Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) war in der DDR die Bezeichnung für eine Organisationform, die durch einen staatlich erwünschten und nach und nach mit verschiedenen repressiven und propagandistischen Maßnahmen durchgeführten Zwangszusammenschluß von Bauern und deren Eigentum an Boden, Tieren, Maschinen und Beschäftigten zur genossenschaftlichen Produktion gegründet worden war.
Während der 2. Parteikonferenz der SED (9.-12. Juli 1952) wurde die Bildung von Genossenschaften beschlossen, nachdem noch im April in der Parteipresse dementiert wurde. Damit war den LPGen der Weg geebnet. Die Bauern wurden oft unter Druck gesetzt und genötigt, diesen Genossenschaften beizutreten. Viele Bauern verließen daraufhin ihre Höfe und auch die DDR, um nicht der LPG beitreten zu müssen.
Inhaltsverzeichnis
Der Weg zur LPG
Die Losung der SBZ-Bodenreform Von Junkerland in Bauernhand wurde 1952 durch Vom Ich zum Wir abgelöst; die Enteignungen von Großgrundbesitzern 1945/46 und die Ansiedlung von individuell arbeitenden Neubauern durch die Kollektivierung dieser freien Kleinbauern 1952 bis 1960. Die Bauern sollten zwischen LPG-Typen wählen. In Typ I konnte der Boden der Mitglieder genossenschaftlich bewirtschaftet werden, in Typ II kamen Ackerland, Maschinen und Zugtiere hinzu und in Typ III mit dem höchsten Vergesellschaftungsgrad auch private Wirtschaftsgebäude und Zuchtvieh.[1]
Auf freiwilliger Basis traten vor allem die „Neubauern“ der Bodenreform ein. Zumeist mußten sie eine Wirtschaft aus dem nichts aufbauen oder hatten bei vorhandenen Strukturen keine Ahnung vom Bauerntum. Dafür waren sie oft Anhänger der herrschenden Kommunisten. Die Altbauern waren wirtschaftlich erfahren und erfolgreich, wurden deshalb für funktionierende Genossenschaften gebraucht, wollten aber nicht freiwillig eintreten. Das Ergebnis war Klassenkampf auf dem Lande. Ablieferungen wurden erhöht, Schauprozesse abgehalten und Bauern enteignet. Im Februar/März 1953 verloren 6.500 Bauern ihre Höfe. Im I. Quartal 1952, vor Beginn der Kollektivierung, flohen 455 Bauern (Republikflucht). Im I. Quartal 1953 schon 5.685 Bauern, viele brannten vorher ihre Höfe nieder. 1956 lagen 16 % der Nutzfläche brach. Immer weniger Nahrungsmittel gelangten in die Städte.
Die Quittung bekamen die Kommunisten bei Arbeiteraufstand (in diesem Sinne auch Bauernaufstand) am 17. Juni präsentiert. Mit der von Moskau geforderten Propagierung eines Neuen Kurses, ab dem 10. Juni 1953 veröffentlicht, kam es auf dem Lande schon ab dem 12. Juni zu antikommunistischen Protesten in Form von Neuwahlen der Gemeindevertretungen oder der Neufassung von Die Sau durch das Dorf treiben in Form kommunistischer Funktionäre. Rund 600 LPGen lösten sich auf, 33 000 Mitglieder traten aus. Nach einer kurzen Phase der Ruhe wurde die 1953er Zahl von ¼ Höfen in LPGs auf ½ 1959 erhöht. Die verbliebenen 400 000 Höfe hielten aber immer noch 55 % der Nutzfläche. Dem mit dem Wegfall der Lebensmittelkarten 1958 gestiegenen Verbrauch wurde mit dem erhöhten Zwang zur Genossenschaft 1960 begegnet. Angehörige von Betriebskampfgruppen, der FDJ, der Justiz, MfS und der Polizei, von der SED gesteuert, zogen in diesem „sozialistischen Frühling“ über das Land. Am 25. April 1960 verkündete Walter Ulbricht vor der Volkskammer den Abschluß der Kollektivierung.
