission besuchte den Tatort und fertigte eine Situationsskizze an. Der Garnisonskommandant, Oberstleutnant der Roten Armee Filip Antonowitsch Popow, ließ abends den Haftbefehl gegen Karol Pazúr ausstellen, doch der Zug mit den Soldaten war inzwischen schon abgefahren. Der Militärtransport setzte seine Reise am 19. Juni um 19.18 Uhr nach Preßburg (Bratislava) fort.“[1]
Im Oktober 1947 wurde das Massengrab heimlich exhumiert und die sterblichen Überreste auf dem Prerauer Friedhof überführt, einige davon im Olmütz eingeäschert. Bei der Exhumierung wurde festgestellt, daß einige Opfer der Bluttat lebendig verscharrt worden waren. Von etlichen karpatendeutschen Opfern sind die Herkunftsorte bekannt. Sie kamen aus:
- Dobschau: 131 Opfer
- Drexlerhau: 36 Opfer
- Mühlenbach: 34 Opfer
- Käsmark: 30 Opfer
- Deutschendorf: 7 Opfer
- Groß Schlagendorf: 7 Opfer
- Matzdorf: 6 Opfer
- Michelsdorf: 5 Opfer
- Einsiedel: 4 Opfer
- Georgenberg: 3 Opfer
- Altwalddorf: 3 Opfer
- Hollomnitz:1 Opfer
Gedenken
Seit 1993 erinnert eine schlichte Gedenkstätte in Prerau an diesen Massenmord. Eine juristische Aufarbeitung der Tat hat bis heute nicht stattgefunden, die Mörder wurden nie verurteilt. Karol Pazur wurde zwar kurz inhaftiert, fiel dann unter das tschechoslowakische Amnestiegesetz Nr. 115 vom 8. Mai 1946 und wurde deshalb nicht zur Verantwortung gezogen. Bis heute legalisiert in der Tschechei dieses Gesetz faktisch alle bis zum 28. Oktober 1945 in der Tschechoslowakei an Deutschen begangenen Verbrechen. Einzige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit solcher Taten ist nach dem Wortlaut dieses Gesetzes, daß sie „eine gerechte Vergeltung zum Ziele hatten“.
Zitate
- „In Drexlerhau wurde ein Kriegerdenkmal von jungen Idealisten restauriert. Eine Gruppe junger Deutscher restaurierte im Hauerland deutsche Gräber. Ein Gedenkgottesdienst erinnerte an die Opfer aus Drexlerhau, die vor 75 Jahren beim Blutbad in Prerau ums Leben gekommen waren. Das jüngste Opfer war acht Monate alt, das älteste 80 Jähre.“ — Konrad Windisch, Kommentare zur Zeitgeschichte, Folge 567, Jahreswende 2020/2021, Seite 3
Siehe auch
Literatur
- Jiri Padevet: Blutiger Sommer 1945 – Nachkriegsgewalt in den böhmischen Ländern, Leipzig 2020
Verweise
- Massaker von Prerau: „An der Wahrheit führt kein Weg vorbei“
- Dokumentarfilm über das Verbrechen (tschechisch)