Klein, Naomi
Naomi Klein (* 5. Mai 1970 in Montreal, Québec) ist eine jüdische Schriftstellerin, Journalistin und Globalisierungskritikerin. Sie bezeichnet sich selbst als demokratisch-sozialistisch[1] und befürwortet eine Gelenkte Volkswirtschaft.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Naomi Klein wurde 1971 in Montreal in eine jüdische, mit den Sozialisten sympathisierende Familie hineingeboren. Ihr marxistischer Großvater Philip Klein arbeitete als Zeichner von Bildergeschichten bei Disney und wurde entlassen, nachdem er dort den ersten Streik organisiert hatte. Kleins Vater Michael Klein war Arzt, Universitätsprofessor und Mitglied von „Physicians for Social Responsibility“, die Mutter Bonnie Sherr eine antipornografische und feministische Filmemacherin („Not a Love Story“).[2] Die Eltern hatten Ende der 1960er Jahre die Vereinigten Staaten von Amerika aus Protest gegen den Vietnamkrieg verlassen und sich im kanadischen Montreal eine neue Existenz aufgebaut. Kleins Bruder Seth leitet in British Columbia das Büro des Canadian Centre for Policy Alternatives, einer linken Denkfabrik. Nach dem Besuch der High School und einem Vakanzjahr studierte Naomi Klein an der Universität von Toronto Anglistik und Philosophie. Daneben besuchte sie auch Lehrangebote im Fach Kulturwissenschaft. Nach eigenen Angaben führte das Massaker eines Amokläufers an 14 Ingenieurstudentinnen der Universität Montreal (1989) sie zum Feminismus. Sie engagierte sich in Kampagnen gegen „Geschlechts- und Rassendiskriminierung“ und schrieb darüber in der Studentenzeitung „The Varsity“.
Zurzeit arbeitet sie als freie Journalistin u.a. für das Saturday Night-Magazin und schreibt eine wöchentliche Kolumne für die kanadische Zeitung The Globe and Mail sowie für die britische Tageszeitung The Guardian. Sie ist die Drehbuchautorin des Films The Take.
Seit dem Erscheinen ihres globalisierungs- sowie generell konsumkritischen Verkaufsschlagers „No Logo!“ im Jahre 2000 gilt Klein als intellektuelle Vorreiterin und Ikone der Globalisierungskritiker. Das Buch selbst gilt als das erste Manifest der globalisierungskritischen Bewegung. Die Londoner Tageszeitung The Times erklärte die damals Dreißigjährige nach Erscheinen von „No Logo!“ zur „wohl einflußreichsten Person unter 35 Jahren“.
Sie selbst weist solche „Heroisierungen“ weit von sich. So sagt sie zur Aussage „Bibel einer Bewegung“ über ihr Buch: „Wenn Journalisten außer Kontrolle geraten, bin ich nicht dafür verantwortlich.“ Auf die Frage, ob sie das Lob nicht stolz mache: „Nein. Die Einzigen, die sich darum scheren, welche Kleider Naomi Klein trägt oder welchen Kaffee sie trinkt, sind Journalisten. Der Bewegung ist das egal. Sie braucht keine Führerin und keine Prominenten.“
Im Oktober 2005 nahm Klein den elften Platz im 2005 Global Intellectuals Poll, der Top 100 der wichtigsten lebenden, in der Öffentlichkeit stehenden Intellektuellen, welche in einer Zusammenarbeit der Magazine Prospect (Großbritannien) und Foreign Policy (USA) durch eine Leser-Internetumfrage ermittelt wurde, ein.
Israel-Boykott und Judenhaß
Naomi Klein hatte im Februar 2009 zum Boykott, zur Desinvestition und zu Sanktionen gegen Israel aufgerufen. Der berühmten Kanadierin zur Seite stehen die israelischen Kriegsdienstverweigerer, Michel Warschawskis ›Alternative Information Center‹ in Jerusalem, die ›European Jews for a Just Peace‹ mit der deutschen ›Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost‹ und der ›Union juive française pour la paix‹ (UJFP) sowie viele große und kleine jüdische Organisationen außerhalb des zionistisch-neokonservativen Mainstreams in anderen Ländern, vor allem in den USA. [3]
Werke
Naomi Klein, bekannt durch ihr Erfolgsbuch „No logo“, beschreibt in ihren Buch „Die Schock-Strategie“ den kompletten Ausverkauf des Staates an die Privatwirtschaft.[4] Die Autorin stellt darin ihre Hypothese vor, daß ein Schock wirtschaftlicher, militärischer Art oder auch in Form einer Naturkatastrophe dazu genutzt wird, um über politischen Einfluß massiv Privatisierungen auch von Allgemeingütern voranzutreiben. Sie parallelisiert ihre persönlichen Recherchen unter Opfern der CIA-Menschenversuche und die neoliberalen ökonomischen Theorien, die gleichfalls mit dem Tabula-Rasa-Begriff in praktischer Weise arbeiten. Elektroschockfolter als Mittel der psychischen Neukonfiguration (die darin stets scheiterte) und schockartiges Niederreißen von Grenzen und Schutzbestimmungen führt sie auf gemeinsame epistemische Grundvorstellungen zurück, die zwar praktisch umgesetzt werden, deren Schadensbilanz jedoch das wissenschaftliche Scheitern dieser Ideologien beweise.