Sozialistische Landwirtschaft
In den Jahren 1960/13. August 61 verließen ca. 15 000 Genossenschaftsbauern die DDR. Kaum eine Planvorgabe, ob Fleisch, Gemüse oder Obst konnte erfüllt werden. Verstärkt wurde nun die Übergabe der Technik der Maschinen- und Traktoren-Stationen (MTS) an die LPGs betrieben. Die Zusammenlegung von Kleinst-LPG zur Industrialisierung der Landwirtschaft ging schleppend voran.[2] Das 1963 eingeführte und bis zur Entmachtung Ulbrichts 1971 bestehende Neue Ökonomische System bedeutete einen weiteren Schritt zu industriemäßigen Produktionsmethoden. Das Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft wurde Februar 1963 aufgelöst und erst Januar 1972 unter Erich Honecker als Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft wieder errichtet. In der Zwischenzeit war ein Landwirtschaftsrat beim Ministerrat der DDR aktiv. Sondervergütungen wurden eingeführt und Pflichtablieferungen eingestellt. Besonders gefördert wurde der Typ III. Durch den Beitritt von Typ I und II verringerte sich die Anzahl von Genossenschaften von 19 000 in 1960 zu 9000 in 1970 mit durchschnittlich 600 Hektar.
Mit dem Machtantritt Honeckers im Juni 1971 wurde die Spezialisierung zu Großbetrieben vorangebracht. In Kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP) wurden nun die Agrochemischen Zentren (ACZ), Gärtnerische Produktionsgenossenschaften (GPG), LPGs für Pflanzenproduktion und Volkseigene Güter (VEG) zusammengefaßt.[3] Das Dorf verlor so weiter an Funktion. Hinzu kam die Auflösung der Verbindung Boden-Tier-Boden. 1977 wurde weiter in LPG Tier- (T)[4] und Pflanzenproduktion (P)[5] spezialisiert. Die großen LPG (T), dazu zählten auch die Kombinate für industrielle Mast (KIM), waren derartig überdimensioniert, daß die umliegende Fläche nicht mehr für die Zuarbeitung ausreichte. Wiesenflächen waren mit den angefallenen Güllemengen derart überdüngt, daß gemähtes Gras schon aus sich heraus nach Gülle roch und von vielem Vieh nicht gefressen wurde. 1978 wurde die Industrialisierung nicht rückgängig gemacht aber eingestellt. Die Subventionen wurden 1984 verringert, Aufkaufpreise erhöht. Auch das Territorialprinzip, das Dorf mit einer bindenden Funktion, geriet wieder in den Blickpunkt. Dennoch mußten weiter Lebensmittel, vor allem aber Futtermittel, importiert werden.
Bilderläuterung
„VOM ICH ZUM WIR“: Ab 1952 Losung zur Kollektivierung in der Landwirtschaft und zum planmäßigen Aufbau des Sozialismus.
Oberes Drittel: Wer in die LPG folgt, hat Zeit zum lesen, radfahren, schwatzen – kurz Freizeit. Wer noch schwankt, wird als „Ewiggestriger“ (in Tracht dargestellt) vom Agitator überzeugt. Dem untertechnisierten Altbauern mit seiner Mistgabel folgt im
mittleren Drittel die Technisierung in Form von Maschinen- und Traktoren-Stationen und 1960 der Abschluß der Kollektivierung. Daneben das Symbol des Siebenjahrplans von 1959, der schon 1963 zu Ende ging. Darunter ein Hinweis auf die technischen Möglichkeiten großflächiger Landwirtschaft. Ab 1957 düngten Agrarflieger aus Flugzeugen, später auch Hubschraubern. Im
unteren Drittel wird eine Kampagne gegen Kleinfeldwirtschaft von 1958 bis ca. 1960 verdeutlicht. Dabei ging es um den großflächigen Maisanbau (siehe Verweis Die Maiswurst).
Verweise
- Der Spiegel. 12. März 1958: Die Maiswurst.
- Mahlow, Irmgard: Ein Bauernkind erinnert sich. Vom Ich zum Wir: Der erzwungene Eintritt in die LPG.
- Schöne, Jens: Die Landwirtschaft der DDR 1945-1990. 2005.
Literatur
- Engelstädter, Anna: Sozialhistorische Voraussetzungen von Transformationspotentialen bäuerlicher Familien im Systemumbruch am Beispiel der Insel Rügen. 2006.
- Kropp, Hans-Thomas: Die rechtliche Stellung des Genossenschaftsbauern im Osten Deutschlands von den Anfängen der Kollektivierung bis zur Umgestaltung der Landwirtschaft im Rahmen der Wiedervereinigung. 2001. Diss.
- Mahlich, Wolfgang: Die Herausbildung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in der DDR, dargestellt an der Entwicklung des Kreises Haldensleben, Bezirk Magdeburg (1952 bis 1960). 1999.
- Schier, Barbara: Alltagsleben im „sozialistischen Dorf“ - Merxleben und seine LPG im Spannungsfeld der SED-Agrarpolitik 1945 - 1990. 2001.
- Schmidt, Klaus: Agrargeschichte des Landes Brandenburg bis 1989/90 - Agrarstruktureller Wandel und Umgang mit Eigentum insbesondere im Prozess der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft in der DDR. 2012.