Münzer, Kurt

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Kurt Münzer (* 18. April 1879 in Gleiwitz; † 27. April 1944 in Zürich) war ein jüdischer homosexueller Schriftsteller.

Leben

Münzer verlebte nach eigenen Aussagen eine „vergoldete Kindheit“ als Sohn des orthodox-jüdischen Kaufmanns Mayer gen. Moritz Münzer (* 1824 in Kieferstädtel; † 1908 in Berlin) und Klara Löwysohn (* 1846 in Peiskretscham; † 1922 in Berlin), Tochter des Rabbiners Abraham Löwysohn, zu der er eine starke Bindung hatte. Die Familie zog um 1887 mit ihm und den beiden Geschwistern nach Berlin, wo Münzer nach dem Abitur Jura, Philosophie und Kunstgeschichte studierte. Ohne Berufsziel, führte Münzer seine Studien ab 1904 in Zürich fort. Wegen der Androhung privater Enthüllungen gegenüber den Juden Magnus Hirschfeld und Benedict Friedländer, die als Erpressung sanktioniert wurde, kam Münzer für einige Zeit ins Gefängnis. Er lebte mit dem gleichalten Schauspieler Karl Feigl alias Hans Bernt (*1878) zusammen, der wegen Homosexualität ebenfalls im Zuchthaus war. In Zürich lernte er die anarchistischen Literaten Johannes Nohl (später SED- Mitglied) und Erich Mühsam kennen.

Werk

Schon für seinen ersten Roman, „Die Kunst des Künstlers“ (1905), hatte Münzer einen Verleger gefunden. Finanziell zeitlebens anderweitig abgesichert, veröffentlichte er in den folgenden 18 Jahren um 20 Romane, Novellen, Theaterstücke und Kurzgeschichten, die teils beträchtliche Auflagen erzielten und meist um homosexuelle Themen kreisten. Mit einer nationalpatriotischen Gedichtsammlung („Taten und Kränze, Lieder zum Kriege“, 1914) begrüßte Münzer den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, nahm aber nicht selbst teil. In typischen Ahashver-Romanen wie „Der Weg nach Zion“ (1910) und „Jude ans Kreuz“ (1928) zeigt sein Stil, was Arthur Schopenhauer “die jüdische Schamlosigkeit“ nannte. Münzers größter Erfolg wurde der unter dem Pseudonym Georg Fink veröffentlichte Roman „Mich hungert“ über die Freundschaft eines, tatsächlich sehr fiktiven, „halbjüdischen“ Proletarier-Sohnes zu seinem Mitschüler, dem Sohn des Schuldirektors.

1933 zog er in die Schweiz, wo er vorwiegend in Bern lebte, aber als Schriftsteller keinen größeren Erfolg mehr erzielte. In seinem Werk streute er beständig „seinesgleichen Blumen“ (Herrmann Gödsche). Andernteils formulierte er, daß das Judentum „von Haß und Rache genährt“ wird, dessen Triumph die Zersetzung der „Unterdrücker“ ist.

Zitate aus „Der Weg nach Zion“

Der Held Ephraim Unrast sagt:

„Nicht bloß wir Juden sind so entartet und am Ende einer ausgesogenen, aufgebrauchten Kultur. Alle Rassen von Europa -- vielleicht haben wir sie infiziert, haben wir ihr Blut verdorben. Überhaupt ist ja heute alles verjudet. Unsere Sinne sind in allem lebendig, unser Geist regiert die Welt. Wir sind die Herren, denn was heute Macht hat, ist unseres Geistes Kind. Mag man uns hassen, uns fortjagen, mögen unsere Feinde nur über unsere Körperschwäche triumphieren. Wir sind nicht mehr auszutreiben. Wir haben uns eingefressen in die Völker, die Rassen durchsetzt, verschändet, die Kraft gebrochen, alles mürbe, faul und morsch gemacht mit unserer abgestandenen Kultur. Unser Geist ist nicht mehr auszurotten.“

„Rebekka sah seinen modischen Anzug nicht, nicht das Gesicht, dessen Rasseschönheit im Laufe der Jahrhunderte sich verflacht und abgewandelt hatte in gleichgültigen Typus. Im langen Kaftan stand ein Jude da, ein Jude aus früheren Zeiten, dem man kein Loch zum Schlafen gegönnt, den man von Steinwurf zu Steinwurf, von Schmach zu Schmach getrieben hatte; ein Jude, der gewandert war von Christi Tod an bis zum heutigen Tage, durch den Haß der Christen hindurch, in ewiger Verfolgung, rastlos bei Tag und Nacht, mit Hunden gehetzt, geknechtet und geschlagen; ein Jude, der seinem Gotte hatte dienen müssen heimlich und versteckt wie bei verbrecherischen Taten, dem seine heiligen Gebräuche zum Fluch geworden waren, den wie ein wildes Tier auszurotten man getrachtet hatte. Jede Freude und jede Wohltat hatte man mit Stachelzäunen gegen ihn abgesperrt. In auflebenden Hoffnungen voll leidenschaftlichen Glücks sah er eine Hand ausgestreckt, legte in seliger Scham die seine hinein und fuhr zurück, von spitzen Nadeln gestochen. Er wurde scheu und verängstigt, sah Fallen und Bosheit überall, wurde feige und demütig, kroch und leckte den Speichel der Unterdrücker auf. Aber innen, tief innen glühte das Herz, fraß ein unsterbliches Feuer, von Haß und Rache genährt. Sie leckten den Speichel auf der Unterdrücker, sie leckten ihre Füße, sie leckten ihren After, krochen höher unaufhaltsam, wuchsen und wuchsen. Die Knie strafften sich wieder, der Kopf hob sich, hob sich über den Unterdrücker, der umschmeichelt erlegen war. Der Jude stand da, die schwere Not jahrhunderelanger Friedlosigkeit in den entzündeten Augen, den Rücken gebeugt von den Erinnerungen erlittener Schläge, noch in hündischer Furcht vor jedem Fremden, der verbrieftes Recht hatte, den Vogelfreien zu beschämen und zu treten. Aber hinter allem glühte der Triumph des erschlichenen Sieges. Die Welt war verjudet, in Judengeist und -laster zersetzt. Das war die Rache !“

Werke

  • Das verlorene Lied, Vier Einakter, Berlin (Harmonie-GmbH) o. J. [1907]
  • Der Weg nach Zion, Roman (1910)
  • Taten und Kränze. Lieder zum Kriege, Berlin (Axel Juncker) 1914
  • Der weiße Knabe. Die Geschichte einer seltsamen Liebe, Hannover/Berlin (Paul Steegemann) 1921
  • Dichter und Bürger, Schwedt (Beccards) 1922
  • Das kalte Herz, München (Rösl & Cie.) 1922
  • Mamuschka. Der Roman meiner Mutter, Freiburg im Breisgau (Walter Heinrich) 1923
  • Jude ans Kreuz, Roman (Wien & Leipzig 1928: R. Löwit)
  • Mich hungert (als „Georg Fink“), Berlin (Bruno Cassirer) 1929