Auf dieser Basis kritisiert Naomi Klein die Ideologie des Freien Marktes von Milton Friedman, den sie als „Monster“ bezeichnet, und der Chicagoer Schule anhand ihrer Umsetzung in Chile unter Pinochet, Rußland unter Jelzin und in den Vereinigten Staaten. (Begleitend erschien in Kooperation mit Alfonso Cuarón ein auf Kleins Weltnetzseite abrufbarer, englischsprachiger Kurzfilm.) In ihren Werken spitzt sie in vorbildlicher Weise ein Grundproblem ökonomischer Wissenschaft zu, indem sie fragt, wie ökonomischer Erfolg eigentlich definiert wird. Falls ökonomischer Erfolg als unendliche Akkumulation von Waren, Verkehr und Dienstleistungen definiert wird, fehlt die Bedingung, daß dies alles innerhalb sensibler ökologischer Systeme vonstatten geht. Oder falls ökonomischer Erfolg als unendliche Beschleunigung von Umsatz, Transport und Produktion definiert wird, bleibt der tatsächliche, konkrete Mensch in solchen Verhältnissen zurück als reiner Störfaktor, als Wesen, dessen mangelnde „Flexibilität“ es fundamental disqualifiziert. Was wiederum die Frage aufwirft, für wen und um wessen Willen Ökonomie überhaupt stattfindet.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Naomi Klein: No Logo! Riemann Verlag, München 2002, ISBN 3-570-50028-4
- Naomi Klein: Über Zäune und Mauern. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2003, ISBN 3-593-37216-9
- Naomi Klein: Bagdad im Jahr Null. Das Scheitern der neokonservativen Utopie. in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/2005, S. 33-54.
- Naomi Klein: Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2007, ISBN 3-100-39611-1
Filme
- The Take – Dokumentarfilm (2004)
Filmbeitrag
1. Naomi-Klein-Interview bei Kulturzeit — 2. Willemsens Bücher, Naomi Klein
Die Globalisierungs-Kritikerin Naomi Klein stellt in ihrem Buch „Schock-Strategie“ eine gewagte These auf: daß der globale Kapitalismus mit Hilfe von Katastrophen ganze Gesellschaften in einen folterähnlichen Schockzustand versetzt. Wir haben mit der Autorin gesprochen.
Familie
Klein ist verheiratet mit dem Journalisten Avi Lewis und lebt in Toronto.
Siehe auch
Verweise
- Weltnetzseite von Naomi Klein
- Naomi Klein: Die Schock-Strategie - Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus, (PDF) Leseprobe
- „Den Seelenverkäufern auf der Spur“ alpha press, März/April 2001
- Amy Goodman: Naomi Klein Debates Alan Greenspan (Democracy Now! via AlterNet, 25. September 2007 - Transkript einer Radio-Debatte; vgl. Alan Greenspan)
- Kapitalismuskritikerin Klein: „Die Räuberbarone kommen zurück“ (Spiegel Online, 28. September 2007 - Gespräch mit Gabor Steingart und Frank Hornig)
- Der Irakkrieg ist ein gigantisches Geschäft „Der Tagesspiegel“, Berlin, 29. Oktober 2007
- Artikel von Naomi Klein auf ZNet (dt.)
- „Der Terror des Katastrophen-Kapitalismus“ Eren Güvercin bespricht Naomi Kleins neues Buch "Schock-Strategie - Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus".
- Deutschlandradio Kultur - Globaldiagnose mit grobem Strich 14.09.2007
- Europa im Blick - Finanzmarktkrise löst neoliberalen Klassenkonsens auf 12.02.2008
- Europa im Blick - Die Ideologie des freien Markts hat noch lange nicht abgedankt 22.09.2008
- Europa im Blick - Höchste Zeit für Widerstand gegen die Schockstrategie der Wall Street 26.09.2008
- Verrat am Steuerzahler - Die Plünderung - Bushs vielleicht kreativste Erfindung: der risikofreie Kapitalismus., 04. November 2008
- Finanzkrise - Jetzt bloß kein "sanfter Übergang", 25. November 2008
- Die Ideologie des freien Markts hat noch lange nicht abgedankt, europa-im-blick.de, 22. September 2008